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Das neue Kelvin kann kommen

04.04.2017

PTB-Wissenschaftler Christof Gaiser mit dem Kern des Dielektrizitätskonstanten-Gasthermometers. Silberfarben: die verschiedenen Druckbehälter mit den speziellen Kondensatoren, die für die Messung in ihrem Inneren mit Helium gefüllt werden. (Foto: PTB)

Im Herbst 2018 wird das Kelvin, genauso wie alle anderen Einheiten im Internationalen Einheiten­system (SI), auf das feste und unverrückbare Fundament von Naturkonstanten gestellt. Beim Kelvin ist das die Boltzmann-Konstante. Wissenschaftler der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) haben sie jetzt mithilfe eines Dielektrizitätskonstanten-Gasthermometers so genau bestimmt, dass einer Neudefinition der Temperatureinheit Kelvin nichts mehr im Wege steht. Die Ergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Metrologia veröffentlicht.

Noch basiert die Definition der SI-Basis­einheit Kelvin auf einer Materialeigenschaft von Wasser: dem Tripelpunkt. Bei einer ganz bestimm­ten Temperatur kann Wasser gleichzeitig fest, flüssig und gasförmig sein. Allerdings ist Wasser nicht gleich Wasser. Und so ist der Tripelpunkt abhängig von der Isotopenzusammensetzung des verwende­ten Wassers. Zwar haben sich Physiker weltweit auf ein „Standard-Wasser“ geeinigt – ideal ist dieser Umstand dennoch nicht. Damit hat das Kelvin im Prinzip das gleiche Problem wie beispielsweise das Kilogramm oder das Mol: Sie alle beruhen auf den Eigenschaften stofflicher Dinge, entweder auf soge­nannten Prototypen (wie das Urkilogramm, ein Zylinder aus Platin-Iridium) oder auf Wasser (wie das Kelvin). Alle diese Materialien sind prinzipiell in vielfacher Weise veränderlich. Aber schon in etwa eineinhalb Jahren, im Herbst 2018, wird eine große internationale Konferenz die Grundlagen des gesamten Internationalen Einheitensystems SI neu festlegen. Ab dann beruhen alle Einheiten auf einem Satz Naturkonstanten – unveränderlichen Eigenschaften der physikalischen Welt.

Die passende Naturkonstante für Temperaturmessungen ist die Boltzmann-Konstante k. Sie gibt an, wie die thermische Energie eines Gases (also die Bewegung der Gasteilchen) von der Temperatur abhängt. In einem abgeschlossenen Gefäß lässt sich die kinetische Energie messen, indem man die Dichte des Gases bestimmt. Das geht – bei der geforderten Genauigkeit – etwa mit einem akustischen Gasthermo­meter. Die entsprechenden Messungen an den Metrologieinstituten Englands, Italiens, Frankreichs, Chinas und der USA erreichen eine gemittelte Messunsicherheit von weniger als 1 ppm (ein Millionstel) und erfüllen damit gemeinsam die erste Bedingung des Konsultativ-Komitees für Thermometrie (CCT) für die Neudefinition des Kelvins. Aber eine weitere Bedingung lautet, dass eine zweite, unabhängige Methode ähnlich kleine Messunsicherheiten erreicht. Zu diesem Zweck startete die PTB im Jahr 2007 das Projekt des Dielektrizitätskonstanten-Gasthermometers, das mit 1,9 ppm jetzt die geforderte Genauigkeit erreicht hat.

Dieses spezielle Thermometer nutzt die Tatsache aus, dass das Edelgas Helium als Dielektrikum die Kapazität eines Kondensators verändert. Und elektrische Kapazitäten kann man mit einer sehr großen Genauigkeit messen. Die Messunsicherheit liegt in diesem Fall nur bei einigen Milliardsteln. Die Wissen­schaftler mussten weiterhin die Materialeigenschaften der verwendeten Kondensatoren bei hohen Drücken (bis 7 MPa) an der Grenze des Machbaren bestimmen und eine Gasreinheit von mehr als 99,99999 % gewährleisten. Darüber hinaus musste das höchste Normal der PTB für die Druckmessung, das auf Kolbenmanometern basiert, verbessert werden. Alle diese Maßnahmen haben jetzt zum Erfolg geführt und der Weg für die Neudefinition des Kelvins auf der Grundlage einer Naturkonstante ist frei.

 

Ansprechpartner:

Dr. Christof Gaiser, 7.43, E-Mail: Opens window for sending emailchristof.gaiser(at)ptb.de

C. Gaiser, B. Fellmuth, N. Haft, A. Kuhn, B. Thiele-Krivoi, T. Zandt, J. Fischer, O. Jusko, W. Sabuga: Opens external link in new windowFinal determination of the Boltzmann constant by dielectric-constant gas thermometry. Metrologia 54, 280–289 (2017)