Genauer messen in kurzer Zeit
Optische Strontium-Atomuhr stellt Stabilitätsrekord auf
Optische Uhren stoßen in der Forschung auf immer größeres Interesse. Sie könnten die SI-Basiseinheit Sekunde in Zukunft mit noch größerer Genauigkeit realisieren und damit die bisherige Definition, die auf der Wechselwirkung von Mikrowellenstrahlung mit Cäsiumatomen beruht, ablösen. Mögliche Anwendungen höchstpräziser Uhren erstrecken sich jedoch über einen weiten Bereich: von der Geodäsie, wo sie eine direkte und genauere Messung des Gravitationspotenzials der Erde ermöglichen, bis hin zur Erforschung der "großen Fragen" der modernen Physik wie der Vereinheitlichung der fundamentalen Wechselwirkungen, indem durch Vergleiche verschiedener Uhren nach möglichen Änderungen von Naturkonstanten, etwa der Feinstrukturkonstanten, gesucht wird.
Genauigkeit und Stabilität optischer Uhren beruhen ganz wesentlich darauf, dass die Frequenz der verwendeten optischen Strahlung um mehrere Größenordnungen über jener der Mikrowellenstrahlung, die in Cäsiumatomuhren verwendet wird, liegt und somit als Taktgeber von viel höherer Güte fungiert. In einer Strontiumatomuhr wird dabei ein atomares Gas durch Laserkühlung auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt abgebremst. Anschließend wird ein extrem schmaler Übergang zwischen langlebigen Eigenzuständen der Atome angeregt, um die Frequenz des Anregungslasers auf jene der Atome zu stabilisieren. Die gleichzeitige Abfrage vieler Atome führt dabei zu einem besonderes hohen Signal-zu-Rausch-Verhältnis und somit einer hohen Stabilität.
Da nach jeder Abfrage erneut eine Atomwolke präpariert werden muss, kommt es jedoch zu Unterbrechungen bei der Beobachtung der Laserfrequenz. Der Laser selbst dient daher als "Schwungrad" und wird meist auf einen optischen Resonator, der die Laserfrequenz über kurze Zeiträume stabil hält, vorstabilisiert. Für die Strontiumuhr der PTB wurde eine der frequenzstabilsten Resonatoren der Welt konstruiert. Dank einer Länge von 48 cm und ausgeklügelter thermischer und mechanischer Isolation gegenüber seiner Umgebung erreicht er eine relative Frequenzinstabilität von 8 ∙ 10–17.
Bei einer Analyse der einzelnen Beiträge zum Rauschen der detektierten Anregungswahrscheinlichkeit zeigte es sich, dass die Strontiumuhr bereits ab 130 Atomen das physikalisch bedingte Quantenprojektionsrauschlimit erreicht. Es resultiert aus der Zustandsmessung selbst, da jedes Atom sich nach der Anregung zunächst in einer Überlagerung der beiden Eigenzustände befindet und erst bei der Messung zufällig auf einen der beiden Zustände projiziert wird.
Das daraus entwickelte Modell wurde um den bekannten Einfluss des Laserfrequenzrauschens ergänzt und seine Vorhersage durch einen Selbstvergleich der Uhr experimentell überprüft. Daraus leiteten die PTB-Wissenschaftler für den normalen Betrieb eine relative Instabilität von 1,6 ∙ 10–16/τ1/2 als Funktion der Mittelungsdauer τ in Sekunden ab. Dies ist der beste bislang für eine Atomuhr publizierte Wert. Es ist zu erwarten, dass die zukünftige Reduzierung der relativen Gesamtunsicherheit der Strontiumuhr auf wenige 10–18 dadurch erheblich vereinfacht wird.
(es/ptb)
Ansprechpartner
Dr. Sören Dörscher, PTB-Arbeitsgruppe "Optische Gitteruhren", Telefon: (0531) 592-4322, E-Mail: soeren.doerscher(at)ptb.de
Die wissenschaftliche Veröffentlichung
A. Al-Masoudi, S. Dörscher, S. Häfner, U. Sterr, Ch. Lisdat: Noise and instability of an optical lattice clock. Physical Review A 92, 063814 (2015)