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Helmholtz-Preise 1999 verliehen

27.04.1999

Wissenschaftspreise für Forscher der PT

Für sieben Braunschweiger Wissenschaftler war heute ein bedeutender Tag. Die Forschungsarbeiten von zwei PTB-Arbeitsgruppen wurden mit Helmholtz-Preisen ausgezeichnet. Diese Preise werden alle drei Jahre vom Helmholtz-Fonds für hervorragende Arbeiten im Bereich der Metrologie, der Lehre vom Messen, vergeben. Im Rahmen einer Festveranstaltung im Hörsaal der PTB in Braunschweig überreichte Ruprecht von Siemens, Schatzmeister des Helmholtz-Fonds die Preise, die in diesem Jahr mit je 12000 Mark dotiert sind. Das Preisgeld für eine der Auszeichnungen stellte der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft bereit. Prämiert wurden je eine Arbeit aus den Bereichen "Präzisionsmessung physikalischer Größen" und "Meßtechnik in Medizin und Umweltschutz".

Eine Aufgabe des Helmholtz-Fonds ist es, Forschung und Entwicklung in der Metrologie zu fördern. 1973 wurde daher die gleichnamige Auszeichnung ins Leben gerufen. Der Helmholtz-Fonds schreibt die Preise für verschiedene Gebiete der Metrologie öffentlich aus. Zum Wettbewerb können dann wissenschaftliche Arbeiten aus den angekündigten Fachbereichen eingereicht werden. Voraussetzung ist, das sie bislang noch nicht veröffentlicht worden sind. Eine Jury aus je fünf Fachleuten kürt dann die Preisträger. In diesem Jahr wurden die folgenden Arbeiten gewürdigt:

 

 

Auf Spurensuche - Meßgerät zur Untersuchung von Strahlenwirkungen

Strahlende Castor-Behälter, das Auftreten von Leukämiefällen in der Nähe von Kernkraftwerken, solche Vorfälle heizen die öffentliche Diskussion über die Wirkungen von radioaktiver Strahlung auf den Organismus immer wieder neu an. Umstritten ist dabei vor allem die Strahlendosis, die eine Schädigung bewirken kann. Genauere Kenntnisse darüber, wie Zellen und Zellstrukturen mit geladenen Teilchen reagieren, sind nötig, um Strahlenschäden zu erklären und den Strahlenschutz zu optimieren.

Strahlung durchquert Materie, dabei wird Energie von geladenen Teilchen auf die Atome und Moleoüle des betreffenden Stoffes übertragen. Die Strahlen hinterlassen eine Teilchenspur entlang ihres Weges. Diese wird nun von einer Kamera aufgenommen, für deren Entwicklung die Wissenschaftler Uwe Titt, Volker Dangendorf und Helmut Schuhmacher heute mit dem Helmholtz-Preis "Meßtechnik in Medizin und Umweltschutz" ausgezeichnet werden. Es entsteht ein Bild von der räumlichen Verteilung der Orte der Energieübertragung, den Ionisationspunkten. Das Besondere an dem preisgekrönten Meßgerät ist nun, daß damit erstmals die Energieaufgabe im Mikro- und Nanometerbereich, also im Bereich zellulärer Strukturen, sichtbar gemacht werden kann. Gemessen werden die Ionisationsspuren in einer Detektorzelle, die das Gas Triethylamin (TEA) enthält. Die Energie der geladenen Teilchen regt das Gas dazu an, Licht im UV-Bereich zu emitieren. Mit einer CCD-Kamera mit Bildverstärker erhalten die Physiker der PTB nun ein zweidimensionales Bild der Teilchenspuren. Auch die zeitliche Entwicklung des Lichtsignals wird mittels einer Anordnung von Photomultipliern gemessen. Mit diesen Daten erhalten die Wissenschaftler zusätzliche Informationen über die Verteilung der Energie entlang der dritten räumlichen Dimension. Die Forscher verwenden das Gas TEA noch aus einem anderen Grund für ihre Analysen. Seine atomare Zusammensetzung entspricht in etwa der von Gewebe. Auch wenn eine direkte Messung von Teilchenspuren in der Zelle noch nicht möglich ist, können die Exterten die so gewonnen Daten auf biologische Strukturen übertragen.

Mit dem neuentwickelten Meßinstrument können zunächst grundlegende Informationen über die Wirkung von Strahlung auf Organismen erhalten werden. Daraus entsteht ein besseres Verständnis über die Strahlenwirkung. Auf lange Sicht erhoffen sich die Fachleute Verbesserungen im Bereich Strahlenschutz und auch Strahlentherapie. Möglicherweise verhelfen die neugewonnenen Informationen auch zu neuen Erkenntnissen über die Evolutmon des Lebens auf diesem Planeten, das ja schon immer einer bestimmten, natürlichen Strahlung ausgesetzt war.

Nützliches Lichtspiel der Atome Atominterferometrie für Präzisionsmessungen

Manchmal heißt verstehen, sich nicht mehr wundern. Und die Wissenschaftler im Labor "Längeneinheit" der PTB wundern sich schon längst nicht mehr darüber, daß sie Atome so behandeln können als wären sie pures Licht. Die Physiker Fritz Riehle, Harald Schnatz, Tilmann Trebst und Jürgen Helmcke haben in einem sogenannten "Atominterferometer" den Licht- oder genauer: Wellencharakter von Kalzium-Atomen so optimal ausgenutzt, daß sie damit ein optisches Frequenznormal bisher nicht erreichter Güte entwickelt haben: Mit ihrer Entwicklung, für die die Forscher mit dem diesjährigen Helmholtz-Preis für die "Präzisionsmessung physikalischer Größen" ausgezeichnet werden, gelingt es, die Frequenz - und damit auch die Wellenlänge - eines Lasers mit einer Genauigkeit konstant zu halten und zu messen, die nur noch in Zehntel eines Billionstel Bruchteils (wenige 10-13) anzugeben ist.

Mit ihrer Wellenlängenstabilität stellen solche Laser jetzt die genauesten Längennormale dar, und ihre Frequenzstabilität könnte zukünftig zu noch genaueren Uhren führen. Zugleich ist es mit solchen Atominterferometern möglich, höchstempfindliche Sensoren für Beschleunigungs- und Gravitationskräfte zu konstruieren, da die Atomwellen über ihre Masse auch der Schwerkraft unterliegen. Beispielsweise ließen sich Erdöl- oder Erzlagerstätten auf diese Weise aufspüren, denn die Empfindlichkeit solcher "atominterferometrischer" Sensoren ist bereits heute hoch genug, um lokale Schwankungen der Erdanziehung, wie sie etwa Erdöl- oder Erzlagerstätten verursachen, zu detektieren.

Die physikalische Basis all dieser Anwendungen ist der Wellencharakter auch von materiellen Teilchen, etwa von Atomen. Obwohl seit rund einem dreiviertel Jahrhundert, seit den ersten Deutungen der Quantenmechanik, bekannt, ist es erst die Technologie dieses Jahrzehnts, die diesen Wellencharakter nutzbringend - für höchstpräzise Messungen - umzusetzen vermag. So spalten die Forscher der PTB die Atomwellen mit Impulsen von höchststabilen Lasern in Atominterferometern wie einen Reißverschluß auf und führen sie anschließend wieder zusammen. Und wie bei einem Reißverschluß können diese Atomwellen nur dann wieder miteinander verbunden werden, wenn die "Zähnchen" der beiden Hälften exakt zusammenpassen. In der PTB wurden Verschiebungen dieses "Reißverschlusses" durch Abzählen der "Zähnchenabstände"vermessen. Der technologische Nutzen dieses Reißverschluß-Prinzips: Die Forscher bekommen hiermit einen extrem feingeteilten Maßstab in die Hand, denn die Wellenlänge der Atome liegt - abhängig von ihrer Geschwindigkeit - im Bereich einiger zehn Pikometer (10-12 Meter).

Weitere Informationen
Prof. Dr. Uwe Keyser
Tel.: (0531) 592-8500/1