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Ellipsometrische Messungen zur Charakterisierung des Initialzustandes der Schichtdickentopografie an der Oberfläche von Siliziumkugeln

01.12.2014

In Vorbereitung für die Zeit nach einer Neudefinition des Kilogramms werden bereits jetzt Untersuchungen durchgeführt, die für das Monitoring von Masse-Gebrauchsnormalen auf Basis von Siliziumkugeln erforderlich sind. Mit spektralellipsometrischen Messungen werden dazu die Schichtdickentopografien verschiedener in der PTB hergestellten Siliziumkugeln erfasst und miteinander verglichen, um den Initialzustand für das Monitoring zu dokumentieren.


Eine Neudefinition der SI-Einheit Kilogramm auf Basis der Planck-Konstanten wird die Notwendigkeit einer Maßverkörperung für die Definition der Einheit überwinden, wie sie bisher mit dem internationalen Prototypen (IPK), aufbewahrt am BIPM in Sèvres, gegeben ist. Aus praktischen Erwägungen wird es aber auch weiterhin Maßverkörperungen für die Bewahrung und Weitergabe des Kilogramm geben. Dabei werden zukünftig Maßverkörperungen auf Basis von Siliziumeinkristallkugeln eine wesentliche Rolle spielen. Daher ist es erforderlich die zeitliche Änderung der Kugelmassen zu überwachen, wobei besonderes Augenmerk auf der zeitlichen Veränderung der Oxidschicht bzw. Oberflächenschicht dieser Kugeln liegt.

Zur Vorbereitung dieses Monitorings werden gegenwärtig Messungen zum Wachstum einer nativen Oxidschicht auf verschiedenen Siliziumkugeln durchgeführt. Koordiniert werden diese Messungen durch die AG 1.11 „Masse“, die auch die Änderung der Kugelmasse überwacht. Insgesamt drei Kugeln wurden für diese Untersuchungen vom Wissenschaftlichen Gerätebau der PTB hergestellt. Die nach der Herstellung vorhandene Oxidschicht wurde mit Flusssäure (HF) entfernt und nachfolgend das Wachsen einer nativen Oxidschicht gravimetrisch überwacht.

Im Zuge dieser Messungen wurden die Schichtdickentopographien der Kugeln (Sm14, Sm15 und Sm220) mit dem Spektralellipsometer gemessen. Mit diesem Verfahren ist es möglich, die Dicke der Oxidschicht in kurzer Zeit an einem Punkt auf der Oberfläche einer Siliziumkugel mit sehr hoher Präzision zu bestimmen. Entsprechend viele Messpunkte vorausgesetzt (ca. 5200), kann so innerhalb eines Tages die Schichtdickenvariation auf der Kugeloberfläche mit einem gleichmäßigen dichten Netz von Messpunkten erfasst werden. Durch eine geeignete Kalibrierung mittels einer Kombination von Röntgenreflektometrie (XRR) und Röntgenfluoreszenzanalyse (XRF) werden die ellipsometrischen Werte kalibriert und die mittlere Schichtdicke berechnet. Die so erreichbare Messunsicherheit ist dabei empfindlich von der lokalen Änderung der Schichtdicke am Kalibrierpunkt abhängig. Im optimalen Fall kann eine Standardunsicherheit von u(dav) = 0,2 nm erreicht werden.

Für die drei jetzt gemessenen Silizium-Kugeln ergibt sich allerdings ein uneinheitliches Bild. Für die Kugel Sm15 zeigen die ellipsometrischen Messungen eine homogene Schichtdickenverteilung mit einem Mittelwert von dav, Sm15 = 0,90(27) nm und einer Standardabweichung von 0,38 nm. Die Verteilung der gemessenen Schichtdicken auf der Kugel ist in Abbildung 1 gezeigt.


Abbildung 1: Schichtdickentopographie der Siliziumkugel Sm15.

Ein gänzlich anderes Bild ergibt sich allerdings für Sm14 und Sm220. Die gemessen mittleren Schichtdicken sind hier dav, Sm220 = 1,35(30) nm (Standardabweichung: 0,85 nm) bzw. dav, Sm14 = 0,8(7) nm (Standardabweichung 0,87 nm). Wie bereits aus den jeweiligen Standardabweichungen ersichtlich ist, liegen hier große Variationen in der Schichtdickentopographie vor. Darüber hinaus gibt die räumliche Verteilung Hinweise auf eine Abhängigkeit der Schichtdicke von der zugrundeliegenden kristallographischen Orientierung der Kugeln. Dieses Verhalten spiegelt sich auch in der Verteilung der Schichtdickenwerte wider. Für beide Kugeln wird ein breiter Peak in der Nähe der mittleren Schichtdicke gefolgt von einer „Schulter“ bei größeren Schichtdicken beobachtet (siehe Abbildung 3). Die große Unsicherheit für die mittlere Schichtdicke im Fall der Sm14 resultiert aus einer lokalen Dickentopographie am Kalibrierpunkt, die die Nutzung eines alternativen Kalibrierpunktes erforderlich macht. Daraus resultiert die deutliche Vergrößerung der Standardunsicherheit.

Abbildung 2: Schichtdickentopographie der Siliziumkugel Sm14.

Die Ergebnisse der ellipsometrischen Messungen belegen die Notwendigkeit einer topografischen Erfassung der gesamten Oxidschichtdickenstruktur, um die Korrektur der Oxidschicht für die Massebestimmung mit der erforderlichen Messunsicherheit durchführen zu können. Weiterhin zeigen die Variationen der drei Messungen auch, dass der Initialzustand der Topografie der Oxidschichtdicke vom Herstellungsverfahren abhängt. Es sind somit weitere Untersuchungen zu den zugrundeliegenden Mechanismen erforderlich. Zudem werden auch alternative Verfahren zur Herstellung einer stabilen Oberflächenschicht parallel untersucht.

Abbildung 3: Häufigkeitsverteilung der gemessenen Schichtdicken für die Si-Kugeln. Die Verteilungen sind jeweils normiert auf die am häufigsten vorkommende Schichtdicke Nmax.

Die hier vorgestellten Messungen wurden im Rahmen von Untersuchungen durchgeführt, die das Wachstum von Oxidschichten auf Siliziumkugeln mit Hilfe gravimetrischer, kombinierten XRF/XRR- und SE-Messungen nach der Entfernung der ursprünglichen Oxidschicht analysieren. Die so gewonnenen Ergebnisse werden mit in der Literatur beschriebenen Wachstumsmodellen für Si verglichen. Das Anwachsen der Oxidsicht wurde dabei zunächst gravimetrisch beobachtet. Die zusätzlich ermittelten Daten für die resultierende Schichtdicke aus XRR/XRF und SE fügen sich in diese Messungen ein. Die Messungen werden zusätzlich abgerundet durch Röntgenphotoelektronenspektroskopie (XPS), ausgeführt am Schweizer Metrologieinstitut (METAS). Diese Messungen dienen der Aufklärung des stöchiometrischen Aufbaus der Oxidschicht. Sie zeigen, dass die Schicht im Wesentlichen aus SiO2 besteht (~0.7 nm), aber an der Oberfläche eine zusätzliche Si2O3-Schicht (~0.1 nm) aufweist. Die resultierende Oxidschichtdicke aus diesen Messungen stimmt mit den anderen Resultaten überein.

Die Arbeit zeigt, dass das Wachstum der Oxidschicht sich nach einigen Monaten soweit stabilisiert, das der verbleibende Massezuwachs im zweiten Jahr nach Entfernen der ursprünglichen Oxidschicht auf ein akzeptables Maß absinkt.

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden im Rahmen der IMEKO Konferenz am 3.-5. Februar 2014 in Kapstadt, Südafrika, vorgestellt.