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Kalorimetrische Bestimmung strahlungsqualitätsabhängiger Faktoren kQ von Ionisationskammern in hochenergetischen Elektronenfeldern zwischen 6 MeV und 20 MeV

19.12.2016

Die Bestimmung der Wasser-Energiedosis Dw für hochenergetische Elektronenstrahlung erfolgt typischerweise mit Hilfe von Ionisationskammern, die bei 60Co-Strahlung zur Anzeige der Wasser-Energiedosis kalibriert sind. Die Änderung des strahlungsqualitätsabhängigen Ansprechvermögens der Kammer wird dabei durch den sogenannten kQ Faktor berücksichtigt. Als Parameter zur Kennzeichnung der Strahlungsqualität Q der einfallenden Elektronenstrahlung dient die Halbwerttiefe R50 (in cm) der Wasser-Energiedosis, die auf dem Zentralstrahl bei einem Fokus-Oberflächen-Abstand von 100 cm und einer Feldgröße von mindestens 10 cm × 10 cm an der Phantomoberfläche bestimmt wird.

In Dosimetrie-Protokollen (z. B.: IAEA TRS-398) finden sich die kammerspezifischen kQ-Faktoren bisher als berechnete Werte mit relativen Standardmessunsicherheiten zwischen 1,2 % und 1,7 %. Mit Hilfe eines energieunabhängigen Messverfahrens, wie es die Wasserkalorimetrie darstellt, können die kQ-Faktoren für Elektronenstrahlung direkt experimentell bestimmt werden als Verhältnis der unter Referenzbedingungen gewonnenen Kalibrierfaktoren einer Ionisationskammer bei 60Co-Strahlung, ND,w,Co und bei der Elektronen-Strahlungsqualität R50, ND,w,Q:

kQ = ND,w,Q/ND,w,Co

In der PTB existiert ein Primärnormal-Wasserkalorimeter, das die Einheit der Wasser-Energiedosis bei 60Co-Strahlung unter Referenzbedingungen mit einer relativen Standard-Messunsicherheit von 0,2 % darstellt. Die 60Co-Kalibrierfaktoren ND,w,Co der Ionisationskammern sind rückführbar auf dieses Normal. Mit Hilfe eines weiteren Wasserkalorimeters konnten nun an den medizinischen Linearbeschleunigern der PTB die entsprechenden Kalibrierfaktoren ND,w,Q  für verschiedene  Ionisationskammern (Flachkammer PTW 34001, Zylinderkammern FG 65G, NE2561 und NE2571) im Energiebereich zwischen 6 MeV und 20 MeV (zugehörige Strahlungsqualität R50 zwischen 1,9 cm und 7,5 cm) bestimmt werden.

Die an der PTB verwendeten Wasserkalorimeter werden bei einer Wassertemperatur von 4°C betrieben und sind in der Lage, die durch die Strahlungsabsorption verursachten Temperaturerhöhungen von ca. 0,5 mK sehr genau zu messen. Der daraus abzuleitende Wert für die Wasser-Energiedosis erfordert jedoch die Berücksichtigung zahlreicher Korrektionsfaktoren, z. B. für Wärmeleitungs- oder Feldstörungseffekte, die insbesondere bei der tiefsten Elektronenenergie von 6 MeV deutliche Einflüsse zeigen. Zur experimentellen Bestimmung der kQ Faktoren wird zunächst mit Hilfe des Wasserkalorimeters die Wasser-Energiedosis am Messort in der Tiefe zRef im Wasserphantom bestimmt. Der Messort zRef ist abhängig von der Elektronenstrahlungsqualität R50 und liegt z. B. für 6 MeV Elektronen in 1,9 cm Wassertiefe. Die Durchführung der kalorimetrischen Messungen in dieser Messtiefe erforderte eine veränderte Detektor-Geometrie, bei der die Thermistoren des kalorimetrischen Detektors in einem Abstand von nur ca. 5 mm zur Frontscheibe des Detektors platziert sind. Nach Beendigung der kalorimetrischen Messungen wird, bei geöffnetem Kalorimeter bei Raumtemperatur, eine Ionisationskammer am gleichen Messort zRef in das Wasserphantom des Kalorimeters eingesetzt und unter identischen Bestrahlungsbedingungen kalibriert.

Abbildung:  Relativer Verlauf der kQ Faktoren für die zylindrische Ionisationskammer NE2571. Für den Vergleich mit anderen experimentellen Daten, Ergebnissen aus Monte-Carlo Rechnungen bzw. berechneten Daten aus IAEA TRS-398 sind die jeweiligen Ergebnisse bei R50 = 7,5 cm normiert.

Der kalorimetrisch bestimmte kQ Faktor ergibt sich aus dem Verhältnis der Kalibrierfaktoren der Ionisationskammer bei der Strahlungsqualität R50 und bei 60Co-Strahlung. Bei der Verwendung eines auf diese Weise ermittelten experimentellen kQ Faktors für die Referenzdosimetrie, z. B. gemäß des Dosimetrieprotokolls IAEA TRS-398, muss jedoch evtl. noch eine unterschiedliche Positionierungsvorschrift der Ionisationskammer berücksichtigt werden. Dies ist in der Abbildung, die den relativen Verlauf des gemessenen kQ Faktors in Abhängigkeit von R50 für die zylindrische Ionisationskammer NE2571 zeigt, berücksichtigt. Die relativen Standardmessunsicherheiten der experimentell bestimmten kQ Faktoren liegen zwischen ca. 0,45 % und ca. 0,80 %. Damit lässt sich eine wesentliche Reduktion der Messunsicherheiten im Vergleich zu den tabellierten Werten aus dem Dosimetrieprotokoll IAEA TRS-398 erzielen.