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Organische Schichten auf unsichtbarem Substrat

07.10.2014

Abb. 1: Oben: Schematische Darstellung der Umorientierung des PS-b-P2VP-Bock-Copolymer-Films durch thermische Behandlung, wie sie durch die kombinierten Ergebnisse aus kontrastangepasstem GISAXS, Röntgenreflektometrie und AFM-Messungen ermittelt wurde.
Unten: Horizontaler Schnitte durch GISAXS-Bilder vor (links) und nach (rechts) der thermischen Behandlung. Jede Zeile stellt ein Intensitätsprofil (blau: gering, rot: hoch) bei einer bestimmten Eindringtiefe der Röntgenstrahlung dar. Die thermisch behandelte Probe zeigt deutlich die Abwesenheit einer Struktur bei oberflächensensitiver Streuung, was den Verlust von Ordnung der Lamellen an der Oberfläche anzeigt, während die Ordnung in Richtung Substrat-Grenzfläche erhalten bleibt.

Röntgenkleinwinkelstreuung unter streifendem Einfall (GISAXS für Grazing Incidence Small Angle X-ray Scattering) ist eine vielseitige Methode zur kontaktlosen Größenbestimmung vertikaler und lateraler Oberflächenstrukturen im Bereich weniger Nanometer bis zu Mikrometern. Auf aktuellen Forschungs- und Anwendungsgebieten wie selbstorganisierte nanostrukturierte Polymerfilme als organische Photovoltaiksysteme, für funktionalisierte Oberflächen in der Medizin oder als Formvorlage für Mikro- und Nanoelektroniken ist GISAXS eine häufig angewendete und manchmal die einzig verfügbare Methode zur nanodimensionellen Strukturcharakterisierung. Bei der komplexen Analyse der Daten ergibt sich jedoch häufig das Problem, dass durch den großen Streukontrast an der Grenze zwischen Polymerfilm und Siliziumsubstrat ein hoher Anteil Substratstreuung entsteht, welche die schwache zu untersuchende Streuung an den Nanostrukturen innerhalb des Polymerfilms überdeckt und eine Auswertung erschwert oder unmöglich macht.

Mit dem neuen in-vacuum Hybrid-Pixel-Detektor PILATUS 1M, der in einer Zusammenarbeit der PTB und Dectris Ltd. entwickelt wurde, ist es nun erstmals möglich gewesen, hochgenaue GISAXS-Messungen an der Silizium-K-Kante bei 1.84 keV durchzuführen und somit durch Kontrastanpassung das Silizium-Substrat praktisch 'unsichtbar' für die Röntgenstreuung zu machen. Dadurch konnten im Rahmen einer Doktorarbeit Strukturveränderungen innerhalb von Dünnschicht-Polymerfilmen vor und nach thermischer Behandlung tiefenaufgelöst beobachtet werden. In beiden Fällen zeigte sich an der Oberfläche der Filme eine fingerabdruckartige Lamellenstruktur mit einer Periodenlänge von etwa 60 nm. Bei der thermisch behandelten Probe zeigte sich jedoch gegenüber dem unbehandelten Polymerfilm eine starke Verringerung der Ordnung innerhalb der ersten ca. 30 nm des 85 nm dicken Films (s. Abbildung).

Die Ergebnisse liefern einen Beitrag zum tieferen Verständnis der Umordnungsprozesse in selbstorganisierten Polymerfilmen, was für eine präzise Kontrolle der Struktur bei technologischen Anwendungen von Bedeutung ist. Darüber hinaus wurden die erweiterten Möglichkeiten und Messtechniken des in-vacuum PILATUS-Detektors am Vierkristall-Monochromator-Strahlrohr der PTB am Elektronenspeicherring BESSY II demonstriert.

Publikation:

Opens external link in new windowJ. Wernecke, H. Okuda, H. Ogawa, F. Siewert, M. Krumrey, Depth-Dependent Structural Changes in PS-b-P2VP Thin Films Induced by Annealing, Macromolecules 47, 5719–5727 (2014)

Ansprechpartner:

J. Wernecke, 7.11, E-Mail: Opens window for sending emailJan.Wernecke(at)ptb.de
M. Krumrey, 7.11, E-Mail: Opens window for sending emailMichael.Krumrey(at)ptb.de