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Verbessertes Verfahren zur zerstörungsfreien Bestimmung der Biegesteifigkeit von Rasterkraftmikroskop-Cantilevern

01.12.2013

Durch die Anwendung eines dynamischen Messverfahrens konnte die Unsicherheit bei der zerstörungsfreien Messung der Steifigkeit von Siliziumcantilevern mit Spitzen auf Werte von nur noch 7 % verringert werden.


Mit der Vorstellung des ersten Rasterkraftmikroskops, engl. AFM (atomic force microscope), im Jahr 1986 (Binnig et al., 1986) wurden die ersten Mikrobiegebalken aus Goldfolie entwickelt. Seitdem wurden viele Modifikationen und Applikationen präsentiert, die alle darauf beruhen, dass ein balkenförmiges, frei tragendes elastisches Element mit seiner Umgebung wechselwirkt. In vielen Sensoren, wie z. B. Druck- , Beschleunigungs- , Magnetfeld- , Gravitations- , Atomkraft- , Partikel- und Biosensoren kommen derartige Biegebalken zum Einsatz. Die gemessene Balkenauslenkung ist proportional zur zu untersuchenden Wechselwirkungskraft mit dem Proportionalitätsfaktor der Biegesteifigkeit k. Für die quantitative Bestimmung der Kraft ist also die genaue Kenntnis der Biegesteifigkeit von Biegebalken erforderlich.

Grundsätzlich sind drei Verfahren zur Bestimmung der Biegesteifigkeit etabliert:

  • Berechnung anhand der geometrischen Abmessungen (dimensionelle Methode)

  • Messung statischer Antastkurven, bei denen die Antastkraft mit einem Kraftsensor (z.B. einer hochpräzisen Waage) bei gleichzeitiger Messung der jeweiligen Auslenkung erfolgt (statische Methode)

  • Dynamische Methode, bei der aus der Messung der Eigenfrequenzen auf die Steifigkeit geschlossen wird (dynamische Methode).

Für Biegebalken mit rechteckigem Querschnitt bestehen folgende Zusammenhänge:



k: Steifigkeit, δ: Auslenkung, E: Elastizitätsmodul, l: Biegebalkenlänge, F: Kraft in z-Richtung am Krafteinleitungspunkt, B: Balkenbreite, H: Höhe (=Dicke) des Balkens

Wird der Cantilever zur Schwingung angeregt, ergibt sich für die Eigenfrequenz der n-ten Mode:



fn: n-te Eigenfrequenz; α: Eigenwerte der partiellen Euler-Bernoulli Differentialgleichung.

Jede der aufgeführten Methoden hat gewisse Nachteile:

  • Bei der dimensionellen Methode ist die Dicke der Biegefeder nur mit relativ großer Unsicherheit bestimmbar. Des Weiteren ist die Dicke des Balkens oftmals über seiner Länge nicht konstant und auch die Formabweichungen des Balkens können erheblich sein (s. Bild 1). Dies führt zu einer Unsicherheit der Biegesteifigkeit im Bereich von > 20 %.

  • Die statische Methode kann zu einer großen Belastung der empfindlichen Tastspitze führen und ist insofern nicht unbedingt zerstörungsfrei.

  • Bei der herkömmlichen dynamischen Methode wird aus der ermittelten ersten Resonanzfrequenz auf die Biegesteifigkeit geschlossen. Diese Resonanzfrequenz beinhaltet jedoch Anteile, die aus der Masse der Spitze resultieren. Für quantitative Messungen ist daher der Anteil der Spitzenmasse zu berücksichtigen sowie deren tatsächlicher Ort bezogen auf den Abstand zur Einspannung des Balkens. Besonders bei kurzen Cantilevern können Abweichungen der Biegesteifigkeit > 30 % auftreten.


Bild 1: Silizium-Biegebalken (Draufsicht) mit trapezförmigem Querschnitt. Deutlich zu erkennen sind die Formabweichungen des Balkens. Die Spitze befindet sich am rechten Ende des Balkens (dunkle Raute).

Durch die Kombination der dimensionellen und der dynamischen Methode konnte die Messunsicherheit auf 7 % reduziert werden, indem eine Korrektur in die Berechnung der Steifigkeit einbezogen wird, die die Masse der Spitze berücksichtigt. Dazu wird die Eigenfrequenz nicht nur für die Grundschwingung sondern auch für die zweite Harmonische ermittelt. Der Korrekturfaktor bestimmt sich aus dem Verhältnis der ersten und zweiten Eigenfrequenz. Durch diese Maßnahmen kann die gemessene Biegesteifigkeit wesentlich genauer bestimmt werden, gleichzeitig verbessert sich die Reproduzierbarkeit. Die Ergebnisse der Universität Osnabrück wurden in der PTB mit der statischen Methode in einer besonders stabilisierten Versuchsumgebung verifiziert (s. Bild 2).

Bild 2: Vergleich der neuen zerstörungsfreien Messmethode zur Bestimmung der Biegesteifigkeit (rote Punkte) mit anderen Verfahren [1]. (k_tip_dim_f0: neue dimensionelle Methode unter Berücksichtigung der Masse der Spitze; k_dim_f0: dynamische Methode unter Berücksichtigung der ersten und zweiten Eigenfrequenz ohne dimensionelle Messwerte, k_dim: dimensionelle Methode; k_stat: statische Referenzmethode). Die Fehlerbalken in der Grafik entsprechen Messunsicherheitswerten mit k=1.

Die mit der verbesserten dynamischen Methode bestimmten Werte (rote Punkte) stimmen mit den Referenzmessungen der statischen Methode (blaue Sternchen) sehr gut überein (Ausnahmen R4, P4). Ohne eine Berücksichtigung der Spitzenmasse ergeben sich systematische Abweichungen zu kleineren Werten (schwarze Quadrate). Die Bestimmung der Biegesteifigkeit aus rein geometrischen Daten des Cantilevers (grüne Dreiecke) ist, eine sehr präzise Bestimmung der Dimensionen vorausgesetzt, ebenfalls recht zuverlässig. Sie ist aber mit einer größeren Unsicherheit behaftet.

Der Vergleich zeigt, dass hiermit eine verbesserte, zerstörungsfreie Methode zur Bestimmung der Steifigkeit monokristalliner Siliziumcantilever mit einem trapezförmigen Querschnitt und scharfen Tastspitzen für die quantitative Rasterkraftmikroskopie zur Verfügung steht.


Literatur

[1] J. Lübbe, L. Doering, und M. Reichling, „Precise determination of force microscopy cantilever stiffness from dimensions and eigenfrequencies“, Meas. Sci. Technol., Bd. 23, Nr. 4, S. 045401, Apr. 2012.