Die PTB hat ihre Kompetenzen rund um die Künstliche Intelligenz in der Medizin stark ausgebaut
Die Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) befinden sich auf einem Siegeszug, der auch vor der Medizin nicht Halt macht – versprechen sie doch großen Nutzen für Patienten und enorme wirtschaftliche Potenziale. Doch mit der KI kommen auch neue Herausforderungen. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ist als nationales Metrologieinstitut in Deutschland die oberste Instanz mit gesetzlicher Beauftragung, wenn es um die Bewertung von Messverfahren geht, und stellt sich diesen neuen Herausforderungen: Sie hat ihr interdisziplinäres Team, das auf verschiedenen Gebieten neue Methoden der standardisierten Bewertung von KI-Methoden entwickelt, um gleich zehn Nachwuchswissenschaftler/innen ausgebaut. Die inhaltlichen Schwerpunkte liegen bei der Erklärbarkeit, der Robustheit und der Unsicherheiten von KI-Verfahren für die Anwendungsfälle bildgebende Verfahren sowie Strahlen- und Labormedizin.
Durch die schnell voranschreitende Digitalisierung finden Methoden der künstlichen Intelligenz immer breiteren Einzug in alle Bereiche der Medizin und stellen auch die PTB vor neue Herausforderungen. Die Komplexität der Zusammenhänge, der technische Fortschritt in der Messtechnik, der hohe Nutzen für die Patienten und die enormen wirtschaftlichen Potenziale werden zu einem rasanten Anstieg an KI-Anwendungen im Gesundheitssektor führen. Für viele Herausforderungen könnten KI-Verfahren die Lösung sein: Beispielsweise werden in bildgebenden Verfahren Mengen von Daten generiert, die durch Ärzte nicht zu bewältigen sind. Nach Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg sind im Jahr 2019 insgesamt 675 Exabyte an Bildinformationen in der Radiologie generiert worden, was rund 13,5 Billionen Schichtbildern entspricht – medizinisch genutzt werden nur ca. 7 % der Daten. Gleichzeitig hat im Bundesgebiet beispielsweise die Anzahl niedergelassener Radiologen, bei steigender Gesamtzahl ambulant tätiger Ärzte, von 2018 zu 2019 um 2,2 % abgenommen. Hier kann KI in Zukunft helfen: Aufgaben, für die Ärzte jahrelange Erfahrung brauchen, können durch Künstliche Intelligenz innerhalb weniger Sekunden bewältigt werden – es fehlt jedoch bisher ein allgemein anerkannter Vertrauensanker in der Qualitätsinfrastruktur.
Im Rahmen ihrer gesetzlichen Beauftragung, beispielsweise durch das Medizinproduktegesetz, setzt sich die PTB intensiv mit dem Thema KI auseinander. So entwickelt sie beispielsweise moderne Verfahren zur Bestimmung der Bildqualität von Röntgenbildern, etwa in der Mammografie. Das Ziel ist es, mithilfe von objektiven Maßzahlen für Bildqualität und Dosis eine objektive Zielgröße für die Optimierung dieser radiologischen Diagnostiken zu entwickeln – im Hinblick auf bestmögliche Bildqualität bei niedriger Dosis. In der Magnetresonanztomografie werden robuste Methoden zur Bildrekonstruktion entwickelt. Maschinelles Lernen erlaubt es hier zum Beispiel, die Bildrekonstruktion von funktionalen MR-Bildern so zu beschleunigen, dass auch Untersuchungen von bewegten Tumoren möglich sind. Ein weiteres Beispiel ist die weltweit größte frei zugängliche EKG-Datenbank, veröffentlicht durch die PTB, die maschinenlesbare Befunde und Bewertungen von Kardiologen liefert. Der Datensatz kann als Referenz für im Markt befindliche Methoden eingesetzt werden, die bislang oftmals mit proprietären Daten trainiert werden, und schafft so größere Transparenz.
Das Forschungsprogramm "Metrology for AI in Medicine" (M4AIM) ist interdisziplinär und deckt KI-Anwendungen in verschiedenen Bereichen der Medizin ab. Je nach Thema haben die neuen Teammitglieder ihre Heimat an einem der der beiden PTB-Standorte der PTB, Braunschweig oder Berlin, gefunden und arbeiten sowohl mit erfahrenen PTB-Kollegen als auch mit Experten aus der akademischen KI-Forschung sowie der kooperierenden Universitätskliniken und Krankenhäusern zusammen. Bei aller Unterschiedlichkeit der konkreten Aufgaben steht der Teamcharakter im Vordergrund, ebenso wie die grundsätzliche Ausrichtung auf die drei großen Säulen der Metrologie für KI-Anwendungen. Die erste ist die Erklärbarkeit, bei der es darum geht, die Gründe für ein KI-Ergebnis zu verstehen und nachzuvollziehen. Zweitens geht es um die Ermittlung der Unsicherheit von KI-Methoden, also den metrologischen Blick auf die Genauigkeit der entsprechenden Messverfahren. Die dritte Säule ist die Generalisierbarkeit und Robustheit der KI-Verfahren. Hier sollen standardisierbare Maßzahlen für die Bewertung der Robustheit gegenüber verrauschten, unbekannten oder schädlichen Eingangsdaten entwickelt werden. Das ist der generelle Blickwinkel für das gesamte Team.
Weitere Informationen zum Forschungsprogramm "Metrology for AI in Medicine", wie etwa Beschreibungen der Einzelprojekte, finden Sie auf der Website des Forschungsprogrammes.
PTB-Nachrichten zum Thema
Training maschineller Lernalgorithmen zur EKG-Auswertung
Großer maschinenlesbarer EKG-Datensatz für Entwicklung und Test maschineller Lernverfahren veröffentlich
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Maschinelles Lernen zur Qualitätssicherung in der Mammografie
Wenn das MRT-Gerät selbst auswertet
Modellbasierter Beobachter und maschinelles Lernen für gute Bilder
Herzensangelegenheit Künstliche Intelligenz
Publikationen
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https://doi.org/10.1101/2020.08.10.243774
Kontakt
- Dr. David Auerbach, Telefon: (0531) 592-3102, E-Mail:
david.auerbach(at)ptb.de
- Dr. Hans Rabus, Telefon: (030) 3481-7054, E-Mail:
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