Liebe Leserin, lieber Leser,
da liegt es plötzlich – ein paar Tage vor der Zeit – vor einem: das Päckchen zum Geburtstag von der Tante aus Buxtehude, und nur zu gerne wüsste man, was drin steckt, was sich in der Schachtel, packpapierumwickelt und fest verschnürt, verbirgt. Für ein Buch, den Klassiker unter den Geschenken, ist das Päckchen zu groß und – nach einem ersten Abwägen in den Händen – zu leicht. Vielleicht einmal schütteln? Aber selbst hier ist kein verräterisches Signal zu hören. Oder hat es da nicht leise geklappert? Wahrscheinlich nichts als Einbildung. Ob man die Tante einfach mal anruft, über Gott und die Welt plaudert und darauf hofft, dass sie sich verplappert? Aber wie man die Tante (prinzipienfest) kennt, hat das eher keinen Zweck. Dann bliebe wohl nur der direkte Weg. Aber dieser ist natürlich durch die eigene Moral verstellt und durch die Tatsache, dass man die Schere in anderen Angelegenheiten schon gestern gesucht und nicht gefunden hat. Das Innere wird also noch eine Weile sein Geheimnis für sich behalten.
Bei einer ganz besonderen Sorte von „Päckchen“ gibt es jedoch ein paar Möglichkeiten, sich ein Bild vom Inneren zu verschaffen, ohne die Hülle zu zerstören. Diesen Möglichkeiten (aber auch den direkteren, Stichwort Schere) gehen die maßstäbe mit dieser Ausgabe nach und begeben sich auf die Suche nach den Innenansichten – den Innenansichten vom Menschen. Hierzu waren unsere Autorinnen und Autoren auf der Frühchenstation und im Röntgenlabor, haben eine radiologische Klinik in Jülich besucht und sich in der PTB in Berlin „in die Röhre“ schieben lassen, lagen bei der Psychiaterin auf der Couch und haben sich gar in die Rechtsmedizin gewagt. Herausgekommen sind Berichte und Reportagen über menschliche Innenansichten und die dafür notwendigen Werkzeuge von Ultraschall bis Skalpell, von Licht bis Sprache. Bei einigen, aber natürlich nicht bei allen dieser Werkzeuge werden Sie der PTB begegnen, denn die Medizin ist in vielen Fällen auch eine „messende Wissenschaft“.
Eine Innenansicht ganz anderer Art finden Sie wieder auf den letzten Seiten dieser maßstäbe – mit einer Auswahl Ihrer Leserbriefe und einer Nachlese zu unserem „Bettelbrief“ vom letzten Mal (an dieser Stelle schon vorab: herzlichen Dank!). Und damit diese, nämlich Ihre Innenansicht, eine Tradition wird, möchte ich Sie auch diesmal ermuntern, uns Ihre Meinung zu den maßstäben zu sagen.
Jetzt wünsche ich Ihnen im Namen der Redaktion viel Spaß bei den folgenden Seiten, die Sie durchblättern und schütteln und – natürlich – lesen können. Hoffentlich Letzteres mit Vergnügen.
Ihr Jens Simon