
Abb.: 1: Schematische Darstellung des Messprinzips der kombinierten Methodik aus GIXRF und dem FEM-Maxwell-Solver zur Berechnung der elektrischen Feldstärkeverteilung
Die zunehmende Komplexität von nano-strukturierten Oberflächen bei technologischen Anwendungen ist eine enorme Herausforderung auch für deren metrologische Charakterisierung. Besonders in der Halbleiterindustrie sind hochkomplexe und mehrdimensionale Nanostrukturen, die aus unterschiedlichen Materialien zusammengesetzt sind, von großer Bedeutung. Im PTB-Laboratorium am Elektronenspeicherring BESSY II ist jetzt mit Synchrotronstrahlung der Nachweis gelungen, dass auch röntgenspektrometrische Methoden wie die referenzprobenfreie Röntgenfluoreszenzanalyse unter streifendem Einfall (GIXRF) materialsensitive dimensionelle Rekonstruktionen einer nanostrukturierten Oberfläche ermöglichen.
Bei der Röntgenfluoreszenzanalyse werden durch einfallende Röntgenphotonen Elektronen aus inneratomaren Schalen angeregt. Der anschließende Zerfall dieser angeregten Zustände führt zur Emission elementspezifischer Röntgenfluoreszenzstrahlung. Über eine energieselektive Messung der Röntgenfluoreszenzintensitäten unter Nutzung kalibrierter Instrumentierung sind quantitative Rückschlüsse auf die Materialkomposition möglich. Durch einen streifenden Einfall der anregenden Röntgenstrahlung auf die Probe (GIXRF) können mit dieser Methode auch tiefenabhängige Elementverteilungen bestimmt werden.
Für die Bestimmung dimensioneller Parameter einer nano-strukturierten Oberfläche wurden im PTB-Laboratorium bei BESSY II bisher verschiedene Streumethoden entwickelt. Dass dies auch mit GIXRF gelingt, konnte jetzt an einer nanoskaligen Gitterstruktur aus Si3N4 (40 nm Linienbreite) gezeigt werden. Unter streifendem Einfall der anregenden Röntgenstrahlung ist es möglich ein die Gitterstruktur umgebendes stehendes Wellenfeld zu erzeugen. Durch Rotation der Gitterstruktur um zwei Achsen bzgl. des einfallenden Röntgenstrahls kann diese Interferenz zwischen einfallender und ausfallender Welle gezielt genutzt werden, um die Orte maximaler elektrischer Feldstärke innerhalb der Struktur zu variieren und damit die Nanostruktur mit einer sub-nm Auflösung „abzutasten“. Die Intensität der dabei entstehenden Fluoreszenzstrahlung ist proportional zur anregenden elektrischen Feldstärke im Medium. Die Auswertung der Daten erfordert daher eine numerische Modellierung der räumlichen Feldstärkenverteilung, die hier auf Basis einer Finiten-Elemente-Methode (FEM) zum Lösen der Maxwell-Gleichungen für die Nanostruktur erfolgte. Diese Kombination aus GIXRF und dem FEM-Maxwell-Solver ermöglicht die quantitative Interpretation der emittierten Fluoreszenzintensitäten und damit Rückschlüsse auf die Anzahl der beteiligten Atome und deren Position innerhalb der Nanostruktur.
Dieser experimentell-theoretische Ansatz lässt sich perspektivisch noch mit Daten der klassischen Röntgenkleinwinkelstreuung (GISAXS) kombinieren. Dabei ermöglicht die Analyse der elastisch gestreuten Photonen eine komplementäre und weitgehend materialunabhängige Rekonstruktion der Geometrie von Nanostrukturen. Ein hybrider Methodenansatz erlaubt dann zusätzlich die räumliche Verteilung bestimmter Elemente zu ermitteln, die mit GISAXS nur schwer zu unterscheiden sind, zu ermitteln und hilft zukünftige metrologische Anforderungen im Bereich der Nanotechnologie zu erfüllen.
Ansprechpartner:
P. Hönicke, 7.24, E-Mail: Philipp.Hoenicke(at)ptb.de
V. Soltwisch, 7.12, E-Mail: Victor.Soltwisch(at)ptb.de
Victor Soltwisch, Philipp Hönicke, Yves Kayser, Janis Eilbracht, Jürgen Probst, Frank Scholze and Burkhard Beckhoff, Element sensitive reconstruction of nanostructured surfaces with finite elements and grazing incidence soft X-ray fluorescence, NANOSCALE, 2018, 10, 6177-6185