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Übersicht
Stichprobenverfahren werden u.a. in der Industrie, der Medizin oder für Wahlprognosen eingesetzt. Im gesetzlichen Messwesen werden Stichprobenmethoden zur Überprüfung der Produktmenge in Fertigpackungen (siehe OIML R 87), für Konformitätsbewertungen für das Inverkehrbringen von Verbrauchsmessgeräten (siehe
EU-Directive 2014/32/EC und
OIML G 20) und deren regelmäßigen Überprüfungen verwendet. Erneute Überprüfungen finden zu fest vordefinierten Zeitpunkten und in mehrjährigen Abständen statt.
Forschung
Zwei Schlüsselelemente der metrologischen Qualitätskontrolle sind die Überprüfung von Messgeräten vor Inbetriebnahme sowie Überprüfungen in regelmäßigen Zeitabständen während des Betriebs. Stichprobenverfahren ermöglichen hier die effiziente Überprüfung einer zufällig gewählten Teilmenge von Messgeräten.

Hypothesenbasierte Stichprobenpläne für Konformitätsbewertungen nach MID
In der EU ist die Konformitätsbewertung zur Inbetriebnahme von Messgeräten in der Measuring Instruments Directive (MID) geregelt. Insbesondere die Module F und F1 ermöglichen eine Produktprüfung durch „statistische Kontrollen“. Die PTB-Arbeitsgruppe 8.42 hat zusammen mit dem Bayerischen Landesamt für Maß und Gewicht die in der MID formulierten Bedingungen an solche Stichprobenverfahren neu interpretiert und der Interpretation des WELMEC Guide 8.10 gegenübergestellt [Klauenberg et al., 2021,
Müller und Klauenberg, 2021]. Die neue Interpretation hat ökonomische und konzeptionelle Vorteile, und sie ist eindeutig auch für endliche und sehr kleine Losgrößen. Zu der neuen, hypothesenbasierten Interpretation der MID Bedingungen wurden Stichprobenpläne entwickelt, siehe [
Klauenberg et al., 2021,
Müller und Klauenberg, 2021] und in einer interaktiven
Web-Anwendung als R Shiny App flexibel und frei verfügbar gemacht.
Stichprobenverfahren zur Überwachung von Gerätepopulationen
Regelmäßige Überprüfungen sind ein Eckpfeiler der metrologischen Qualitätskontrolle. Das Ziel ist, dass 95% der im Betrieb befindlichen Messgeräte zu jedem Zeitpunkt die Anforderungen einhalten und zwar ohne alle Geräte zu prüfen. Um dies mit hoher Sicherheit zu garantieren, werden in der PTB Arbeitsgruppe 8.42 Verfahren für regelmäßige stichprobenartige Überprüfungen entwickelt.
- Die PTB Arbeitsgruppe 8.42 hat ein neues statistisches Verfahren entwickelt, das Standardstichprobenpläne mit einer Vorhersagefunktion verbindet. (Siehe Abbildung und
Klauenberg und Elster, 2017)
- Ergänzend zur Entwicklung dieses einfachen, allgemein gültigen Verfahrens, wurden mathematische Voraussetzungen für deutlich effizientere Stichprobenpläne erforscht und publiziert (
Klauenberg et.al., 2018).
- Die Alternativen 1) und 2) können kombiniert werden. Eine Option bietet hohe Effizienz durch geringe Stichprobenumfänge und erfordert Qualitätsnachweise. Die Alternative bietet hohe Flexibilität durch sehr wenige Annahmen. Beide Methoden sind einfach durch Nachschlagetabellen realisiert. (
Klauenberg und Elster, 2018)
Ziel aktueller Forschung ist die Entwicklung von neuen statistischen Ansätzen zur effizienteren, flexibleren und gleichzeitig sicheren Überwachung der Qualität von Gerätepopulationen. Hierzu soll insbesondere der Nutzen von zusätzlichen Informationen (sogenanntes Vorwissen) bei wiederholten Zuverlässigkeitsprüfungen und deren Durchführung in zeitlich engeren Abständen untersucht werden. Die zu entwickelnden und untersuchenden Methoden des Bayes‘schen Experimental und Adaptive Design sollen neue Möglichkeiten für wiederholte statistische Qualitätskontrollen aufzeigen und gleichzeitig eine Grundlage bilden, um alternative Stichprobenverfahren u.a. für § 35 der MessEV vorzuschlagen.
Statistische Nachweise für ein Qualifikationsverfahren
Die oben erforschten Stichprobenverfahren bieten die Möglichkeit, effizientere Stichprobenpläne zu verwenden, wenn die Gesamtpopulation zusätzliche Anforderungen erfüllt (siehe auch Verfahren 2 in Klauenberg und Elster, 2018). Für den statistischen Nachweis dieser Anforderungen im Rahmen eines sogenannten Qualifikationsverfahrens hat die PTB Arbeitsgruppe 8.42 statistische Hypothesentests auf Verletzungen der Normalverteilung und auf Überschreiten einer geringen Ausfallrate ausgewählt und angepasst, sowie Stichprobenumfänge hierfür empfohlen. Eine Einführung in Normalverteilungstests wurde ausgearbeitet, die diese Anwendung aufgreift (siehe
Klauenberg und Elster, 2019).
Anwendung
Statistisches Verfahren ermöglicht Umsetzung einer Änderung der Mess- und Eichverordnung
Regelmäßige Überprüfungen sind für Verbrauchsmessgeräte in der Mess- und Eichverordnung in §35 deutschlandweit geregelt. Um die Neufassung dieses Teils der Verordnung umzusetzen, haben die Eichbehörden der Bundesländer die „Verfahrensanweisung für Stichprobenverfahren zur Verlängerung der Eichfrist“ veröffentlicht. Die Anweisung beruht auf den oben genannten, entwickelten statistischen Verfahren, sowie Beratungen durch die PTB.
Somit ist 2019 erstmalig deutschlandweit ein Verfahren in Kraft getreten, das durch regelmäßige stichprobenartige Überprüfungen mit hoher Sicherheit garantiert, dass 95% der im Betrieb befindlichen Messgeräte zu jedem Zeitpunkt die Anforderungen einhalten. Bisher war zwischen den Prüfzeitpunkten keine Aussage über die Qualität von Verbrauchsmessgeräten möglich. Somit bietet das neue statistische Verfahren höheren Verbraucherschutz bei Wasser-, Elektrizitäts-, Gas- und Wärmezählern.
Statistische Nachweise ermöglichen die Qualifikation von Verbrauchsmessgeräten für effizientere Stichprobenpläne
Um effizientere Stichprobenpläne gemäß § 35 der deutschen Mess- und Eichverordnung anwenden zu können (siehe auch Abschnitt 4.3 in der Verfahrensanweisung für Stichprobenverfahren zur Verlängerung der Eichfrist), haben die Verbände der Elektrizitäts-, Gas-, Wasser-, Wärme- und Kältemessgerätewirtschaft ein Qualifikationsverfahren entworfen (siehe
Qualifikationsverfahren). Dieses Verfahren beruht auf den oben genannten, durch die PTB entwickelten statistischen Nachweisen, sowie Beratungen der PTB im Expertenteam „Qualifikationsverfahren zur Stichprobenprüfung“ des Forum Netztechnik/Netzbetrieb (FNN) im Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (VDE). Zur Unterstützung der Umsetzung des Qualifikationsverfahrens hat die PTB Arbeitsgruppe 8.42 zudem eine spezifische Excel-Anwendung entwickelt, welche das multiple Testen auf Verletzungen der Normalverteilung implementiert (siehe Software).
Software
Gremientätigkeit
Zur Unterstützung des gesetzlichen Messwesens bei statistischen Fragestellungen wurde der PTB Arbeitskreis (AK) „Statistik für das Mess- und Eichrecht“ eingerichtet. Dieser hat zum Beispiel die Entwicklung von Stichprobenplänen für Verbrauchsmessgeräte veranlasst, um den §35 der neuen Mess- und Eichverordnung umzusetzen.
Darüber hinaus hat die PTB-Arbeitsgruppe 8.42 die Eichbehörden im AGME-Arbeitsausschuss „Prüfstellen und Stichprobenverfahren“ bei der Umsetzung des neuen § 35 der Mess- und Eichverordnung unterstützt.
Publikationen
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C. A. Müller;K. Klauenberg
OIML Bulletin,
LXII(4),
International Organization of Legal Metrology (OIML),
2021.
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K. Klauenberg, C. A. Müller;C. Elster
Statistics and Public Policy,
2021.
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C. Elster;K. Klauenberg
Statistics & Probability Letters,
165
108851,
2020.
[DOI: /10.1016/j.spl.2020.108851]
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K. Klauenberg;C. Elster
tm - Technisches Messen,
86(12),
773--783,
2019.
[DOI: 10.1515/teme-2019-0148]
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K. Klauenberg;C. Elster
OIML Bulletin,
LIX(3),
International Organization of Legal Metrology (OIML),
2018.
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K. Klauenberg, R. Kramer, C. Kroner, J. Rose;C. Elster
Quality and Reliability Engineering International,
2018.
[DOI: 10.1002/qre.2256]
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K. Klauenberg;C. Elster
Metrologia,
54(1),
59--68,
2017.
[DOI: 10.1088/1681-7575/54/1/59]
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