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Breitbandige Entspiegelung von Kunststoffoptiken durch Nanostrukturierung

31.12.2007

Zusammenfassung

Durch eine geeignete stochastische Strukturierung von PMMA-Oberflächen im Subwellenlängenbereich kann die Grenzflächenreflexion optischer Strahlung von rund 4 % auf etwa 0,5 % reduziert werden [1]. Für das Verständnis dieses Effekts fehlen jedoch entsprechende theoretische Modelle. Anhand von elektronenmikroskopischen Aufnahmen der Oberflächenstrukturen wurde ein parametrisiertes 2D-Modell der stochastischen Oberfläche abgeleitet. Die Wechselwirkung der optischen Strahlung mit den Oberflächenstrukturen wird mit einer so genannten „rigorosen“ Modellierung (numerische Lösung der Maxwell-Gleichungen) quantitativ beschrieben. Ergebnis der Rechnungen ist der Reflexionsgrad in Abhängigkeit von Struktur- und Beleuchtungsparametern. Es wird u. a. gezeigt, wie sich die Höhe der Strukturierung oder der Einfallswinkel auf die Grenzflächenreflexion auswirkt.


1 Einführung

Polymere zeigen bei senkrechtem Lichteinfall auf Grund des Brechungsindex-Sprunges von 1 (Luft) auf etwa 1,5 (PMMA) die bekannte Grenzflächenreflexion von etwa 4%. Diese oft störenden Grenzflächenreflexionen können entweder durch Beschichtung der Oberfläche mit einem Multilayersystem oder durch periodische (Mottenaugen) bzw. stochastische Strukturierung der Grenzfläche reduziert werden [1].

Die Firma Fresnel Optics GmbH hat basierend auf einer Erfindung des Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik (IOF, Jena) ein Plasma-Ätzverfahren zur Erzeugung von stochastischen Antireflexstrukturen an Polymeroberflächen realisiert [2]. Die Polymeroberfläche wird dabei energiereichen Ionen eines Plasmas ausgesetzt. Dadurch entstehen Oberflächen mit unregelmäßiger Nanostruktur und verminderter Grenzflächenreflexion [3], die unter dem Handelsnamen PlasmAR® am Markt eingeführt wurden. Ein wesentlicher Vorteil dieses Verfahrens ist, dass es auf beliebig geformte Oberflächen wie z.B. Mikrolinsen oder Fresnellinsen angewendet werden kann.

Während es für Multilayersysteme und periodische Strukturierungen gute Modelle gibt, die die optische Wirkung beschreiben, fehlen entsprechend gute Modelle für die stochastisch strukturierten Oberflächen. Das Modell der effektiven Medien, das einen Brechungsindexverlauf (gesteuert über den geometrischen Füllfaktor) von Luft zu PMMA verwendet, berücksichtigt z. B. nicht die Stochastik der Strukturen (variierende Abstände) und auch nicht die Details der Strukturgeometrie [4].

Abb.1 zeigt exemplarisch eine elektronenoptische Aufnahme solch einer stochastisch nanostrukturierter Oberfläche. Man erkennt die typisch stochastische Struktur z. B. die unterschiedlichen Noppen- oder Lochgrößen sowie unterschiedliche Strukturabstände. Eine spektralphotometrische Messung dazu ist in Abb. 2 dargestellt. Sie zeigt die breitbandige Reflexionsminderung solch einer stochastisch strukturierten Oberfläche.


Abb.1: REM-Aufnahme einer typisch nanostrukturierten PMMA-Oberfläche.


Abb.2: Spektralphotometrische Messung der Reflexion einer unstrukturierten und einer strukturierten Probe.

Aufgrund der derzeit noch bestehenden Limitierungen (Rechen- bzw. Speicherkapazitäten) bei der rigorosen optischen Modellierung stochastischer 3D-Strukturen werden die Simulationen für stochastische 2D-Oberflächen durchgeführt (Oberflächenmodulation nur in einer lateralen Richtung).


2 Modellierung der Grenzflächenreflexion

Für die rigorose FE-Modellierung wird aus den REM-Aufnahmen ein einfaches geometrisch stochastisches Modell abgeleitet, das in Abb. 3 dargestellt ist. Die entsprechenden Größen wie Noppendurchmesser, Noppenhöhe, Lochtiefe und Abstände der Noppen sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Die gesamte Höhe der Strukturen ergibt sich aus Noppenhöhe und Lochtiefe. Die Abstände A der Noppen wird durch eine Zufallsgröße beschrieben, die normalverteilt mit einem Erwartungswert von µ = 200 nm und einer Standardabweichung von σ = 120 nm ist.

 

Noppendurchmesser oben20nm
Noppendurchmesser unten80nm
Noppenhöhe200nm
Lochtiefe150nm
Abstände der Noppen ANormalverteilt mit
µ = 200nm
σ = 120nm

Tab.1: Modelldaten der Geometrie der nanostrukturierten Oberflächen.


Abb.3: Stochastisches Modell der nanostrukturierten Oberfläche.

Zur Berechnung des Beugungsspektrums wird das rigorose 2D-FEM-Softwarepaket „Dipog“ vom Weierstraß-Institut für angewandte Analysis und Stochastik in Berlin [5] eingesetzt. Vorraussetzung ist - wie bei den meisten rigorosen Programmen - eine periodische Fortsetzung der Strukturen. Die Geometrie für die FEM-Berechung ist in Abb. 4 zu sehen. Für die Gesamtreflexion wird über die Beugungseffizienzen aller reflektierten Beugungsordnungen summiert. Um eine hinreichende Rechengenauigkeit für das Beugungsspektrums und nicht zu hohe Rechenzeiten zu erhalten, wird hier eine Gitterperiode von 5 µm gewählt. Ein Beispiel einer Stichprobe mit zugehöriger Triangulation ist in Abb. 5 dargestellt. Um genaue Aussagen zu erhalten, muss entsprechend über viele Stichproben gemittelt werden.


Abb.4: Geometrie für die FEM-Berechnung.


Abb.5: Beispiel einer Stichprobe mit FEM-Triangulation und einer Gesamtperiode von 5 μm.

2.2 Ergebnisse

a) Reflexion bei senkrechter Einstrahlung

Die Reflexion an 100 Stichproben für senkrechten Lichteinfall bei einer Wellenlänge von 546 nm sowohl für s- als auch für p-Polarisation ist in Abb. 6 dargestellt. Man erhält für s-Polarisation eine Reflexion von 0,49% 0,02% und für p-Polarisation eine Reflexion von 0,34% 0,01%, insgesamt also eine Reduktion auf unter 0,5%. Die Schwankungen der berechneten Reflexionswerte variieren mit dem Stichprobenumfang. Der Unterschied zwischen den Ergebnissen für s- und p-Polarisation selbst bei senkrechtem Lichteinfall liegt an dem zugrunde liegenden 2D-Modell, da die stochastische Strukturierung nur entlang einer lateralen Richtung modelliert wurde.


Abb.6: Berechnete Reflexion von 100 Stichproben bei senkrechtem Lichteinfall und einer Wellenlänge von 546 nm für s- und p-Polarisation.

b) Reflexion in Abhängigkeit von der Strukturhöhe

In Abb. 7 ist die Abhängigkeit der Reflexion von der Strukturhöhe (Noppenhöhe plus Lochtiefe) bei verschiedenen Wellenlängen dargestellt. Es ist zu sehen, dass für alle 3 berechneten Wellenlängen (408 nm, 546 nm, 725 nm) die Reflexion mit zunehmender Strukturhöhe abnimmt. Für Strukturhöhen größer als 300 nm (entspricht etwa λ/2) ist keine weitere Reflexionsverminderung zu erreichen.


Abb.7: Reflexion bei senkrechtem Lichteinfall in Abhängigkeit von der Strukturhöhe (Noppenhöhe plus Lochtiefe; dargestellt ist der Mittelwert (aus jeweils 20 Stichproben) aus den Ergebnissen für s- und p-Polarisation.

2.3 Abhängigkeit vom Einfallswinkel

Ein Vorteil der stochastisch nanostrukturierten Oberflächen ist, dass diese auch für größere Einfallswinkel gute Antireflexwirkungen zeigen. Aus Abb. 8 ist zu entnehmen, dass bis zu einem Einfallswinkel von 45° die Reflexion breitbandig unter 1% reduziert werden kann. Dies ist in guter Übereinstimmung mit experimentellen Messungen.


Abb.8: Reflexion für unpolarisiertes Licht bei unterschiedlichen Einfallswinkeln (0°, 15°, 30°, 45° und 60°); dargestellt ist der Mittelwert (aus jeweils 10 Stichproben) aus den Ergebnissen für s- und p-Polarisation.


3 Ausblick

Es konnte durch die rigorose Modellierung gezeigt werden, dass Strukturhöhen im Bereich der halben Wellenlänge benötigt werden, um effizient die Grenzflächenreflexion zu reduzieren. Das stochastische Modell liefert - in guter Übereinstimmung mit den experimentellen Messungen - sowohl die breitbandige Antireflexwirkung als auch die Abhängigkeit der Reflexion vom Einfallswinkel. Zukünftig soll das Modell auch auf 3D-Geometrien erweitert werden, um damit die experimentell ermittelte Abhängigkeit der Antireflexionswirkung von der Polarisation der einfallenden Strahlung modellieren zu können. Gerade der letzte Aspekt ist im Hinblick auf Anwendungen des Verfahrens auf stark gekrümmten Oberflächen wie z.B. diffraktiven Bauelementen oder Mikrolinsen wichtig.


Literatur:

[1] U. Schulz, Review of modern techniques to generate antireflective properties on thermoplastic polymers, Applied Optics, Vol. 45 (7), 1608-1618 (2006)

[2] M. Bitzer, J. Zosel, M. Gebhardt, Replication and surface enhancement of micro structured optical components, Proc. SPIE Vol. 5965, 10-16 (2005)

[3] G. Ehret, E. Buhr, M. Gebhardt, H.-M. Bitzer, Reduzierung der Grenzflächenreflexion von PMMA durch stochastische Strukturierung, DGaO-Proceedings 2006, www.dgao-proceedings.de/download/107/107_p18.pdf, (2006)

[4] R. Leitel, J. Petschulat, A. Kaless, U. Schulz, O. Stenzel, N. Kaiser, Optical properties of stochastic subwavelength surface structures, Proc. Spie Vol. 59651O, 1-10 (2005)

[5] A. Rathsfeld, DIPOG-2.0. User Guide. Direct Problems for Optical Gratings over Triangular Grids, WIAS Technical Report No. 7, www.wias-berlin.de/publications/ technicalreports/7/ wias_technicalreports_7.pdf, (2004)