Logo der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt
Symbolbild "Zeitschriften"

Mikro-Ionenstrahl für die Radiobiologie

Eine neue apparative Einrichtung an der Ionenbeschleunigeranlage der PTB erlaubt es, lebende Zellen mit einer definierten Anzahl von Ionen mit subzellulärer Ortsgenauigkeit zu bestrahlen. Solche Mikrostrahlexperimente dienen vor allem radiobiologischen Fragestellungen wie der Tumorentstehung.

Mikro-Ionenstrahlapparatur mit optischem Mikroskop

Die Tumorentstehung ist ein komplexer und mehrstufiger Prozess, an dessen Anfang eine Schädigung des Erbgutes einer gesunden Zelle steht. Diese Schädigung kann spontan entstehen oder durch verschiedene Agenzien bewirkt werden, wie z. B. chemische Substanzen, Viren oder ionisierende Strahlung. Um die Mechanismen, die der Krebsentstehung durch ionisierende Strahlung zu Grunde liegen, zu verstehen und Risikoabschätzungen für die berufliche und natürliche Strahlenexposition machen zu können, werden im Experiment lebende Zellen ionisierender Strahlung ausgesetzt. In den letzten Jahren gelang es einigen wenigen Forschungsinstituten, ihre apparativen Einrichtungen derart zu verfeinern, dass Zellen mit einer definierten Anzahl von Ionen mit subzellulärer Ortsgenauigkeit (< 5 µm) bestrahlt werden konnten (Mikro-Ionenstrahl). Der Vorteil eines Mikro-Ionenstrahls: Die Zufälligkeit der herkömmlichen Bestrahlung wird ausgeschaltet und wichtige Kontrollparameter wie Dosis, Dosisleistung und Trefferposition können vom Experimentator mit hoher Genauigkeit vorgegeben werden. Hierdurch wird es möglich, die Wirkung geringer Dosen mit höherer Zuverlässigkeit als bisher zu untersuchen.

Am PTB-Ionenbeschleuniger wurde eine derartige Apparatur aufgebaut. Ein Teilchenstrahl aus Protonen oder Alphateilchen wird durch magnetische Linsen auf einen Durchmesser von etwa 1 µm fokussiert und die Intensität des Strahls auf wenige Teilchen je Sekunde reduziert. Das Auftreffen eines Ions auf der Probe wird mithilfe von dünnen Szintillationsdetektoren mit einer Effizienz von 98 % bis 100 % nachgewiesen. Ein wesentlicher Vorteil gegenüber den bereits existierenden Anlagen ist der weite Energiebereich, der in der PTB zur Verfügung steht. Es können daher Untersuchungen durchgeführt werden, die für die Strahlenwirkung der natürlich vorkommenden Strahlenarten (Alpha-, Beta-, Gamma-Strahlung) relevant sind.

In Zusammenarbeit mit der medizinischen Fakultät der Universität Göttingen wurden die ersten Zellbestrahlungen durchgeführt. Weitere Anwender sowohl aus der radiobiologischen Forschung als auch beispielsweise aus der Materialforschung wollen die PTB-Anlage ebenfalls für neuartige Experimente nutzen. Zellbestrahlungen werden ab Sommer 2002 im Routinebetrieb möglich sein.