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Stochastische Nanostrukturierung ermöglicht breitbandige Entspiegelung von Kunststoffoptiken

31.12.2006

Polymethylmethacrylat (PMMA), bekannter unter den Handelsnamen „Plexiglas“ oder auch als Acrylglas ist ein synthetischer, glasähnlicher thermoplastischer technischer Kunststoff. Gläser und Polymere zeigen bei senkrechtem Lichteinfall auf Grund des Brechungsindexsprunges von etwa 1,5 die bekannte Grenzflächenreflexion von etwa 4 %. Mit steigendem Einfallswinkel steigt die Grenzflächenreflexion an. Diese oft sehr störenden Grenzflächenreflexionen können reduziert werden durch Aufdampfen einer Antireflex-Schicht bestehend aus einem Multilayersystem oder - alternativ - durch periodische („Mottenaugen“) oder stochastische Strukturierung der Grenzfläche [1].

Das Aufbringen eines Multilayersystems ist bei Polymeroptiken allerdings schwieriger als bei Gläsern, da Polymere thermisch nicht sehr stabil sind. Will man Polymerflächen entspiegeln, deren Oberflächen anschließend eingehaust werden, bietet sich daher die Möglichkeit der Nanostrukturierung der Oberflächen an.

Fresnel Optics GmbH hat ein Plasma-Ätzverfahren zur Erzeugung einer stochastischen Antireflexstruktur an Polymeroberflächen realisiert. Das Verfahren basiert auf einem Patent des Fraunhofer Instituts IOF in Jena [2]. Die Polymeroberfläche wird dabei energiereichen Ionen eines Plasma ausgesetzt. Dadurch entstehen Oberflächen mit unregelmäßiger Nanostruktur, die unter dem Handelsnamen PlasmAR® am Markt eingeführt wurden. Eine Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme (REM) der Oberfläche mit der typischen Noppenstruktur zeigt Abb. 1. Von diesen so hergestellten Polymeren können durch galvanische Abformung Prägestempel hergestellt werden [3], die dann in einem Formgebungsverfahren eingesetzt werden.

Die Messungen der Grenzflächenreflexion wurden in der PTB mit einer integrierenden Ulbricht-Kugel ausgeführt, so dass auch die diffus gestreuten Anteile nahezu vollständig erfasst werden. Abb. 2 zeigt als Beispiel die spektrale Reflexion einer unbehandelten und einer strukturierten PMMA-Oberfläche im Vergleich.


REM-Aufnahme einer strukturierten PMMA-Oberfläche


Spektrale Reflexion einer glatten und einer strukturierten PMMA-Oberfläche

Abb. 3 zeigt REM-Aufnahmen von PMMA-Oberflächen, die mit unterschiedlichen Prozessparametern erzeugt wurden. Es entstehen dabei unterschiedlich tiefe und breite stochastische Nanostrukturen, die eine mehr oder weniger gute Reduzierung der Grenzflächenreflexion aufweisen (siehe Abb. 4). Bei einigen Proben erkennt man eine ausgeprägte Abhängigkeit der Reflexion von der Wellenlänge. Diese Untersuchungen hatten das Ziel, optimale Prozessparameter zu ermitteln.


Rasterelektronenmikroskop-Aufnahmen unterschiedlich strukturierter PMMA-Oberflächen


Spektrale Reflexion der Oberflächen aus Abb. 3

Die Abb. 5 und 6 zeigen die spektrale Reflexion einer typisch strukturierten PMMA-Oberfläche bei unterschiedlichen Einfallswinkeln für transversal elektrisch (TE)- und transversal magnetisch (TM)-polarisierte Strahlung. Die Reflexion nimmt bei größeren Einfallswinkeln zu, und zwar für die TE-Polarisation stärker als für die TM-Polarisation. Man erkennt außerdem eine ausgeprägte Wellenlängenabhängigkeit.

Anhand der REM-Aufnahmen wurde versucht, typische Dimensionen der Nanostrukturen zu ermitteln. Um die mittlere Höhe der Noppen zu bestimmen, wurde die Probe relativ zum Elektronenstrahl definiert verkippt. Aus dem Projektionsbild lassen sich typische Höhen der Noppen von etwa 200 nm abschätzen. Der Durchmesser der Noppen bzw. der Löcher wurde mittels einer zweidimensionalen Autokorrelationsanalyse zu rund 60 nm bzw. 40 nm abgeschätzt.

Spektrale Reflexion bei unterschiedlichen Einfallswinkeln für TE-polarisiertes Licht


Spektrale Reflexion bei unterschiedlichen Einfallswinkeln für TM-polarisiertes Licht

Es wurden erste rigorose Berechnungen der spektralen Reflexion an strukturierten Oberflächen mit einem Finite-Elemente-Verfahren [4] durchgeführt. Obwohl bislang nur sinusförmig modulierte Oberflächen simuliert wurden, zeigen die Rechnungen den Trend der Reflexionsminderung deutlich an.

Es ist geplant, diese theoretischen Modellierungen für stochastische Oberflächenstrukturen unter Variation von Parametern (Einfallswinkel, Polarisation) durchzuführen und mit den experimentellen Ergebnissen zu vergleichen.


Literatur

[1] U. Schulz: „Review of modern techniques to generate antireflective properties on thermplastic polymers“, Applied Optics, Vol. 45 (7), 1608-1618 (2006).

[2] P. Munzert et al.: „Verfahren zur Reduzierung der Grenzflächenreflexion von Kunststoffsubstraten“, Patent DE10241708, (2004).

[3] U. Schulz, P. Munzert, N. Kaiser, W. Hofmann, M. Bitzer, M. Gebhardt: „Verfahren und Werkzeug zur Herstellung transparenter optischer Elemente aus polymeren Werkstoffen“, Patent DE 10318566.

[4] A. Rathsfeld: „DIPOG-2.0. User Guide. Direct Problems for Optical Gratings over Tri-angular Grids“, WIAS Technical Report No. 7, (2004).