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Radienmessung mit deutlich verringerter Unsicherheit

31.12.2005

Initiiert durch Bedürfnisse industrieller Kunden wurde ein Messplatz aufgebaut, um die Radien von Kugelabschnitten im Bereich von ca. 30 mm bis 1000 mm messen zu können. Die messtechnische Herausforderung liegt hierbei darin, dass keine Vollkugel zur Verfügung steht, sondern nur ein Kugelabschnitt erheblich geringerer Fläche.

Für die Messungen wurde ein vorhandenes Fizeau-Interferometer (Typ Zeiss Direct 100) erweitert. Das parallel aus dem Interferometer austretende Messlicht wird durch ein Objektiv in eine Kugelwelle umgewandelt. Diese läuft auf einen Fokuspunkt zu und ändert dabei entsprechend der Entfernung auf der optischen Achse des Systems ihren Radius. In zwei ausgezeichneten Messpositionen wirft nun ein eingebrachter Prüfling die Kugelwelle in sich selbst zurück. In der einen entspricht der Prüflingsradius dem Radius der Kugelwelle. In der anderen Messposition steht die Prüflingsoberfläche im Fokus der Kugelwelle. Der Prüflingsradius ergibt sich aus der Differenz dieser beiden Entfernungen (Bild 1). Die Entfernungen werden mittels eines längenmessenden Laserinterferometers bestimmt, das unter Berücksichtigung des Abbe-Prinzips in den Messaufbau integriert wurde (Bild 2). Parallel zur Messung des Radius wird die Luftbrechzahl als Korrekturgröße für das Längenmessinterferometer mit einem Luftbrechzahlmessgerät bestimmt.

Je kleiner die Fläche des Kugelabschnitts im Verhältnis zur gesamten Kugeloberfläche ist, desto unempfindlicher reagiert die Messmethode auf Defokussierungen. Durch eine spezielle Auswertung konnte die Unsicherheit dieser Einflussgröße auf einen Wert von ca. einem Mikrometer (bei k = 1) reduziert werden. Die Unsicherheit der Radienmessung an optischen Funktionsflächen konnte damit gegenüber klassischen (Ring-)Sphärometern um einen Faktor von mehr als 10 verringert werden und ermöglicht damit industriellen Kunden die notwendige Rückführung ihrer Messanlagen.

Gleichzeitig kann die Abweichung der Prüflingsoberfläche von der Kugelform mit einer Unsicherheit von nur wenigen Nanometern erfasst werden. (M. Schulz, AG 4.21 Form- und Wellenfrontmetrologie, Michael.Schulz(at)ptb.de)


Bild 1: Prinzip der Radiusmessung einer Kugelfläche. Der Prüfling ist in den beiden ausgezeichneten Messpositionen dargestellt.


Bild 2: Fotografie des Messaufbaus. In der linken Hälfte des Bildes gelangt das Licht des Interferometers durch das Objektiv auf den Prüfling (verdeckt durch seine Halterung). In der rechten Hälfte sind das Längenmessinterferometer und der zugehörige Retroreflektor zu sehen, der starr mit der Prüflingshalterung verbunden ist.