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Heft 3: Quantentechnologie mit Atomen und Photonen Teil II

PTB-Mitteilungen 3/2020

Inhaltsverzeichnis/Abstract

Das neue Quantentechnologie-Kompetenzzentrum (QTZ) an der PTB

Nicolas Spethmann

In den letzten Jahrzehnten hat das rasante Fortschreiten der technologischen Entwicklung zu atemberaubenden Durchbrüchen in der Quantenphysik geführt. Insbesondere die Kontrolle über einzelne Quantenobjekte und das Präparieren, Untersuchen und Manipulieren von wohldefinierten Quanteneffekten ist hierdurch in zunehmendem Maße ermöglicht worden. Diese Meilensteine der Quantenwissenschaften wurden unter anderem durch einige Nobelpreise gewürdigt. Exemplarisch seien hier die Laserkühlung (1997, Cohen- Tannoudji, Philips), der Frequenzkamm (2005, Hall, Hänsch und Glauber) und das Manipulieren einzelner Quantensysteme (2012, Haroche und Wineland) genannt.

Quantenlogik-Spektroskopie

Piet O. Schmidt, Malte Niemann, Christian Ospelkaus

Die Untersuchung von Atomen und Molekülen mit elektromagnetischer Strahlung hat eine jahrhundertealte Tradition. Angefangen von der Bestimmung von Elementen und Stoffverbindungen über Flammenfärbung über die Entdeckung von Spektrallinien im Spektrum der Sonne bis hin zu Atomuhren basierend auf Übergängen im Mikrowellen- oder sogar im optischen Spektralbereich hat die Spektroskopie eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung unseres Verständnisses der Natur gespielt und tut dies auch heute noch. Hochgenaue optische Uhren mit mehr als 18 Stellen Genauigkeit sind die genausten der Menschheit zur Verfügung stehenden Messgeräte [9] und werden in einigen Jahren die aktuelle Definition der Sekunde basierend auf einem Mikrowellenübergang in Caesium-Atomen im Einheitensystem ablösen. In der Opens internal link in current windowAusgabe 03/2018 der PTB-Mitteilungen wurden Anwendungen solch hochgenauer Uhren zur Messung von Höhenunterschieden in der Geodäsie diskutiert. In derselben Ausgabe wurden auch andere Frequenzreferenzen, z. B. basierend auf Kernübergängen in einem speziellen Isotop von Thorium oder elektronischen Übergängen in hochgeladenen Ionen beschrieben, die sich besonders gut eignen, um unser Verständnis fundamentaler physikalischer Modelle zu testen. So wissen wir, dass unsere beste Beschreibung der Natur im Rahmen des sogenannten Standardmodells der Teilchenphysik mit seinen drei fundamentalen Wechselwirkungen (elektromagnetische, starke und schwache Kraft) zusammen mit Einsteins Relativitätstheorie (Gravitation) unvollständig sein muss.

Quantenvielteilchenphysik und Quantencomputer

Tanja Mehlstäubler, Henning A. Fürst, Christian Ospelkaus

Die genaue Beschreibung von Vielteilchensystemen und die Vorhersage ihres Verhaltens ist eine extrem anspruchsvolle Aufgabe, von der Entwicklung neuer Wirkstoffe und Materialien bis hin zur Beschreibung kollektiver Phänomene wie Magnetismus in Festkörpern. Insbesondere die Quantenmechanik zeigt hier sehr grundlegende Herausforderungen auf. Gleichzeitig sind viele Fragen von enormer praktischer Bedeutung, beispielsweise nach dem Ursprung der Hochtemperatur- Supraleitung, nur teilweise verstanden. In einem berühmten Artikel beschäftigte sich Richard Feynman mit der Frage, inwiefern man Systeme, die der Quantenmechanik unterliegen, effizient auf Supercomputern beschreiben und Vorhersagen über sie machen kann [1]. Er stellte dabei fest, dass ein hinreichend komplexes System sich aufgrund des exponentiellen Wachstums des Zustandsraumes mit der Anzahl der Konstituenten in voller Allgemeinheit auf keinem Supercomputer beschreiben lassen wird, der auf den grundlegenden Prinzipien aktueller Rechnerarchitekturen beruht. Allein um das Verhalten von nur 128 wechselwirkenden Spins auf einem Gitter zu beschreiben (ein elementares Modell von Quantenmagnetismus) bräuchte man mehr klassische Bits als es Protonen im gesamten Universum gibt. Feynman zeigte in seinem Beitrag auf, dass eine neue Art von Rechnerarchitektur, welche nach den Prinzipien der Quantenmechanik funktioniert, in der Lage wäre, ein solches Problem in endlicher Zeit und mit endlichen Ressourcen zu bearbeiten.

Mikrostrukturierte Ionenfallen

Tanja E. Mehlstäubler, André P. Kulosa, Amado Bautista-Salvador, Alexandre Didier, Christian Ospelkaus

Atome sind die Bausteine jeder Form von Materie. Alles, was wir in unserem täglichen Alltag berühren oder benutzen, sogar unser eigener Körper, ist aus einer großen Anzahl unterschiedlichster Atome zusammengesetzt. Da mag es nur schwer vorstellbar sein, jemals einzelne Atome isolieren und betrachten zu können. Wissenschaftler des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts haben sich aber in der Disziplin der Quantenoptik auf die hochgenaue Kontrolle weniger Atome spezialisiert. Gerade diese hochgenaue Kontrolle einzelner Quanten-Teilchen ist entscheidend für die Realisierung eines zukünftigen Quantencomputers oder für das Betreiben hochgenauer Atomuhren. Die Plattform für moderne Quantenrechner, Quanten-Simulatoren und optische Uhren basierend auf lasergekühlten Ionen, ist die sogenannte Paul-Falle. Hier können atomare „Qubits“ kodiert und fast vollständig isoliert von der Umgebung gespeichert und manipuliert werden.

Einzelphotonenmetrologie

Stefan Kück

Unter Einzelphotonenmetrologie wird in diesem Abschnitt die metrologische Charakterisierung von Einzelphotonenquellen und -detektoren verstanden, speziell im Hinblick auf ihre möglichen Anwendungen. Die Anwendungen von Einzelphotonendetektoren sind relativ klar: überall dort wo es notwendig ist, kleine Photonenflüsse zu messen. Und zwar so kleine Photonenflüsse, dass diese mit klassischen analogen Detektoren, z. B. Silicium-Standarddioden, nicht messbar sind oder nur unter Inkaufnahme eines schlechten Signalzu- Rausch-Verhältnisses zu messen sind, sodass eine Aussage über das Messergebnis nicht mehr möglich ist. Dies ist in vielen Bereichen der Fall, so zum Beispiel in der Biologie, in der Medizin, in der Astronomie und auch in der wissenschaftlichen Forschung, bei letzterem insbesondere bei vielen Quantenexperimenten. Auch sind diese Detektoren bereits kommerziell erhältlich, sodass es natürlich erscheint, in diesem Bereich metrologische Dienstleistungen anzubieten und somit die Hersteller und Anwender messtechnisch zu unterstützen.

Bei Einzelphotonenquellen sieht es (derzeit) noch anders aus. What are single-photons good for? Wofür braucht man einzelne Photonen?

Ultrasensitive magnetometry using quantum-based sensor technology

Lutz Trahms

Sensors are vitally important tools for various technologies, such as, e.g., navigation, geo-prospecting, or the characterization of biological or chemical materials. The exploitation of quantum phenomena offers the chance to develop novel powerful sensors to be applied in ultra-highprecision spectroscopy, positioning systems, clocks, gravitational, electrical and magnetic field measurements, and optical resolution beyond the wavelength limit. Quantum-based sensing technologies are increasingly important in fundamental research from the sub-nano to the galactic scale, as well as for the determination of the fundamental constants. But also in applied science, quantum-based sensing has become a powerful research tool, notably in biomedical science and diagnostics.

Quantenmetrologie mit Materiewellen

Carsten Klempt, Ernst M. Rasel, Maike D. Lachmann

Atominterferometrie mit Materiewellen

Kalte und ultra-kalte atomare Wolken sind durch ihre gut kontrollierbaren quantenmechanischen Eigenschaften interessant als Testmassen fundamentaler Physik. Durch die Entwicklung vielfältiger Methoden und Technologien lassen sie sich in ihrem internen Zustand sowie ihren äußeren Freiheitsgraden manipulieren. Diese Methoden ermöglichen den Einsatz ultrakalter Atome für Präzisionsmessungen mit Atominterferometern. Hier werden die Atome durch Strahlteiler in quantenmechanische Überlagerungszustände gebracht, in denen sie sensitiv auf eine Messgröße, wie Beschleunigung oder Rotation sind.

PTB-Innovationen

Empfangssystem für glasfasergeführtes ultrapräzises Frequenzsignal

Eine PTB-Erfindung ermöglicht die Übertragung des Signals eines ultrastabilen Single-Frequency-Lasers über große Entfernungen in normalen Telekommunikationsglasfasern. Das Verfahren löst das Problem des Anschlusses einer großen Anzahl von Kunden an eine einzige Faserstrecke. Die Erfindung stellt zugleich einen bedeutenden Schritt zur Übertragung des Zeitsignals einer optischen Uhr dar (Atomuhr aus der Steckdose).

Impulsgeneratorschaltung mit hoher Pulswiederholrate und Synchronisation auf ein externes HF-Signal

Für vielfältige Anwendungen in der Ansteuerung von z. B. elektrooptischen Geräten, wie Diodenlasern oder Pockelszellen, werden heutzutage Pulsgeneratoren benutzt, die sehr kurze Pulse (z. B. 10 ns) und Spannungen von mehreren 10–100 Volt erzeugen. Deren Wiederholfrequenz ist derzeitig auf einige MHz begrenzt. Die neue PTB-Erfindung erhöht durch einen speziellen Schaltungsaufbau die Pulswiederholrate erheblich: Mehrere identische Pulsgeneratoren werden in einer festen Abfolge periodisch eingesetzt und durch eine separate Einheit angesteuert. Außerdem ist eine Synchronisation auf ein externes Hochfrequenz-Signal möglich, das beliebig wählbar ist und auf die Phasenlage abgestimmt werden kann.

SQUID-basiertes Rauschthermometer zur Messung thermodynamischer Temperaturen im Tieftemperaturgebiet

Magnetfeld-Fluktuations-Thermometer (MFFT) sind SQUIDbasierte Rauschthermometer, die bei tiefen Temperaturen (typisch unterhalb von 5 K) eingesetzt werden. Sie detektieren die Fluktuationen des Magnetfeldes an der Oberfläche eines elektrisch leitenden Körpers („Temperatursensor“), die mit den im Inneren fließenden, thermisch angeregten Strömen verknüpft sind. Durch den neuen, vollständig berechenbaren Sensor ist es erstmals möglich, mit dem pMFFT direkt thermodynamische Temperaturen zu messen, wodurch die sonst nötige Rückführung auf die internationalen Temperaturskalen ITS-90 und PLTS-2000 entfällt.

Herstellung von mehrlagigen Atom- und Ionenfallen

Mikrostrukturierte Neutralatom- und Ionenfallen stellen eine Plattform für Quantensensoren dar und eignen sich zur Implementierung zukünftiger Quantencomputer. Sie speichern neutrale und geladene Atome (Ionen) über ihrer Oberfläche durch inhomogene magnetische oder elektrische Felder. Forscher der PTB haben mehrere Verfahren für die Herstellung von Schicht-Strukturen entwickelt, die den hohen Anforderungen von Mehrlagen-Atomfallen gerecht werden. Auf Grundlage dieser Verfahren ist die Vielfalt in Form, Funktionalität und Einsatzszenario dieser Mikrostrukturen sehr groß.

Kompakter UV-Double-Pass-AOM

Akustooptische Modulatoren (AOM) dienen zur Modulation der Frequenz und Intensität von Laserstrahlung. Die vorteilhafte Doppelpass- Anordnung ist in der Lasertechnik in vielfacher Verwendung. Bei hohen Strahlintensitäten ist insbesondere im ultravioletten Spektralbereich die Zerstörschwelle optischer Komponenten eine kritische Größe. Sie wird durch die neue Anordnung der Komponenten an deren Oberflächen erst bei einer vergleichsweise hohen Eingangsleistung erreicht, da keine Spiegeloberfläche in der Nähe eines Fokus und somit nahe an der Zerstörschwelle liegt. Dies wird durch einen mehrfach gefalteten Strahlengang erreicht.

Magnetooptische Fresnel-Atomfalle

Das Ziel der magnetooptischen Falle (MOT) ist das zuverlässige Einfangen und Kühlen von Atomen mit Laserlicht. Jede atomare Spezies benötigt eine spezielle Laserwellenlänge, manche sogar mehrere. Kompakte Geometrien erzeugen alle benötigten Laserstrahlen aus einem einzigen einfallenden Strahl mittels diffraktiver oder reflektiver Elemente. Das neue Konzept der PTB kombiniert die Vorteile dieser beiden Ansätze zu einer achromatischen quasi-planaren Atomfalle.