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Monte-Carlo-Simulationen zur Berechnung der Messunsicherheit von Kugelinterferometern

04.10.2010

Im Rahmen des internationalen Avogadro-Projekts (IAC) soll die Avogadrozahl NA genauer als bisher bestimmt werden. Die angestrebte Messunsicherheit hierfür ist 2 ⋅ 10-8. Ein wichtiger Beitrag ist die interferometrische Messung des mittleren Kugeldurchmessers der Siliziumkugeln. Um die vorgegebene Messunsicherheit einzuhalten, soll der mittlere Kugeldurchmesser besser als 0,3 nm bei Kugeldurchmessern von ca. 94 mm bestimmt werden.

Diese Zielvorgabe stellt nicht nur eine große messtechnische Herausforderung dar, sondern soll mittels verlässlicher Simulationen auch auf Realisierbarkeit überprüft werden. Hierzu wird eine quantitative Angabe der Messunsicherheit für die verwendeten Interferometer angestrebt. Diese stellt vor allem eine theoretische Untergrenze dar, die das Experiment ohne eine Verkleinerung der in der Simulation berücksichtigten Einzelunsicherheiten nicht unterschreiten kann. Hinzu kommen weitere experimentelle Unsicherheiten, die im vollständigen Unsicherheitsbudget berücksichtigt werden müssen und nicht Gegenstand dieser Untersuchung sind.

Untersucht wird zum einen das Saunders-Interferometer des National Metrology Institute of Japan (NMIJ) sowie das Kugelinterferometer I der PTB. Die in beiden Systemen über die Variation der Laserwellenlänge eingebrachte Phasenänderung wird vollständig simuliert. Die dabei auftretenden wellenlängenabhängigen Detektor-Intensitäten werden dann mit den jeweils verwendeten Algorithmen bezüglich der Phase ausgewertet. In beiden Systemen befindet sich eine Siliziumkugel in einer Messkavität, die aus zwei Referenzflächen besteht. Diese sind beim NMIJ-Interferometer eben und beim PTB-Interferometer sphärisch. Es findet jeweils eine Leermessung zur Bestimmung des Abstands der Referenzflächen und eine beidseitige Messung mit Kugel statt. Über Differenzbildung wird der Kugeldurchmesser bestimmt. Simuliert wird die Leermessung und lediglich eine einseitige Messung mit Kugel.

Beim japanischen Kugelinterferometer wird ein zentral geführter, unbeschnittener TEM00-Laserstrahl verwendet, welcher in guter Näherung mit einem Gaußstrahl beschrieben werden kann. Sowohl bei der Messung mit Kugel als auch bei der Leermessung treten Beugungseffekte auf, die zu Phasenfehlern führen, welche bekannt sein und als Korrektion berücksichtigt werden müssen. Diese Art Phasenfehler eines ideal justierten Interferometers können noch problemlos mit der konventionellen ABCD-Matrix-Methode ausgerechnet werden.

Wenn aber fehljustierte Systeme untersucht werden, ist diese Methode nicht mehr praktikabel: Für eine Monte-Carlo-Simulation wird ein Gaußstrahlverfolgungs-Algorithmus verwendet, bei dem an jeder optischen Fläche die Strahlparameter des transformierten Gaußstrahls aus der Phasenanpassungsbedingung an der Grenzfläche hergeleitet werden. Die Aussagekraft dieser Methode wird durch die Tatsache untermauert, dass sie z.B. für das ideal justierte japanische Saunders-Interferometer bis auf ca. λ x 10-10 mit der ABCD-Matrix-Methode übereinstimmt und gezielt eingefügte Fehljustierungen keinen schädlichen Einfluss auf das Prinzip der Strahlverfolgung haben können.

In Abb. 1 ist die Häufigkeitsverteilung für den Messuntergrund des Kugeldurchmessers ΔDK einer Monte-Carlo-Simulation mit 105 Durchläufen für das NMIJ-Interferometer aufgetragen. Berücksichtigt werden Fehljustierungen und die Stabilität der Laserfrequenz im Rahmen der bekannten Einzelunsicherheiten. Statistisch ausgewertet ergibt sich ein Wert von ΔDK = -0,6 nm ± 0,4 nm (k=1).

Die für die Simulation günstige Tatsache, dass man es in guter Näherung mit einem Gaußstrahl zu tun hat, gilt für das PTB-Kugelinterferometer nicht. Als sekundäre Lichtquelle dient eine Multimode-Glasfaser, die, durch Vibrationen angeregt, über die Integrationszeit der verwendeten Bildwandler gemittelt keine Störinterferenzen mehr erzeugt. Ferner werden die Aperturen voll ausgeleuchtet, so dass es zu Beschneidungen im Lichtweg und somit Kantenbeugung kommt. Allerdings konnte im Experiment gezeigt werden, dass das Vorhandensein und die Position einer in den Strahlengang eingebrachten deutlich kleineren Apertur, keinen messbaren Einfluss auf die Kugeldurchmessermesswerte haben. Der Einfluss von Kantenbeugung kann somit vernachlässigt werden.

Um die Art der Beleuchtung zu simulieren wird eine inkohärente Überlagerung vieler Punktlichtquellen verwendet. Mittels differentieller Strahlverfolgung wird die ABCD-Matrix eines fehljustierten Interferometers bestimmt, deren A-,B-,C- und D-Elemente wiederum 2x2-Matrizen sind. Die A-,B- und D-Matrizen werden in das verallgemeinerte Collins-Integral in Tensorform eingesetzt. Da es sich allerdings jeweils um Punktlichtquellen handelt, entfällt die Integration des Eingangsfeldes. Viele zufällig im Bereich der Faserendfläche verteilte Punktlichtquellen ergeben inkohärent addiert schließlich die Intensität auf dem Detektor. Diese Methode, angewendet auf ein ideal justiertes Interferometer, liefert nahezu identische Resultate wie eine herkömmlich abgeleitete 2x2-ABCD-Matrix desselben Interferometers eingesetzt in das Collins-Integral für rotationssymmetrische Systeme.

Abbildung 2 zeigt die Häufigkeitsverteilung der Abweichung vom Messuntergrund des Kugeldurchmessers δΔDK einer Monte-Carlo-Simulation mit 104 Durchläufen für das PTB-Interferometer. Der Messuntergrund ΔDK ist eine räumliche Verteilung im Bereich 0,4 nm. Für jeden einzelnen Durchlauf der Monte-Carlo-Simulation wird von der erhaltenen Verteilung ΔDK’ die des ideal justierten Interferometers ΔDK subtrahiert und der Mittelwert der Differenz gebildet. Statistisch ausgewertet ergibt sich aus der dargestellten Verteilung ein Wert von δΔDK = 0,03 nm ± 0,09 nm (k=1).

Häufigkeitsverteilung für den Messuntergrund des Kugeldurchmessers ΔDK einer Monte-Carlo-Simulation mit 105 Durchläufen für das NMIJ-Kugelinterferometer

 

Häufigkeitsverteilung der Abweichung vom Messuntergrund des Kugeldurchmessers δΔDK einer Monte-Carlo-Simulation mit 104 Durchläufen für das PTB-Kugelinterferometer


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