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Überwachung nach dem Schlaganfall

Besonders interessant für:
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Der Schlaganfall ist die zweithäufigste Todesursache in den Industrienationen und führt bei einem Drittel der Überlebenden zu schweren, andauernden Behinderungen. Diagnostisch wäre es vorteilhaft, die Durchblutung der betroffenen Hirnareale direkt nach dem Schlag möglichst permanent zu beobachten. Ein kompaktes, mobiles Messgerät, das von der PTB und Kooperationspartnern entwickelt wurde, kann direkt am Krankenbett für eine einfachere und häufigere Messung der Hirndurchblutung eingesetzt werden.

Direkt nach einem Schlaganfall wäre eine möglichst permanente Überwachung der Hirndurchblutung vorteilhaft. (Foto: PTB)

Vier von fünf Schlaganfällen sind ischämische Infarkte. Dabei verengt sich eine Schlagader und die Durchblutung im Gehirn wird verringert. Im schlimmsten Fall sterben Hirnareale ab. Um die Hirndurchblutung (Perfusion) auf einer Schlaganfall-Spezialstation (Stroke Unit) zu bewerten, werden bildgebende Verfahren wie etwa die Perfusions-Magnet-resonanztomografie oder -Computertomografie eingesetzt. Diese Verfahren liefern erstklassige Bilder, anhand derer Neurologen und Neuroradiologen geeignete Therapien festlegen. Die Geräte sind jedoch groß, die Untersuchungen teuer, und die Patienten müssen in spezielle Räume gebracht werden, sodass oftmals nur wenige Messungen pro Patient vorgenommen werden können.

Daher hat die PTB zusammen mit dem Centrum für Schlaganfallforschung Berlin und mit dem Institut für Biokybernetik und Biomedizinische Technik der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau ein Verfahren für die kontinuierliche Überwachung der Hirnperfusion direkt am Patientenbett entwickelt. Es basiert auf einem in der PTB entwickelten kompakten Nahinfrarot-Reflektometer mit einer Zeitauflösung im Pikosekundenbereich. Die einzelnen Messungen können damit vergleichsweise häufig, beispielsweise halbstündlich, erfolgen und nicht nur im Abstand von Tagen, wie bislang.

Für die Untersuchung werden über Lichtleiter an einer speziellen Kappe kurze Laserimpulse mit einer mittleren Leistung von wenigen Milliwatt in den Kopf des Patienten eingestrahlt. Das optische Kontrastmittel Indocyanin-Grün (ICG) wird intravenös als Bolus verabreicht. Der Kontrastmittelbolus verändert die optischen Eigenschaften des beleuchteten Gewebes und damit auch die reflektierten Lichtimpulse. Die Datenanalyse nutzt die hohe Zeitauflösung des Gerätes und ist dadurch besonders gegenüber den kortikalen Veränderungen empfindlich. Zusätzlich werden die Vorgänge auf der erkrankten und der gesunden Hemisphäre verglichen. So lassen sich Informationen zur Wanderung des Bolus an der Hirnrinde und damit letztendlich zur Hirnperfusion ableiten.

Das Verfahren wurde an der Neurologischen Klinik der Charité bei mehreren Patienten mit akutem unilateralem ischämischen Schlaganfall erfolgreich erprobt. Dabei kam ein von einer Benannten Stelle nach dem Medizinproduktegesetz zertifiziertes Funktionsmuster des PTB-Messgerätes zum Einsatz. Es besteht die Hoffnung, dass durch die quasi-kontinuierliche Überwachung der Hirnperfusion von Schlaganfallpatienten die positive Bilanz der Stroke Units noch weiter verbessert werden kann.

Wissenschaftliche Veröffentlichung:

Steinkellner, O.; Gruber, C.; Wabnitz, H.; Jelzow, A.; Steinbrink, J.; Fiebach, J. B.; Macdonald, R.; Obrig, H.: Optical Bedside Monitoring of Cerebral Perfusion: Technological and Methodological Advances Applied in a Study on Acute Ischemic Stroke. J. Biomed. Opt. 6 (2010), 061708