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Der Meter aus dem Kristall: alternativer Zugang zu Längenmessungen im Nanometerbereich

Categories:
  • Fundamentals of Metrology
16.12.2019

Auch bei den in der Nanotechnologie verwendeten sehr geringen Abmessungen ist die genaue Messung von Längen eine der wichtigsten Voraussetzungen für erfolgreiche Forschung und Entwicklung sowie die technologische Anwendung von Nanostrukturen und -objekten. Orientiert an den Empfehlungen des BIPM für die primäre Realisierung der Längeneinheit Meter werden oftmals Lichtquellen im sichtbaren Spektralbereich für interferometrische Präzisionslängenmessungen verwendet. Um von den hierbei verwendeten Wellenlängen im sichtbaren Spektralbereich durch optische und elektronische Signalteilung auf die für Messungen in der Nanometrologie notwendigen Auflösungen im sub-nm Bereich zu kommen, sind hohe Anforderungen an die Qualität der interferometrischen Signale gestellt. Als Folge sind sowohl die Unsicherheiten als auch die Kosten für den Anwender in der Praxis oftmals recht hoch.

Das beratende Komitee für die „Länge“ (CCL) der Internationalen Meterkonvention hat im Zuge der Revision des SI Einheitensystems vorgeschlagen, den Gitterparameter des Siliziums als eine sekundäre Realisierung des Meters für dimensionelle Messungen in der Nanometrologie zu nutzen. Daraus ergibt sich nun die Möglichkeit, substanzielle Fortschritte in der dimensionellen Kalibrierung von Rasterkraftmikroskopen zu erreichen, ist doch der Gitterparameter im Si-Volumenkristall mit relativen Unsicherheiten kleiner als 10-8 verfügbar. Bereits eine relative Unsicherheit von 10-4 würde bei einer zu messenden Länge von 10 nm eine Unsicherheit von einem Pikometer bedeuten. Der Gitterparameter bietet damit hervorragende Voraussetzungen, um die Messgenauigkeit im Nanometerbereich substanziell zu verbessern. Mit vorhandenen Stufenhöhennormalen sind zurzeit Unsicherheiten von etwa 0,5 nm zu erreichen.

Im Rahmen des europäischen Metrologie-Forschungsprojekts Crystal [1] konnten in der PTB kristalline Si-Proben mit atomarer Stufenhöhe von 0,314 nm reproduzierbar in hoher Qualität hergestellt werden. Vergleichsmessungen in unterschiedlichen Metrologieinstituten belegen, dass mit diesen kristallinen Normalen eine erweiterte Unsicherheit von 10 pm für Messungen kleiner Stufenhöhen bis zum 10 nm erreicht werden kann.

Hergestellt werden diese Normale durch einen Selbstorganisationsprozess im Ultrahochvakuum auf Siliziumwafern mit (111) Orientierung. Durch eine spezielle Prozessierung wird erreicht, dass das Kristallgitter der Wafers an der Probenoberfläche ungestört rekonstruiert wird. Damit ist sichergestellt, dass die Genauigkeit der Siliziumkristalle auch an der Oberfläche für hochauflösende Mikroskope, wie z.B. Rasterkraftmikroskope (SPM), zur Verfügung steht.

Durch das Projekt Crystal konnte daher der Nachweis erbracht werden, dass dieser Ansatz aus Selbstorganisation und Kristallen als Längenreferenz funktioniert. Dies hat nicht zuletzt zu der jetzt vorliegenden Empfehlung des CCL geführt. Aufgabe ist es nun, die Potentiale der kristallinen Normale für den Anwender weiter zu entwickeln. Zum einen sollen die Kosten für die Herstellung der Normale drastisch verringert werden, zum anderen werden entsprechende automatische Routinen zur Datenauswertung entwickelt, so dass auch abseits der Metrologieinstitute die Pikometerunsicherheiten in der praktischen Anwendung erreichbar werden.

Die Erkenntnisse und Erfahrungen der letzten Jahre werden nun dazu genutzt, eine neue Präparationskammer aufzubauen, mit der es dann möglich sein wird, die physikalischen Vorgänge während der Selbstorganisation systematisch zu untersuchen. In dieser Anlage wird es möglich sein, die kritischen Parameter wie z.B. die Temperatur genauer zu kontrollieren. Dies ist eine der Voraussetzungen die Prozessausbeute weiter zu verbessern und damit eine Kostenreduktion zu erreichen. Durch einen modularen Aufbau dieses neuen Systems ist eine kontinuierliche Erweiterung der Präparations- und Analysemöglichkeiten gegeben, um den zukünftigen Bedarf an nanoskopischen Normalen zu bedienen – maßgeschneidert für die Anwendung.

Mikroskopische Aufnahme eines kristallinen Normals mit atomaren Stufen.

Abb. 1 Bild einer Probe mit atomaren Stufenhöhen (oben), aufgenommen mit einem konfokalen Laserscanning-Mikroskop. Jede der Terrassen ist eine atomar glatte Netzebene des Silizium (111)-Kristalls, mit einer konstanten Stufenhöhe von h ≈ 0,314 nm. Die Längsachse der Probe ist ca. 100 µm lang.


[1] https://www.ptb.de/emrp/sib61-home.html

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