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Verbesserung des Strahlenschutzes durch aktualisierte Anforderungen an Schutzkleidungen und Abschirmungen in der Röntgendiagnostik und Nuklearmedizin

19.03.2015

Persönliche Strahlenschutzausrüstungen und Abschirmungen für das Personal und die Patienten in der medizinischen Röntgendiagnostik und der Nuklearmedizin sind z.B. Strahlenschutzschürzen, Strahlenschutzhandschuhe, Strahlenschutzbrillen, Gonadenschutz­schürzen, Hodenschutz, Ovarienschutz und lichtdurchlässige Schutzscheiben, wie z.B. Bleiglasscheiben. Schutzausrüstungen dieser Art müssen den Anforderungen der Normen IEC 61331 Teil 1 bis 3 genügen. Die ersten Editionen dieser Normen wurden 1994 (Teil 1 und 2) bzw. 1998 (Teil 3) publiziert und sind auch in Deutschland in deutscher Sprache als DIN-EN-Normen erschienen. Der Teil 1 behandelt ganz allgemein die Methoden zur Bestimmung von Schwächungseigenschaften von Materialien, der Teil 2 definiert Anforderungen und Kennzeichnungen von lichtdurchlässigen Schutzplatten und der Teil 3 solche für Schutzkleidung und Schutzabschirmungen. Materialien zur Herstellung von Strahlenschutzkleidungen und Abschirmungen basierten zunächst ausschließlich auf bleihaltigen Stoffen, wie z.B. Bleigummi oder Bleiglasscheiben. Zur Kennzeichnung der Schutzwirkung eines Materials hat sich daher der sogenannte „Bleigleichwert“ etabliert. Darunter versteht man die Dicke einer Schicht aus reinem Blei, das, wenn es anstelle des in Betracht kommenden Materials in einem Strahl von festgelegter Strahlungsqualität und unter spezifizierten geometrischen Bedingungen eingesetzt wird, den gleichen Grad an Schwächung ergibt. Gebräuchliche Standard-Bleigleichwerte für Strahlenschutzausrüstungen sind 0,25 mm, 0,35 mm, 0,50 mm und 1,0 mm. Eine besondere Bedeutung für die Praxis in der Röntgendiagnostik haben die Strahlenschutzschürzen, die oft auch einfach als „Röntgenschürzen“ bezeichnet werden. Seit vielen Jahren werden für die Herstellung von Röntgenschürzen neben Bleigummi auch Materialien verwendet, die wenig oder kein Blei enthalten. Diese haben zwei Vorteile: Zum einen kann das Gewicht einer solchen Röntgenschürze deutlich (bis zu 20 %) reduziert werden, zum anderen ist die Entsorgung nach Gebrauchsablauf weniger problematisch. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass die Bestimmung des Bleigleichwertes nach der bisherigen Norm 61331-1:1994 die Schutzwirkung dieser bleireduzierten oder bleifreien Röntgenschürzen für Strahlungsqualitäten bis 150 kV nicht adäquat beschreibt. Die Ursache dafür ist die Vernachlässigung der im Schutzmaterial gestreuten Photonen (Fluoreszenz- und Compton- Photonen) bei der Bestimmung des Bleigleichwertes. Die neuen bleireduzierten oder bleifreien Materialien enthalten Komposite mit großen Anteilen an Elementen mit Kernladungszahlen um Z = 50, wie z.B. Cd, In, Sn, Sb, Cs, Ba or Ce. Diese Elemente haben K-Kanten zwischen 26 und 40 keV und emittieren nach entsprechender Anregung Fluoreszenzstrahlungen in entsprechenden Energiebereichen. Da die Bleigleichwerte nach der bisherigen Norm im schmalen Strahlenbündel gemessen wurden, waren die Fluoreszenzphotonen im gemessenen Signal des geschwächten Strahls nicht enthalten. Dieses Problem kann durch die Verwendung der Geometrie eines breiten Strahlenbündels behoben werden. Diese Art der Messung ist jedoch in der Praxis nur schwer umzusetzen und mit großen Messunsicherheiten behaftet. In der PTB wurde daher ein alternatives Messverfahren entwickelt, welches unter dem Namen „inverse Breitstrahlgeometrie“ publiziert wurde [1,2], inzwischen in der deutschen Norm DIN 6857-1 [3] übernommen und in einer jüngeren Studie [4] auch auf die Verwendung in der internationalen Norm IEC 61331-1 nochmals untersucht wurde. Schließlich wurde diese Methode auch in der jetzt publizierten zweiten Edition der IEC 61331-1 übernommen. Die Anwendung dieser Methode erlaubt nun die adäquate Charakterisierung der Schutzeigenschaften von bleireduzierten oder bleifreien Materialien. Weitere Verbesserungen in den zweiten Editionen der Teile 1 bis 3 sind: Erweiterung des Anwendungsbereiches der Norm auf Photonen-emittierende Radionuklide, Definition besser geeigneter Strahlungsqualitäten für die Prüfungen, Einbeziehung aller Arten von lichtdurchlässigen Strahlenschutzplatten (nicht nur Bleiglas, wie in der alten Edition), Einbeziehung weiterer Schutzausrüstungen wie Schutzhalsband für die Schilddrüsen, Schutzbrillen und Masken für die Augen und Schutzschürzen für den dentalen Röntgenbereich. Zurzeit werden die drei Normen von CENELEC auf die Eignung als EN-Norm überprüft und gleichzeitig in die deutsche Sprache übersetzt. Ist dieses erfolgt, werden sie auch als deutsche DIN-Norm erscheinen und die bisherigen ersten Editionen und die als Übergangsnorm konzipierte Norm DIN 6857-1 ersetzen. Die konsequente Anwendung dieser zweiten Editionen der Normenreihe IEC 61331 bedeutet eine erhebliche Verbesserung des Strahlenschutzes des Personals und der Patienten in der medizinischen Röntgendiagnostik und der Nuklearmedizin.

Literatur

  1.  Büermann, Ludwig:
    Verbessertes Messverfahren zur Bestimmung der Schwächungseigenschaften von Röntgenschutzkleidung
    ,
    PTB Forschungsnachrichten der Abteilung 6 (2006)
  2. Büermann, Ludwig:
    A new method to measure shielding properties of protective clothing materials.

    World Congress on Medical Physics and Biomedical Engineering ; (IFMBE proceedings: 25,3): (2009), [CD-ROM] file name: papers\2503\25030150.pdf, 150 – 153
  3. DIN 6857-1: Strahlenschutzzubehör bei medizinischer Anwendung von Röntgenstrahlen – Teil 1: Bestimmung der Abschirmeigenschaften von bleifreier oder bleireduzierter Schutzkleidung, Beuth-Verlag, Berlin (2009).
  4. Büermann, Ludwig:
    Investigation of a new procedure to measure the lead attenuation equivalent of protective clothing materials including scattered radiation.

    First International Conference on Dosimetry and its Applications, Prague, 23-28, June, 2013, Czech Republic

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