Ein einzelnes Ion als Thermometer
Messungen mit neuem Verfahren zur Bestimmung der Frequenzverschiebung durch thermische Strahlung an der PTB unterstützen eine mögliche Neudefinition der Sekunde durch optische Uhren
Optische Atomuhren beruhen auf Elektronenübergängen in Atomen oder Ionen. Solche Übergänge heißen auch Quantensprünge, weil dabei ein Elektron von einem Energieniveau auf ein anderes springt. Die Frequenz der Strahlung, die bei einem solchen Übergang entsteht, ist eine Naturkonstante und lässt sich höchst genau messen. Entscheidend ist dabei, dass die Übergangsfrequenz entweder nicht gestört wird oder dass etwaige kleine Verschiebungen der Frequenz mit hoher Genauigkeit gemessen und dadurch korrigiert werden. Eine wichtige Ursache für solche Verschiebungen ist die Wärmestrahlung, die von allen Körpern ausgeht, deren Temperatur sich nicht am absoluten Nullpunkt befindet. Eine besonders kritische Quelle von Wärmestrahlung bei optischen Uhren ist die Ionenfalle, die die Ionen für die Interaktion mit dem Laser an einer festen Stelle hält. Um das thermische Feld, das Ionen in einer Hochfrequenzfalle stört, zu bestimmen, basierten bisherige Arbeiten auf aufwendigen Computersimulationen in Kombination mit Präzisions-Temperaturmessungen. Bei dem von der PTB neu entwickelten Verfahren wird stattdessen das gefangene Ion selbst verwendet, um das thermische Feld genau zu charakterisieren. Dazu verglichen die Forschenden den Referenzübergang für verschiedene Betriebsmodi mit einer unabhängigen optischen Uhr.
Da der Temperaturanstieg in der Umgebung des Ions auf elektrische Verluste zurückzuführen ist, ermöglicht der Betrieb bei unterschiedlichen elektrischen Leistungen eine Extrapolation auf einen Temperaturanstieg von Null Kelvin. Die Forschenden haben dieses einfache Konzept erfolgreich demonstriert und eine auf 88Sr+-Ionen basierende Uhr mit einer auf 171Yb+-Ionen basierenden Uhr auf 17 Stellen genau verglichen. Ihr Ergebnis verbessert nicht nur die Kenntnis der 88Sr+-Uhrenfrequenz um einen Faktor 3, sondern hilft auch bei der Bewertung früherer inkonsistenter Bestimmungen dieser Größe. Solche Messungen sind von besonderer Bedeutung, da sie internationale Übereinstimmung und einen kontinuierlichen Übergang bei einer künftigen Neudefinition der Sekunde unter Verwendung eines optischen Referenzübergangs sicherstellen.
es/ptb
Ansprechpartner
Dr. Nils Huntemann, Leiter der Arbeitsgruppe 4.43 Optische Uhren mit gespeicherten Ionen, Telefon: (0531)592-4430, E-Mail: nils.huntemann(at)ptb.de
Wissenschaftliche Veröffentlichung
M. Steinel, H. Shao, M. Filzinger, B. Lipphardt, M. Brinkmann, A. Didier, T. E. Mehlstäubler, T. Lindvall, E. Peik, N. Huntemann: Evaluation of a 88Sr+ optical clock with a direct measurement of the blackbody radiation shift and determination of the clock frequency. Phys. Rev. Lett. 131, 083002 (2023)