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Musik aus dem Ohr

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Das menschliche Ohr kann Töne nicht nur wahrnehmen, sondern auch erzeugen. Hört es die zwei oberen Töne eines Dur-Dreiklanges, produziert es den Grundton des Akkordes, den man dann messen kann. Dieses Phänomen, otoakustische Emission (OAE) genannt, nutzen Ohrenärzte für objektive Hörtests etwa bei Neugeborenen. PTBUntersuchungen zeigen, dass ein OAEHörtest noch verlässlicher wird, wenn man die beiden Töne nicht per Lautsprecher, sondern per Knochenleitung ans Ohr bringt.

Kombinierte Stimulation von otoakustischen Emissionen: Der erste Ton wird über Luftleitung (Sondenlautsprecher im Ohr) und der zweite Ton über Knochenleitung (Knochenleitungshörer hinterm Ohr) übertragen.

Egal ob in Europa, Arabien oder China – das menschliche Ohr ist stets auf Dur gestimmt. Hört es die zwei oberen Töne eines Dur-Dreiklanges, erzeugt es den dritten, tiefsten Ton des Akkordes selber. Dieser Ton heißt Distorsionsproduktotoakustische Emission (OAE) und entsteht aufgrund anatomischer und physikalischer Gesetzmäßigkeiten: Sind die Haarzellen im Innenohr gesund und heil, werden sie durch die beiden zueinander passenden Töne angeregt, mit einer dritten Frequenz zu schwingen. Dieser tiefere Ton dringt wieder aus dem Ohr heraus und kann mit einem empfindlichen Mikrofon gemessen werden. Mithilfe dieses Phänomens lässt sich schon bei Neugeborenen oder Kleinkindern objektiv feststellen, ob das Gehör intakt ist.

Bisher verwendet man für einen solchen Hörtest zwei winzige Lautsprecher, die jeweils einen Ton ins Ohr aussenden, sowie ein Miniaturmikrofon, das den dritten Ton aufzeichnet – wenn er denn kommt. Bleibt er aus, dann haben die Ärzte einen ersten Hinweis darauf, dass das Baby eine Therapie oder ein Hörgerät brauchen könnte. Doch es kann vorkommen, dass das Ohr gesund ist und trotzdem nicht „brummt“. Ursache kann ein schlecht kalibrierter Lautsprecher sein. Oder die beiden eng beieinander liegenden Lautsprecher produzieren stehende Wellen im Gehörgang, die einen der beiden Töne schwächen.

Um solche Fehlfunktionen auszuschalten, sind in der PTB im Rahmen eines DFG-Projektes alternative Tonerzeugungs-Methoden untersucht worden: sogenannte Knochenleitungshörer, die den Ton analog zu einer an den Knochen gesetzten Stimmgabel direkt an den Knochen hinterm Ohr bringen. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl mit zwei Knochenleitungshörern als auch in der Kombination mit einem Lautsprecher korrekte otoakustische Emissionen erzeugt werden. Damit können nicht nur Kalibrierfehler verringert werden, sondern Ärzte bekommen auch bessere Möglichkeiten der Differentialdiagnose, weil sie mit dem neuen Verfahren zweifelsfrei die Funktion des Innenohres testen und somit eventuelle Schäden am Mittelohr einen geringeren Einfluss haben. Klinische Studien sollen folgen.

Wissenschaftliche Veröffentlichung:

Zebian, M.: Calibration of distortion product otoacoustic emission probes. Dissertation, TU Braunschweig (2012)