„Wie spät ist es?“ lautet die wohl am häufigsten gestellte Frage weltweit. Für die Antwort benötigt man nicht unbedingt eine so präzise Uhr, wie sie das Bild am Anfang dieses Textes zeigt. Aber ja, auch das ist strenggenommen „nur eine Uhr“ bzw. Teile einer Uhr. Der aktuelle Stand einer langen Reihe von Entwicklungen immer genauerer Uhren, welche die Menschheit im Laufe der Zeit hervorgebracht hat. Seitdem menschliche Gesellschaften versuchen, miteinander zu kooperieren, faszinierte sie das Thema der Zeitmessung. Heißen wir unsere Einheit des Monats März und die SI-Einheit für die Zeit willkommen: die Sekunde!
Zeitmessung – Von solar bis quantenmechanisch
Die ersten Messgeräte zur Bestimmung der Zeit, also Uhren, waren Sonnenuhren. Die Ausführungen variierten von monumentalen ägyptischen Obelisken bis hin zu kleineren, tragbaren und sogar taschentauglichen Versionen. Solaruhren haben allerdings einige Mängel: Sie funktionieren nur bei Sonnenschein, der Breitengrad und – besonders bei tragbaren Versionen – auch die richtige Orientierung zur Sonne müssen berücksichtigt werden.
Eine weitere historische Methode zur Zeitmessung war die Verwendung von Wasseruhren. Diese maßen die Zeit mithilfe des Wasserflusses, waren somit unabhängig vom Sonnenschein, aber hatten wiederum andere Nachteile: Sie benötigten beispielsweise einen gleichmäßigen Wasserdruck, damit der Durchfluss konstant blieb.
Mechanische Uhren wurden in Europa ab dem 13. Jahrhundert entwickelt. Diese Uhren nutzten mechanische Energie, die in einer Feder oder einem Gewicht gespeichert war. Jahrhundertelange Weiterentwicklungen gipfelten in der Shortt-Uhr, der genauesten Pendeluhr, die je kommerziell hergestellt wurde und zwischen den 1920er und 1940er Jahren den höchsten Ansprüchen an die Zeitmessung genügte.
In den 1930er Jahren begann die Ära der Quarzoszillatoren als Basis für die Messung der Zeit. Quarzkristalle sind piezoelektrisch, ein Wort, das sich von den griechischen Wörtern πιέζω (piézo, pressen oder drücken) und ήλεκτρ (élektro, Bernstein {1}) ableitet. Durch mechanischen Druck wird eine elektrische Spannung am Quarz erzeugt. Auch das Gegenteil trifft zu: Das Anlegen einer Spannung führt zu einer Verformung des Kristalls. Das Anlegen einer Wechselspannung am Quarz verursacht mechanische Vibrationen. Man könnte sagen, dass ein Quarzkristall dabei eine bestimmte „Lieblingsfrequenz“ hat, mit der er schwingt, die sogenannte Eigenfrequenz. Auf diese Eigenfrequenz lässt sich die angelegte Wechselspannung abgleichen. Die so stabilisierte Wechselspannung ist dann das „Zählwerk“ der Uhr. Typische moderne Quarzuhren gehen heute auf etwa eine Sekunde pro Tag genau; die genauesten Quarzuhren gehen innerhalb von 20 bis 30 Jahren nur etwa eine Sekunde falsch.
Noch genauer als Quarzuhren gehen sogenannte Atomuhren. Sie basieren auf Quantenphänomenen in Atomen, die Änderungen von atomaren Energien nur um bestimmte, gestufte Werte (Quanten) zulassen. Diese gestufte (gequantelte) Änderung der Energie geht einher mit dem Aussenden von elektromagnetischer Strahlung mit dazugehörigen festen Frequenzen.
Die erste auf einem Übergang des Cäsium-Isotops 133Cs beruhende Atomuhr wurde 1955 am National Physical Laboratory in Großbritannien gebaut. Das Cäsium-Atom, dessen Frequenz im Mikrowellenbereich etwas über 9 GHz liegt, wird nach wie vor für die Sekundendefinition verwendet (s. u.). Die besten Cäsium-Atomuhren erreichen heute Genauigkeiten, die einer Abweichung von einer Sekunde in 180 Millionen Jahren entsprechen. Verbesserte Uhren, deren Frequenzen im optischen Bereich liegen, befinden sich gerade in der Entwicklung. Erreicht wurden bereits Genauigkeiten, die Abweichungen von einer Sekunde in 30 Milliarden Jahren entsprechen.
Die Definition der Sekunde
Im Rahmen der Meterkonvention {2} war die Sekunde lange Zeit als ein Bruchteil des mittleren Sonnentages definiert, wobei die Definition für den „mittleren Sonnentag“ der Astronomie überlassen wurde. Eine Sekunde betrug demnach 1/86 400 dieses mittleren Sonnentages. 1960 wurde im Rahmen der 11. Generalkonferenz für Maß und Gewicht (CGPM, {3}) die Sekunde als Bruchteil eines tropischen Jahres neu definiert {4}. Nach der neuen Definition dauerte dieses tropische Jahr genau 31 556 925,9747 s.
Nach der Entwicklung von Atomuhren gab es im Jahr 1967 eine neue und konzeptionell gänzlich andere Definition für die Sekunde. Diese Definition galt bis Mai 2019 und lautet:
Die Sekunde ist das 9 192 631 770-fache der Periodendauer der dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes von Atomen des Nuklids 133Cs entsprechenden Strahlung.
Ab dem 20. Mai 2019 wird die Sekunde wie folgt neu definiert:
Die Sekunde, Einheitenzeichen s, ist die SI-Einheit der Zeit. Sie ist definiert, indem für die Cäsiumfrequenz ΔνCs, der Frequenz des ungestörten Hyperfeinübergangs des Grundzustands des Cäsiumatoms 133, der Zahlenwert 9 192 631 770 festgelegt wird, ausgedrückt in der Einheit Hz, die gleich s–1 ist.
Physikalisch-technisch gesehen gibt es keinen Unterschied zwischen den beiden Definitionen. Mikrowellen-Cäsiumstrahlung wird weiterhin mit der gleichen definierten Frequenz als Bezugsgröße für die Dauer einer Sekunde verwendet. Der Wortlaut wurde jedoch so umgestaltet, dass alle Definitionen der SI-Basiseinheiten nach der Neudefinition dem gleichen Konzept folgen: Der numerische Wert der Naturkonstante in Kombination mit bestimmten Einheiten ist festgelegt, daraus ergibt sich die Definition der Einheiten.
Zeit und ihre Messung im heutigen Alltag
Die Messung der Zeit und die Einteilung in Zeitabschnitte ist in unserem Alltag allgegenwärtig:Arbeits- und Schulzeiten, Ladenöffnungszeiten, Fahrpläne, Termine und Verabredungen – alles wird eingefügt auf der Achse der Zeit. Manch alltägliche Anwendungen erfordern eine sehr präzise und weltweit koordinierte Zeitmessung, ohne dass uns das unmittelbar bewusst ist. Wenn es keine genaue Zeitmessung gäbe, würde GPS nicht funktionieren. Auch die Kommunikation über Mobilfunknetze und mittels Internet benötigt präzise abgestimmte Zeitmessungen.
Das World Wide Web feierte Anfang März dieses Jahres seinen 30. Geburtstag. Am 12. März 1989 – also vor über 947203200 Sekunden – wurde am CERN erstmals die Idee für das Software-System vorgestellt, welches heute die Grundlage für „unser Internet“ ist.
Ungefähr 950 Millionen Sekunden später (also heute) werden über das WWW innerhalb einer Sekunde über 900 Fotos auf Instagram hochgeladen, gibt es über 1500 Tumblr-Posts, ca. 3700 Skype-Anrufe, über 8400 Tweets, werden fast 70000 GB Daten geteilt, über 73000 Suchanfragen bei Google gestellt, ca. 78000 Videos auf Youtube angeklickt und fast 3 Millionen Emails verschickt. [Quelle: www.internetlivestats.com]