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Das Mol

602 214 076 000 000 000 000 000, also ca. 602 Trilliarden, eine Zahl mit 24 Ziffern. Unvorstellbar groß, nicht wahr? Und doch begegnen uns im Alltag ständig Trilliarden von Dingen! In einem 2-Liter-Luftballon sind z. B. ca. 50 Trilliarden Luftmoleküle (also ca. 39 Trilliarden Stickstoffmoleküle und 10 Trilliarden Sauerstoffmoleküle und eine halbe Trilliarde Argonatome). Eine handelsübliche Schmerztablette enthält ca. 1,7 Trilliarden Moleküle des Wirkstoffs Acetylsalicylsäure. In einem Liter Mineralwasser schwimmen ca. 1 Trilliarde Natriumatome. Sie merken bereits: Große Mengen gibt es meist von ganz kleinen Dingen, wie Atomen und Molekülen. In Physik und Chemie beschäftigt man sich sehr häufig mit Atomen und Molekülen, möchte aber nicht immer mit so großen Zahlen jonglieren. Deswegen werden große Teilchenzahlen zu einer Art „gedachtem Zählbündel“ zusammengefasst und dieses Bündel ist die „Einheit des Monats“ im April: Das Mol, die Einheit der Stoffmenge.

Die Anzahl von Teilchen lässt sich so in besser handhabbaren Zahlen ausdrücken. Anstelle von: „In einem Luftballon sind ca. 10 Trilliarden Sauerstoffmoleküle“, können wir sagen: „In einem Luftballon sind ca. 0,02 mol Sauerstoff.“ Der Umrechnungsfaktor zwischen der Teilchenzahl und der Stoffmenge ist die sogenannte Avogadro-Konstante NA, und diese sagt aus, dass in einem Mol 602 214 076 000 000 000 000 000 Teilchen enthalten sind. Nun ist uns die Anzahl von Sauerstoffatomen in einem Luftballon meist egal. In Medikamenten oder bei Stoffgehalten in Nahrungsmitteln ist es jedoch oft sehr wichtig zu wissen, wieviel von etwas enthalten ist. In der Pharmazie und der analytischen Chemie sind die Stoffmenge und die sogenannten molaren Größen deshalb allgegenwärtig. Eben weil es leichter ist, mit Größen wie „0,01 mol pro Liter“ zu rechnen, anstatt mit „6 022 140 760 000 000 000 Teilchen pro Liter“.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, bevor die Stoffmenge als physikalische Größe mit der zugehörigen Einheit Mol eingeführt wurde, verwendete man Begriffe wie "Gramm-Atom" und "Gramm-Molekül", um Mengen an chemischen Elementen oder Verbindungen zu benennen. Diese Mengenangaben bezogen sich auf die relativen Atom- bzw. Molekülgewichte. Der Bezugswert für diese relativen Gewichte war das Atomgewicht des Sauerstoffs, das nach allgemeiner Vereinbarung auf 16 festgelegt war. Nach einiger Uneinigkeit zwischen der Physik und der Chemie, welcher Sauerstoff genau gemeint ist {1}, einigten sich 1960 die International Union of Pure and Applied Physics (IUPAP) und die International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC) darauf, sich lieber auf Kohlenstoff als auf Sauerstoff zu beziehen: Dem sogenannten Atomgewicht des Kohlenstoffs-Isotops {2} mit der Massenzahl 12 (12C), korrekt als relative Atommasse Ar(12C) bezeichnet, wurde genau den Wert 12 zugeordnet und dieser fortan als Bezugswert verwendet.

Auf Vorschlag der IUPAP, der IUPAC und der Interanationalen Organisation für Normung (ISO) wurde Ende der 1960er-Jahre auch eine Definition des Mols als Einheit für die Stoffmenge erarbeitet. Dies wurde 1971 auf der 14. Generalkonferenz für Maß und Gewicht (CGPM) beschlossen und galt innerhalb des Internationalen Einheitensystems (SI) bis zum 19. Mai 2019. Sie lautet:

  1. Das Mol ist die Stoffmenge eines Systems, das so viele Elementarteilchen enthält, wie Atome in 0,012 Kilogramm 12C enthalten sind; sein Symbol ist "mol".
  2. Wenn das Mol verwendet wird, müssen die elementaren Einheiten angegeben werden und können Atome, Moleküle, Ionen, Elektronen, andere Partikel oder bestimmte Gruppen solcher Partikel sein.

Ab dem 20. Mai 2019 lautet die Definition für das Mol:

Das Mol, Einheitenzeichen mol, ist die SI-Einheit der Stoffmenge. Ein Mol enthält genau 6,022 140 76 × 1023 Einzelteilchen. Diese Zahl entspricht dem für die Avogadro-Konstante NA geltenden festen Zahlenwert, ausgedrückt in der Einheit mol–1, und wird als Avogadro-Zahl bezeichnet

Die Stoffmenge, Zeichen n, eines Systems ist ein Maß für eine Zahl spezifizierter Einzelteilchen. Bei einem Einzelteilchen kann es sich um ein Atom, ein Molekül, ein Ion, ein Elektron, ein anderes Teilchen oder eine Gruppe solcher Teilchen mit genau angegebener Zusammensetzung handeln.

Was ändert sich dadurch für das Mol? Auch wenn es auf dem ersten Blick nicht so aussieht: nicht viel. Wie für alle anderen Basiseinheiten auch, ist ab dem 20. Mai eine Konstante die Basis der Definition; im Fall der Stoffmenge bzw. des Mols ist es die Avogadro-Konstante. Auch wenn diese in der bis zum 19. Mai 2019 gültigen Formulierung nicht explizit erwähnt ist, so ist sie doch eng mit dieser Definition verknüpft. Denn die Avogadro-Konstante entspricht der Anzahl von Teilchen, die in 12 g des Kohlenstoffisotops 12C enthalten sind.

Wie wenig viele Dinge sein können – das veranschaulicht uns das Mol, die Einheit des Monats im April, sehr deutlich. 602 Trilliarden, also ein Mol, Wassermoleküle passen in einen Eierbecher. Würde man ein 0,01 Mol Eier aufrecht nebeneinander platzieren, dann könnte man damit eine Fläche so groß wie die Oberfläche unserer Sonne bedecken {3}. Und selbst wenn jeder Mensch der aktuellen Weltbevölkerung im Minutentakt ein Osterei finden würde – wir bräuchten über einhundert Million Jahre, um ein Mol Ostereier zu finden. Fallen Ihnen weitere Zahlenspielereien und Gedankenexperimente ein? Schreiben Sie uns gerne! Für die 602-trilliardste Nachricht gibt es ein handbemaltes Osterei.

 

{1} Sauerstoff kommt in der Natur in drei verschiedenen Isotopen {2} vor. Mittels physikalischer Messmethoden können diese Isotope aufgrund ihrer unterschiedlichen Masse getrennt werden. In der Physik wurde der Wert 16 dem leichtesten Sauerstoff-Isotop zugeschrieben. In der Chemie wurde der Wert 16 dem natürlichen Gemisch der Isotope zugeschrieben, das für sie das natürlich vorkommende Element Sauerstoff war.

{2} Isotope eines Elements haben die gleiche Anzahl Protonen im Atomkern, aber unterschiedlich viele Neutronen. Die Atome unterschiedlicher Isotope eines Elements sind deshalb unterschiedlich schwer. Sauerstoff hat drei unterschiedliche, natürliche Isotope. Alle haben 8 Protonen im Atomkern, das Isotop 16O hat 8 Neutronen, 17O hat 9 Neutronen und 18O hat zu den 8 Protonen 10 Neutronen im Atomkern.

{3} Mit einem Mol Eier könnte man also 100 Schichten von dicht gepackten Eiern auf der Sonne stapeln. Das ist natürlich nur ein Gedankenexperiment! Bei der tatsächlichen Umsetzung gäbe es viele schwierige Randbedingungen. Und eine gigantische Menge Rührei.

Lorenzo Romano Amadeo Carlo Avogadro

  • italienischer Physiker und Chemiker, *9.8.1776 Turin, †9.7.1856 Turin
  • Forschungen zur elektrochemischen Spannungsreihe und über Gase und Dämpfe
  • untersuchte ab 1811 die Mengenverhältnisse bei Gasreaktionen
  • erkannte, dass die reagierenden elementaren Gase zweiatomig sind (prägte den Begriff "Molekül") und stellte das Avogadrosche Gesetz auf
  • Avogadrosches Gesetz: Gleiche Volumina verschiedener Gase enthalten bei gleichem Druck und gleicher Temperatur die gleiche Anzahl an Teilchen. Mit anderen Worten, 1 Mol eines (idealen) Gases nimmt bei 0 °C und 101325 Pa ein Volumen von 22,4 l ein. Dieses Gesetz gilt streng nur für ideale Gase.

[Quelle: Opens external link in new windowhttps://www.spektrum.de/lexikon/physik]