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Vorwort

125 Jahre Physikalisch-Technische Reichs- und Physikalisch-Technische Bundesanstalt: Dieses Jubiläum prägte als alles überragendes Ereignis das vergangene Jahr. 125 Jahre höchste Präzision, Fortschritt und Zuverlässigkeit in der Metrologie, der Wissenschaft vom Messen und dessen Anwendung, bedeuten eine höchst beindruckende Erfolgsgeschichte, die wir im März in einer denkwürdigen Festveranstaltung mit mehr als 1000 Gästen, davon 240 aus dem Ausland, gebührend würdigten. Im Oktober konnten wir dann auch noch unser „Schmuckkästchen für die Physik“, das rechtzeitig restaurierte „Observatorium“, einweihen. Es war zur Zeit des Erstbezuges im Jahr 1891 das wohl weltweit fortschrittlichste physikalische Labor, ein Gebäude von bestechend ebenmäßiger Symmetrie und Eleganz bei gleichzeitig größtmöglicher Funktionalität, die Wirkungsstätte Hermann von Helmholtz’, der zusammen mit Werner von Siemens die PTR gründete und dann ihr erster Präsident wurde.

Das „neue Observatorium“, ein hochmoderner Forschungsbau, und dessen Nutzung für die Entwicklung der Metrologie in der Medizin versinnbildlichen zusammen mit vielen weiteren bestens ausgestatteten Laboratorien der PTB und anderen neuen Tätigkeitsfeldern in den Bereichen Energie, Umwelt oder Nanotechnologie den Wandel in der Metrologie und ihre selbst nach 125 Jahren ungebrochene, ja sogar stetig zunehmende Bedeutung für die Wissenschaft, die Wirtschaft und die Gesellschaft.

Die PTB hat als eines der weltweit führenden nationalen Metrologieinstitute auch im vergangenen Jahr den Wandel nicht nur durch eine Vielzahl hervorragender wissenschaftlicher Ergebnisse geprägt und vorangetrieben, sondern ihn ganz wesentlich auch durch Kalibrierungen und Prüfungen auf höchstem Niveau für Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft sowie durch kompetente Mitarbeit in einer Vielzahl von Gremien, nicht zuletzt auch europaweit und international, gestaltet.

Atomuhrenvergleiche über fast 1000 km lange Datenautobahnen, eine Referenzwand für die mikrometergenaue Kalibrierung von dreidimensionalen Längenmesssystemen für die Großgeräteindustrie, innovative Zähler und Abrechnungsmethoden für Elektromobile, absolute Längenmessungen bei ultratiefen Temperaturen für Weltraumanwendungen, ein neues Primärnormal für die Konzentrationsbestimmung von roten Blutkörperchen, detaillierte Rechnungen zum Schutz des Auges vor ionisierender Strahlung, die hochgenaue Vermessung elektromagnetischer Felder von THz-Scannern an Flughäfen, von MRT-Systemen (Magnetic Resonance Tomography) in der klinischen Anwendung oder von Radar-Anlagen in der Luftfahrt sind nur einige wenige Beispiele für Fortschritte in der modernen metrologischen Forschung und Entwicklung, die deren enorme Bandbreite verdeutlichen.

Die Neudefinition der Basiseinheiten, die dann – um die visionären Worte von Max Planck aus dem Jahre 1900 zu zitieren – „für alle Zeiten und für alle, auch ausserirdische und aussermenschliche Culturen“ ihre Bedeutung behalten sollen, ist sicherlich im wahrsten Sinne des Wortes ein Jahrhundertprojekt der Metrologie, zu dem die PTB mit ihren Projekten „Avogadro“, „Boltzmann“, „Ampere und quantenmetrologisches Dreieck“ an vorderster Front beiträgt. Material für vier weitere Kugeln aus angereichertem Silizium, entscheidende Fortschritte bei der Präparation der Kugeln, bei der höchstgenauen Vermessung von Isotopenzusammensetzung, Volumen und Oberflächenbeschaffenheit sowie Anstrengungen, die Gitterkonstante neu zu bestimmen, markieren die Meilensteine zum Ausbau der Führungsrolle der PTB bei der Bestimmung der Planck- bzw. der Avogadro-Konstanten. Desweiteren haben bei der Basiseinheit Ampere neue Methoden zur effizienten Fehlererfassung beim Einzelelektronentransport sowie die erfolgreiche Schließung des sogenannten quantenmetrologischen Dreiecks die PTB ebenfalls in eine Spitzenposition gebracht.

Auch im gesetzlichen Messwesen deutet sich ein wichtiger Durchbruch an in Gestalt der nunmehr nach jahrelangen Bemühungen in Aussicht stehenden Verabschiedung des neuen Mess- und Eichgesetzes für die mehr als 108 Millionen eichpflichtigen Messgeräte in Deutschland, zu dem die PTB ganz wichtige Beiträge beigesteuert und mit dem federführenden Referat im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) hervorragend zusammengearbeitet hat. Es ist vorgesehen, dass das Gesetz, das der PTB zusammen mit dem Einheiten- und Zeitgesetz auch weiterhin eine Schlüsselrolle im gesetzlichen Messwesen zuweist, Anfang des nächsten Jahres in Kraft treten wird. Im sogenannten Regelermittlungsausschuss werden unter dem Vorsitz der PTB die zuständigen Länderbehörden, Konformitätsbewertungsstellen, staatlich anerkannten Prüfstellen, Wirtschaftsverbände und Verbraucherverbände wichtige Entscheidungen für nicht europäisch geregelte Messgeräte treffen.

Drittmittel konnten in nochmals deutlich gesteigertem Umfang eingeworben werden und haben den Aktionsradius der PTB weiterhin wesentlich erweitert. Dies gilt insbesondere für das von der Europäischen Union geförderte Metrologie-Forschungsprogramm sowie im Bereich der Technischen Zusammenarbeit, beides von großer strategischer Tragweite bezüglich der europäischen bzw. internationalen Bedeutung der Metrologie und der PTB. Dies erstreckt sich aber auch auf zahlreiche Einzelvorhaben mit der Industrie, auf Projektförderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) sowie durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Unabdingbare Voraussetzung für den zukünftigen Erfolg der PTB ist zum einen eine ausreichende Zahl von Dauerstellen zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben. Hier lässt sich immerhin ein Teilerfolg vermelden: 2013 wird der Abbau von Planstellen reduziert, was uns erstmals seit langer Zeit zumindest etwas Gestaltungsspielraum eröffnet. Zum anderen jedoch braucht die PTB adäquate Rahmenbedingungen. Hier markierten das „Wissenschaftsfreiheitsgesetz“, das zum 1.1.2013 in Kraft getreten ist, und der „Pakt für Forschung und Innovation“ (Geltungsdauer 2011 bis 2015) für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen den Beginn einer neuen Ära hin zu mehr Autonomie, Eigenverantwortung und Planungssicherheit. Trotz einvernehmlicher und starker Unterstützung durch alle großen Wissenschaftsorganisationen gelang es nicht, die PTB oder andere Forschungseinrichtungen des Bundes in den Geltungsbereich des Gesetzes einzubeziehen. Es sollen lediglich ähnliche bedarfsgerechte Maßnahmen zur Flexibilisierung gewährt werden, was bisher leider nur bedingt umgesetzt werden konnte. Falls dies auch weiterhin nicht gelingt, ist die Sorge berechtigt, ob sich die PTB auch in Zukunft in einem immer kompetitiver werdenden wissenschaftlichen Umfeld an vorderster Front metrologischer Dienstleistung und Forschung positionieren kann.

Ein spannendes, bewegtes, von erheblichen Fortschritten und beeindruckenden Rückblicken geprägtes Jahr 2012 liegt somit hinter uns. Für mich selbst war es mit einer Vielzahl neuer Eindrücke und persönlicher Kontakte verbunden, aber auch teilweise – wenn überhaupt Zeit zum Nachdenken blieb – mit ein wenig Wehmut, die der nahezu vollständige Abschied aus meiner „bisherigen Welt“ mit sich brachte. Die Faszination der für mich „neuen Welt der Metrologie“, die uneingeschränkt freundliche Aufnahme durch alle „PTBisten“, ihr Engagement, ihre Begeisterung und Hilfsbereitschaft, für die ich mich herzlich bedanke, sowie die hervorragende Arbeit von Ernst Otto Göbel, meinem Vorgänger im Amt, haben mir den Neubeginn jedoch leicht gemacht.

Joachim Ullrich

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