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Technologietransferpreis geht an PTB-Wissenschaftler

04.11.2004

Industrie- und Handelskammer Braunschweig vergibt den Preis für das Projekt des „Virtuellen Koordinatenmessgeräts“

Der mit 10 000 Euro dotierte Technologietransferpreis der IHK Braunschweig geht in diesem Jahr an fünf Wissenschaftler der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig. Mit dem Preis werden Wissenschafter ausgezeichnet, die Forschungsergebnisse erfolgreich in die Wirtschaft transferiert haben. Dr. Franz Wäldele, Matthias Franke, Dr. Frank Härtig, Dr. Heinrich Schwenke und Dr. Eugen Trapet vom PTB-Fachbereich Koordinatenmesstechnik erhalten ihn für das Projekt des „Virtuellen Koordinatenmessgeräts“, ein Software-Werkzeug zur Ermittlung der Messunsicherheit.

Richtige und zuverlässige Messungen sind eine wichtige Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige industrielle Fertigung, besonders vor dem Hintergrund zunehmender Globalisierung. Qualitätskriterium einer Messung ist deren Unsicherheit, als ein Maß für das Vertrauen in ein Messergebnis. Die Messunsicherheit ist von grundlegender Bedeutung für die Auswahl von Messgeräten, die Prozesssteuerung sowie die Wareneingangs- und Ausgangsprüfung. Wird sie nicht berücksichtigt, besteht die Gefahr, dass zu kleine Toleranzen festgelegt, fehlerhafte Teile gefertigt oder mangelhafte Produkte angenommen oder freigegeben werden – mit der Folge von zusätzlichen Kosten.

Koordinatenmessgeräte (KMG) sind eine Schlüsseltechnologie in der Fertigungsmesstechnik. In Deutschland werden in der industriellen Qualitätssicherung schätzungsweise 25 000 Geräte mit einem Stückpreis von bis zu 500 000 Euro eingesetzt. Gerade für KMG war die Berechnung einer Messunsicherheit lange Zeit ein ungelöstes Problem, denn sie sind Universalmessgeräte, mit denen beliebig viele verschiedene Messaufgaben bearbeitet werden können. Für jede Messaufgabe müssen Einflussgrößen auf unterschiedlichste Weise berücksichtigt werden. Eine geschlossene mathematische Berechnung ist in den meisten Fällen unmöglich.

Eine neuartige Lösung für dieses Problem ist die Anwendung von Simulationsverfahren: Mit dem so genannten „Virtuellen Koordinatenmessgerät“ wird die aufgabenspezifische Messunsicherheit mit Hilfe eines vom Computer durchgeführten „Virtuellen Experiments“ berechnet. Ähnliche Techniken werden in verschiedenen Feldern der Natur- und Ingenieurwissenschaften bereits erfolgreich eingesetzt.

Grundlage der Berechnung ist eine messtechnische Untersuchung des gesamten KMG, bei der die wesentlichen Eingangsparameter für die Simulation bestimmt werden. Daraus wird die Messunsicherheit ermittelt, also das Vertrauensintervall, in dem mit hoher Wahrscheinlichkeit das richtige Messergebnis liegt. Die Berechnung findet automatisch und gleichzeitig mit der Messung statt; die KMG-Software gibt im Protokoll den aktuellen Messwert gemeinsam mit der zugeordneten Messunsicherheit aus. Damit erhält der Anwender des Messgerätes automatisch – ohne zusätzlichen Aufwand – zu jedem Messergebnis einen Kennwert, der die Qualität der Messung zahlenmäßig beschreibt.

Die Technologie des „Virtuellen Koordinatenmessgeräts“ wurde von der PTB gemeinsam mit Partnern aus Forschung und Industrie entwickelt und in Messgeräte der beiden deutschen Hersteller Zeiss und Leitz integriert. Innerhalb eines zweijährigen Projektes wurden die Software und die notwendigen Prozeduren bei acht hochqualifizierten Messdienstleistern in Deutschland implementiert und erprobt. Um die korrekte Installation, Parametrisierung und Anwendung des „Virtuellen KMG“ zu überprüfen, wurden umfangreiche Vergleichsmessungen durchgeführt. Das Projekt hat gezeigt, dass das Verfahren praxistauglich ist. Vier der Projektpartner wurden durch den Deutschen Kalibrierdienst (DKD) für die Anwendung des „Virtuellen KMG“ akkreditiert. Dank dieser neuen Technik sind sie nun in der Lage, beliebige prismatische Werkstücke zu kalibrieren und damit eine noch bestehende Lücke in der Kette der Rückführung von Messungen zu schließen.


Kalibrierung eines Zylinderkopfes als Be­zugs­nor­mal mit Hilfe eines Koor­di­na­ten­mess­ge­räts.
Das farbige Foto kann als 300-dpi-Datei bei der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit angefordert werden (erika.schow(at)ptb.de).

Weitere Informationen:
Dr. Franz Wäldele
PTB-Fachbereich „Koordinatenmesstechnik“
Telefon: (05 31) 592-53 00
E-Mail: franz.waeldele(at)ptb.de