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Nanopartikel: Neue Eigenschaften - neue Messmethoden

In der Industrie werden immer häufiger Nanopartikel für die Entwicklung neuer Produkte eingesetzt. Dabei nutzt man gezielt ihre speziellen Merkmale, etwa eine höhere katalytische Wirksamkeit oder ihre (gegenüber denselben Stoffen bei größerer Teilchengröße) veränderten magnetischen oder optischen Eigenschaften. So tragen sie zur Funktionalisierung der Produkte bei. Vorbedingung ist es, die entscheidenden Eigenschaften der Nanopartikel gut zu kennen, sie also zuverlässig zu charakterisieren. Dies gilt auch für die sichere Einschätzung des eventuellen Gefährdungspotenzials neuartiger Materialien („Advanced Materials“), zu denen auch die Nanomaterialien zählen.

Bipyramiden
Untersuchung von nanoskaligen Bipyramiden aus Titandioxid im Transmissionsmodus eines Rasterelektronenmikroskops

Anhand der Form können Nanopartikel in einfache und komplexe Nanopartikel unterteilt werden. Während einfache Nanopartikel oft sphärisch (kugelig) sind, können komplexe Nanoobjekte eine nichtsphärische Form haben, eine innere Struktur aufweisen oder selbst aus mehreren Nanopartikeln bestehen. Zu ihnen zählen Agglomerate, Rußpartikel und Fasern. Gelangen komplexe Nanopartikel in die menschliche Lunge, können sie je nach ihrer Größe und Anzahl gesundheitliche Schäden verursachen. Wenige kleine Nanopartikel werden von den körpereigenen Fresszellen (Makrophagen) problemlos abtransportiert. Ab einer Größe von mehreren hundert Nanometern kann dieser Prozess nicht mehr stattfinden; die Nanopartikel bleiben in der Lunge und können auf lange Sicht Krankheiten verursachen. Ob Nanopartikel die menschliche Gesundheit gefährden, wird auch durch ihre mechanischen Eigenschaften wie etwa die Steifigkeit entschieden. Auf der anderen Seite werden magnetische Nanopartikel bereits in Diagnostik und Therapie eingesetzt: beispielsweise in der In-vitro-Diagnostik, dem Magnetic Particle Imaging, dem Magnetic Drug Targeting oder der magnetischen Thermoablation. Hierbei nutzt man die magnetischen Eigenschaften der Nanopartikel gezielt aus, um die gewünschte Wirkung für die medizinische Anwendung zu erzielen. Für den effektiven, sicheren Einsatz der magnetischen Nanopartikel ist dazu aber eine genaue Charakterisierung ihrer magnetischen Eigenschaften erforderlich. Zu diesem Zweck verfügt die PTB über eine umfangreiche metrologische Infrastruktur an magnetischen Messverfahren.

Röntgenkleinwinkelstreuung SAXS
Schematische Darstellung der Röntgenkleinwinkelstreuung (Small-Angle X-Ray Scattering - SAXS)

Um die Form einfacher oder komplexer Nanopartikel rückführbar zu bestimmen, werden taktile (Rasterkraftmikroskopie) und elektronenmikroskopische Messmethoden (Rasterelektronenmikroskopie oder quantitative Transmissionselektronenmikroskopie) verwendet. Dabei helfen immer häufiger Algorithmen aus dem Bereich des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz, um aus den Messergebnissen automatisiert jene Merkmale zu extrahieren, die für die Funktion entscheidend sind. Um für Nanopartikel in wässriger Suspension die mittlere Partikelgröße und die Partikelkonzentration zu bestimmen, werden die Röntgenkleinwinkelstreuung mit Synchrotronstrahlung oder auch die neue Single Particle Light Scattering-Methode eingesetzt. Mit der Corona-Pandemie ist auch die Entwicklung von Verfahren zur Untersuchung von luftgetragenen Nanopartikeln (Aerosolen) in den Vordergrund gerückt.