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Berechnung der Organdosis von Patienten für unterschiedliche Quellenmodelle eines medizinischen Computertomographen

11.12.2015

Die derzeit erhobenen Daten von effektiven Patientendosen in der medizinischen Computertomographie (CT) ergeben sich aus der vom CT angezeigten phantombezogenen Messgröße „Dosislängenprodukt“ und den für Standardpatienten berechneten mittleren Konversionsfaktoren [1]. Da sich individuelle Patienten aber durch ihre Körperabmessungen und -gewichte deutlich voneinander unterscheiden, kann die individuelle Patientendosis signifikant von der Standardpatientendosis abweichen. Darüber hinaus verwenden die heutigen CTs neue, Dosis sparende Technologien, wie z. B. die Strommodulation bei der Röhrenrotation um den Patienten oder auch bei der Tischbewegung in Richtung der Patientenlängsachse. Diese werden von der herkömmlichen Art der Dosisbestimmung nur unzureichend erfasst. Aus diesen Gründen ist es wünschenswert, die effektiven Dosen sowohl patienten- als auch scanspezifisch zu ermitteln. Es gibt bereits Simulationsprogramme, die derartig fortgeschrittene Dosisberechnungen innerhalb von wenigen Minuten nach einer CT-Aufnahme ermöglichen, wie z. B. das kommerziell erhältliche Programm mit dem Namen „ImpactMC“ (CT Imaging GmbH, Erlangen) [2].

Eine wesentliche Voraussetzung zur Durchführung solcher Simulationen ist die Kenntnis eines möglichst exakten Modells der im Computertomographen verwendeten Röntgenquelle. Das Aufstellen solcher Modelle erfordert das Wissen über die im CT verbauten Bauteile, die aber von den Herstellern aus Wettbewerbsgründen streng geheim gehalten werden. Um dennoch Quellenmodelle aufstellen zu können, hat die PTB auf der Basis publizierter Arbeiten nichtinvasive Messmethoden entwickelt, die es erlauben, Photonenfluenzspektren und materialäquivalente Formfilter von medizinischen CTs zu charakterisieren [3]. Die auf diese Weise ermittelten sogenannten „äquivalenten Quellenmodelle“ eines CTs wurden jetzt in einer Masterarbeit [4] auf ihre Eignung für die Berechnung von effektiven Patientendosen hin untersucht.

Dazu wurden Ergebnisse von Organdosis-Berechnungen mit dem Programm „ImpactMC“ verglichen, die mit einem realen und einem äquivalenten Quellenmodell erhalten wurden. Die Untersuchungen wurden am CT-Dosimetrie Messplatz der PTB durchgeführt. Die PTB besitzt einen medizinischen CT, dessen Komponenten zur Röntgenstrahlerzeugung (inklusive Filterung und Formfilter) genau bekannt sind und somit die Aufstellung eines realen Quellenmodells erlauben. Die zugehörigen äquivalenten Quellenmodelle des CTs wurden bereits vorher ermittelt [3]. Das Simulationsprogramm verwendet als Patientenmodell die dreidimensionalen Bilder der CT-Aufnahmen von Patienten. Derartige Datensätze wurden der PTB vom Kooperationspartner Klinikum Braunschweig anonymisiert zur Verfügung gestellt. Somit konnten die Organdosen mit den verschiedenen äquivalenten Quellenmodellen und der realen Quelle berechnet und verglichen werden. Die Abbildung 1 zeigt ein Beispiel für eine berechnete dreidimensionale Dosisverteilung in einem Patienten nach einer simulierten CT-Aufnahme. Für die Auswertung der berechneten Dosisverteilungen wurden mit Hilfe des frei verfügbaren Programms „ImageJ“ die Organe Magen, Lunge, Kolon, Herz und Leber per Hand segmentiert, um die zugehörigen Organdosen zu bestimmen.

 

Abb. 1: Die linke Seite zeigt das aus der CT-Aufnahme rekonstruierte Schnittbild (oben) und dreidimensionale Röntgenbild (unten) eines Patienten. Das rechte Bild zeigt farbcodiert die mit
ImpactMC berechnete Dosisverteilung im Patienten nach der CT-Aufnahme. Simuliert wurde ein einfacher sequentieller Scanmodus bei einer Röhrenspannung von 120 kV und einem Röhrenstrom von 100 mA. Die Kollimation betrug 40 mm und es wurden 15 Rotationen in einem Abstand von 40 mm simuliert.

Ein wichtiges Ergebnis der Masterarbeit ist, dass die äquivalenten Quellenmodelle in Bezug auf die Berechnung von Organdosen mit dem verwendeten Simulationsprogramm „ImpactMC“ als adäquater Ersatz für die realen Quellen angesehen werden können. Es wurden Abweichungen gefunden, die weniger als 10 % betrugen, was bei bisher akzeptierten Unterschieden in der Dosis zwischen Standardpatienten und individuellen Patienten von bis zu 50 % durchaus akzeptabel erscheint.

Was aber ist die Ursache für diese Unterschiede? Die Diskrepanzen in den Ergebnissen zwischen realen und äquivalenten Quellenmodellen wurden mit Hilfe eines absoluten Vergleichs von Messungen und Simulationen am CT-Messplatz der PTB untersucht. Es stellte sich zur großen Überraschung heraus, dass die mit den äquivalenten Quellenmodellen berechneten Ergebnisse zum Teil besser zu den gemessenen Werten passten als diejenigen, die mit dem realen Quellenmodell berechnet wurden. Dieses auf den ersten Blick merkwürdig erscheinende Resultat kann damit erklärt werden, dass das Simulationsprogramm die Streustrahlungen aus dem Kollimator und den Formfiltern aus Gründen der Rechenzeit nicht berücksichtigt. Die äquivalenten Quellenmodelle enthalten aber indirekt Informationen über die Streustrahlung, da ihre Bestimmung auf gemessene Werte im realen Röntgenstrahl aufbauen. Es lässt sich deshalb die Vermutung aufstellen, dass die fehlende Berücksichtigung von Streustrahlung in den Formfiltern und am Kollimator in der Simulation durch die äquivalenten Quellenmodelle teilweise kompensiert werden kann. Im Gegensatz dazu gehen bei der Verwendung des realen Quellenmodells nur die geometrische Bauform und die Materialien des Formfilters ein. Somit können die äquivalenten Quellenmodelle als adäquater, wenn nicht sogar bevorzugter Ersatz, zu realen Quellenmodellen angesehen werden, sofern das spezielle Simulationsprogramm „ImpactMC“ verwendet wird. Zur weiteren Überprüfung dieser These sollen entsprechende Simulationsrechnungen auch mit dem Monte Carlo Programm „EGSnrc“ erfolgen, bei denen dann mit und ohne Streustrahlungen aus Kollimator und Formfilter gerechnet wird. Für den klinischen Einsatz am CT ist „EGSnrc“ allerdings nicht geeignet, weil die für die Anwendung benötigten Rechenzeiten in der Größenordnung von einigen Stunden liegen und damit deutlich zu lang sind.

Literatur

  1. Büermann L.:
    Metrologische Aspekte der Dosimetrie in der Röntgendiagnostik
    ,
    PTB-Mitteilungen 123 (2013) Heft 2, S. 8-15
  2. Chen W., Kolditz D., Beister M., Bohle R., and Kalender W.:
    Fast on-site monte carlo tool for dose calculations in ct applications
    ,
    Medical Physics, 39(6), 2012
  3. Alikhani B., Büermann L.:
    Non-invasive experimental determination of a CT source model
    ,
    Physica Medica: European Journal of Medical Physics, in press, Oct. 2015
  4. Sauer T.:
    Berechnung der Organdosis von Patienten für unterschiedliche Quellenmodelle eines medizinischen Computertomographen
    (Masterarbeit),
    TU Ilmenau, Fachbereich Informatik und Informationswissenschaft, Institut für Biomedizinische Technik und Informatik. Braunschweig/Ilmenau, August 2015