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Bosonischer Cluster-Effekt bei Helium

PTB-Messungen mit dem Dielektrizitätskonstanten-Gasthermometer als Vorbereitung des Boltzmann-Projekts haben ab-initio-Theorien für die Wechselwirkung zweier Heliumatome für den Bereich von 26 K bis 3,7 K bestätigt. Bei tieferen Temperaturen zeigen sich jedoch Abweichungen davon, die man durch einen neuartigen bosonischen Clustereffekt erklären könnte.

Kryostateneinsatz mit Dielektrizitätskonstanten-Gasthermometer, das Herzstück des Tieftemperatur-Experiments zur Bestimmung der Gaseigenschaften von Helium

Das im internationalen Projekt zur Neubestimmung der Boltzmann-Konstante verwendete Prinzip der Dielektrizitätskonstanten-Gasthermometrie (DCGT) beruht auf der in-situ-Dichtebestimmung von Heliumgas. Dazu wird die relative Kapazitätsänderung eines mit Heliumgas gefüllten Kondensators gemessen. Bei konstanter Temperatur und unterschiedlichen Drücken im Messkondensator kann mittels fundamentaler Relationen die Temperatur bestimmt werden. Eine Schlüsselrolle bei dieser Methode besitzt die atomare dielektrische Polarisierbarkeit des Messgases Helium. Seit einigen Jahren ist ihr Wert mit der notwendigen relativen Unsicherheit von weniger als 1 ppm bekannt, was das DCGT zu einem der präzisesten Primärthermometer macht. Mit ihm soll die Boltzmann-Konstante am Wassertripelpunkt bestimmt werden, um einen Anschluss der zukünftigen Definition der Temperatureinheit an die bisherige zu ermöglichen. Daneben steht das Messgas im Interesse der Grundlagenforschung, die die Teilchenwechselwirkungen vor allem bei tiefen Temperaturen betrifft. Unterhalb einer bestimmten Temperatur zeigt Helium besondere Eigenschaften wie etwa die Suprafluidität (u. a. verschwindende Viskosität), die mit den Gesetzen der klassischen Physik nicht zu beschreiben sind.

Die neuesten Messungen der PTB zeigen im Bereich zwischen 3,7 K und 26 K eine nahezu perfekte Übereinstimmung der experimentell bestimmten Zweiteilchenwechselwirkung mit den neuesten quantenmechanischen Berechnungen. Im Bereich von 2,4 K, der tiefsten dem Experiment zugänglichen Temperatur, bis 3,7 K zeigen die DCGT-Messungen mit dem Isotop Helium-4 jedoch eine deutliche Abweichung von den berechneten Temperatur- und Wechselwirkungswerten. Erklärt werden kann dieses unerwartete Ergebnis durch die Bildung von bosonischen Helium-4-Clustern in der Gasphase, die zu einer Erhöhung der molaren Polarisierbarkeit und einer Veränderung der Teilchenwechselwirkung führt. In Kooperation mit Theoretikern der Universität Rostock wird nun versucht, eine fundierte theoretische Beschreibung des Clustereffekts zu erhalten und die Vermutung zu bestätigen, dass die treibende Kraft dieses Effekts dieselbe ist wie bei der Suprafluidität in der flüssigen Phase.

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