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Zuverlässige Automobilelektronik durch Eigenspannungsanalyse

13.10.2009

Sicherheitssysteme, Komfortfunktionen und der Energiehaushalt werden in modernen Automobilen mit Hilfe von Sensoren gesteuert. An den verschiedenen Einbauorten, wie z. B. im Radlager, im Motorraum oder in der Abgasanlage müssen die Sensoren durch ein robustes Gehäuse vor harten mechanischen und klimatischen Belastungen geschützt werden. Der Verpackungsprozess verursacht jedoch aufgrund der unterschiedlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten der im Bauelement verwendeten Materialien bleibende mechanische Spannungen. Diese Eigenspannungen können zum Bruch des Sensors und zum vorzeitigen Ausfall der Elektronik führen.
Für eine zuverlässige und damit sichere Automobilelektronik muss der Verpackungsprozess optimiert werden. Dazu ist im BMBF-Verbundvorhaben „iForceSens“ ein Kraftmesschip entwickelt worden. Er wird direkt in den Produktionsablauf eingeschleust und ermittelt die Krafteinwirkung über den piezoresistiven Effekt.
Die Verifikation dieses elektronischen Messverfahrens erfolgt im Teilvorhaben der PTB mittels röntgenographischer Spannungsanalyse. Die Spannungsfelder sind röntgenographisch nicht direkt messbar, können aber mit Hilfe der elastischen Konstanten aus den experimentell zugänglichen Dehnungsfeldern berechnet werden. Zur Bestimmung des dreidimensionalen Dehnungstensors werden die Winkel der Braggreflexion von mindestens sechs nicht-äquivalenten Netzebenen der Probe ortsaufgelöst an typ. 15 Stellen analysiert.
Die Röntgenbeugung ist eine etablierte Messmethode in der zerstörungsfreien Werkstoffanalyse. Einen völlig neuen Aspekt stellt die Charakterisierung von Kristallen dar, deren Oberfläche optisch und mechanisch nicht zugänglich ist.

Spritzgussverpackter KFZ-Sensor

Bild 1: Spritzgussverpackter KFZ-Sensor (Drehzahlsensor, Anwendung: ABS, ASR, ESP) links: Fotographie, rechts: Durchleuchtungsaufnahme

Zur Bestimmung der Spannungsfelder im einkristallinen Siliziumsubstrat verpackter Chips hat die PTB Arbeitsgruppe 4.33 ein spezielles Mikrodiffraktometer realisiert.
Ein Hexapod als Probenhalter in einem konventionellen Vier-Kreis-Diffraktometer bietet einen variablen Probenraum für beliebig geformte Sensorgehäuse. Röntgenstrahlung höherer Energie (z.B. 17 keV) durchdringt die Spritzgussverpackung und ist somit als Sonde geeignet. Durch die Kombination einer Mo-Kα-Mikrofokusquelle und einer Glaskapillaroptik (siehe Jahresbericht 2007) werden typische Reflexintensitäten von 500 Photonen pro Sekunde erreicht. Die Ortsauflösung entspricht 160 µm.
Die röntgenographische Spannungsmessung zeigt eine gute qualitative Übereinstimmung mit den erzielten Daten des Kraftmesschips. Repräsentativ sind in Bild 2 die Messergebnisse für eine Normalspannungskomponente in der Chipebene gegenübergestellt.

Eigenspannung in x-Richtung

Bild 2: Eigenspannung in x-Richtung links: Messung des piezoresistiven Kraftmesschips (2,8 mm × 1,7 mm, 60 Messzellen), rechts: Röntgenmessung (2,2 mm × 1,1 mm, 3 ×5 Messpunkte)

Beide Ergebnisse zeigen eine unsymmetrische Verteilung der Eigenspannung in x-Richtung mit einem Minimum entlang der oberen langen Chipkante. Die aus Wiederholungsmessungen abgeschätzte Messunsicherheit der Röntgenbeugungsanalyse beträgt ±10 MPa.
Der Kraftmesschip ist schnell und ermöglicht sogar eine Messung während des Verpackungsprozesses. Mit dieser Methode können Aussagen über die Komponenten in der Chipebene getroffen werden, nicht jedoch senkrecht dazu. Die programmgesteuert ablaufende Röntgenbeugungsanalyse ist mit 7 Stunden pro Messpunkt zwar sehr zeitaufwendig, aber die Ziele des Teilvorhabens - die Messung des vollständigen Spannungstensors und die Verifikation der piezoresistiven Messungen- wurden erreicht.



Ansprechpartner:
Name:Ulrich Kuetgens
Fachbereich:4.3, Quantenoptik und Längeneinheit
Arbeitsgruppe:4.33, Röntgenoptik