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Wo die Abweichung zum Normalfall wird

12.05.2000

Ein neues Mehrwellennormal verbessert die Kalibrierung von Formmessgeräten

Eine handtellergroße Scheibe aus Metall mit winzigen Wellen an der Oberfläche - so unspektakulär sieht das Objekt aus, das Formmessgeräten vorgibt, was sie anzuzeigen haben. Denn die Unebenheiten auf der Oberfläche des so genannten Mehrwellennormals sind sehr präzise hergestellt und haben genau definierte Eigenschaften. Diese Eigenschaften muss das Messgerät aufspüren. Ist es dabei erfolgreich, dann kann es als kalibriert erklärt werden. Mit Hilfe des neuen Mehrwellennormals, das an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig entwickelt worden ist, wird das Kalibrieren von Formmessgeräten nun wesentlich einfacher, sicherer und vielseitiger. Die PTB stellt das neue Normal vom 16.-20. Mai auf der internationalen Fachmesse für Qualitätssicherung, der "Control" in Sinsheim vor.

Wie schafft man es, dass beispielsweise deutsche Schrauben und brasilianische Muttern zusammenpassen? Am besten, indem beide Hersteller sich verpflichten, dieselbe internationale Norm einzuhalten - eine Norm, die Folgendes regelt: Die Messgeräte, die bei der Qualitätskontrolle in der Produktion eingesetzt werden, müssen eine bestimmte Genauigkeit einhalten. Und diese Genauigkeit zu überprüfen ist das Ziel beim Kalibrieren. Man legt dem Messgerät ein Objekt vor, dessen Daten genau bekannt sind, und überprüft, ob das Messgerät eben diese Daten anzeigt. Ein solches Objekt wird in der Sprache der Messkunst, der Metrologie, als "Normal" bezeichnet.

Foto: Die Teilansicht des Mehrwellenormals (Durchmesser 80 mm) zeigt das seitlich angebrachte Wellenmuster. Das Normal dreht sich unter der mechanisch antastenden Kugel, deren horizontale Auslenkung das Messsignal darstellt.

Den vielen bereits existierenden Normalen hat die PTB - die als metrologisches Staatsinstitut die Aufgabe hat, ständig verbesserte Messverfahren zu entwickeln - ein weiteres hinzugefügt. Das Mehrwellennormal zur Kalibrierung von Formmessgeräten ist eine 80 mm große runde Scheibe, auf deren Oberfläche sich bis zu 1000 winzige Wellen mit der Form einer Sinuskurve befinden. Diese Wellen unterscheiden sich in der Frequenz bzw. der Wellenlänge (im Millimeterbereich) und in der Amplitude, also der Wellenhöhe (im Mikrometerbereich). "Wir haben diese Wellen mit unterschiedlichen Frequenzen und Amplituden überlagert", erolärt Otto Jusko, einer der Entwickler. "Das ist etwa so, als wenn zwei Wellen im Wasser zusammentreffen und zu einer höheren Welle werden. Solche Wellenbewegungen haben wir quasi eingefroren." Ein Vorgang, der bei der Herstellung Nanotechnologie erfordert. Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie in Aachen, das die Normale herstellt, ist eines der wenigen Institute, die diese Präzision erreichen können. Deswegen ist es nun möglich, die bisher üblichen Flicknormale abzulösen, deren Nachteile schon lange bekannt waren - zum Beispiel, dass sie nur eine einzige Abweichung von der idealen Rundheit enthielten und nicht mehrere - wie jetzt das neue Mehrwellennormal. Mit ihm lässt sich das Kalibrieren der verschiedenen Geräte, die bei der Formmessung eingeset~t werden, jetzt viel schneller und kostengünstiger erledigen als zuvor - und zudem störungssicherer: Schmutz oder Kratzer auf der Oberfläche können das Ergebnis nicht so stark verfälschen. Und das Wichtigste: Mit dem neuen Normal können jetzt auch die dynamischen Eigenschaften von Formmessgeräten überprüft werden.

Diese Vorteile präsentieren die Entwickler auf der "Control", einer der wichtigsten Messen für das Qualitätssicherungswesen und -management, dem Fachpublikum anhand von zwei Prototypen: einem Exemplar mit Wellen an der Außenseite und - eine Weltneuheit - einem weiteren, wo sich die Wellentäler und -berge an der Innenseite des (Hohl-) Zylinders heben und senken. Damit oönnen erstmals auch Messgeräte kalibriert werden, deren Aufgabe es ist, Hohlformen auszumessen.

Weitere Informationen:
Auf der "Control" (16.-20.5.2000):
Halle 1, Stand 1500, Telefon auf der Messe (0 72 61) 65 61 27

Dr. Frank Lüdicke, Tel. (05 31) 592-53 10, E-Mail: frank.luedicke(at)ptb.de
Dr. Otto Jusko, Tel. (05 31) 592-52 11, E-Mail: otto.jusko(at)ptb.de
Fachlaboratorium "Maß und Form"