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Photoassoziation von Calcium-Atomen an hochverbotener Linie

04.01.2013

Die Erdalkalielemente, welche über zwei Valenzelektronen verfügen, zeichnen sich durch schmale Interkombinationslinien zwischen dem Singulett Grundzustand 1S0 und dem tiefsten angeregten Triplett-Zustand 3P aus. Diese Linien erlauben Präzisionsexperimente wie Atominterferometrie und Sub-Hz-Spektroskopie  und prädestinieren diese Elemente  für Anwendungen wie beispielsweise optische Atomuhren. Ca zeichnet sich gegenüber den bisher intensiv untersuchten Elementen Sr und Yb durch eine bei weitem schmalere Linienbreite von lediglich 370 Hz bei dem Übergang 10-3P1 aus [1].

Im Zusammenhang mit den PTB-Arbeiten quantenentartetem 40Ca soll die schmale Linie genutzt werden, um die Streulänge, welche ein Maß für das Streuverhalten der Atome ist, durch sogenannte "optische Feshbachresonanzen" manipulieren zu können [2]. Aufgrund der schmaleren Linie bei gleicher Verstimmung dürfen deutlich geringere Verluste als bei den entsprechenden Experimenten mit Sr und Yb erwartet werden, welche dadurch in der möglichen Wechselwirkungszeit begrenzt sind. Für diese Experimente ist eine genaue Kenntnis der Wechselwirkung zwischen den Atomen erforderlich.

Eine Methode, diese Information zu erlangen, besteht in der Anregung von Paaren kalter ungebundener Calciumatome durch passende Laserstrahlung in einen gebundenen Molekülzustand des Calcium-Dimers Ca2 [3]. Die Lage dieser sog. Photoassoziationslinien erlaubt Rückschlüsse auf die Wechselwirkungspotentiale zwischen den Atomen. Als ersten Schritt auf dem Weg zur Anwendung optischer Feshbachresonanzen in Ca haben wir die bis dahin unbekannte Anregungsenergie und Kopplungsstärke der am schwächsten gebundenen Vibrationsniveaus der relevanten Molekülpotentiale durch Photoassoziation vermessen.

Dazu werden Ca-Atome in einer magneto-optischen Falle gefangen und mittels Laserlicht bis auf circa 12 mK vorgekühlt. Anschließend werden sie in eine gekreuzte Dipolfalle umgeladen und durch Verdampfen der energiereichten Atome weiter gekühlt. Auf diese Weise konnten die Atome bereits früher auf bis zu 100 nK herabgekühlt werden und zur Bose-Einstein Kondensation gebracht werden [4].  Zum Anregen von gebundenen Molekülzuständen bei der Photoassoziation sind niedrige Temperatur und hohe Dichten unerlässlich. Durch die Wahl einer geeigneten Verdampfungsdauer und Optimierung anderer Parameter war es möglich, bis zu 200 000 Atome bei Temperaturen von circa 1 mK bei gleichzeitig sehr hohen Dichte zu fangen. In diese Wolke kalter Atome wurde präzise abstimmbares Laserlicht für ca. 1 Sekunde eingestrahlt. Bei passender Verstimmung wird ein Atompaar in ein gebundenes Vibrationsniveau eines Moleküls, das aus einem Atom im Grundzustand und einen Atom im angeregten Triplettzustand besteht, angeregt (Bild 1). Der dadurch entstandene Verlust der Atome in der Dipolfalle wird detektiert um die entsprechenden Linien zu spektroskopieren (Bild 2).

Es konnten jetzt in beiden Molekülpotentialen jeweils die drei am schwächsten gebundenen Molekülzustände gefunden, genau vermessen und theoretisch beschrieben werden. Dazu wurde ein Frequenzbereich von 26 GHz unterhalb der atomaren Resonanz spektroskopiert. Bild 2 zeigt die auftretenden Fallenverluste der drei am schwächsten gebundenen Vibrationsniveaus in einem konstanten, externen Magnetfeld.

Schematische Darstellung der Photoassoziation aus dem Grundzustand in ein gebundenes Vibrationsniveau eines Moleküls, das aus einem Atom im Grundzustand 1S­ und einem Atom im angeregten Zustand 3P1 besteht. Je nach Projektion der gekoppelten Drehimpulse ergeben sich aus der atomare Asymptote die beiden Molekülpotentiale a 3u und c 3u.

Die Abnahme der Zeemanaufspaltung und damit des effektiven Landé-Faktors bei tiefer gebundenen Zuständen zeigt die Veränderlichkeit vom atomaren Fall hin zu einer geringeren Aufspaltung im sogenannten Hund`schen Kopplungsfall c in einem Molekül je nach Tiefe des Vibrationsniveaus im Potential und damit einhergehenden abnehmenden Kernabstand.

Durch die Kenntnis der bis dahin unbekannten Lage der Linien ist es nun möglich sie für optische Feshbachresonanzen zu nutzen, und damit die Streulänge als Maß für das Streuverhalten je nach Verstimmung nahe an einer Resonanz zu ändern. Ihre durch den hochverbotenen Übergang sehr schmale Linienbreite erlaubt es beim Calcium sehr nah an die Resonanz heranzugehen, ohne Atome durch ein tatsächliches Anregen zu verlieren. Damit lässt sich die Streulänge über einen großen Bereich verändern, und damit die Wechselwirkung zwischen den Atomen abstoßend, anziehend oder sehr klein einzustellen.

Verluste in der Atomzahl in der gekreuzten Dipolfalle durch Photoassoziation als Funktion der Frequenzverstimmung des eingestrahlten Spektroskopielasers in einem externen Magnetfeld von 0,28 mT. Die Frequenz ν0 bezeichnet den jeweiligen Frequenzabstandes des gebundenen Vibrationsniveaus relativ zur atomaren Asymptote.


Literatur:

[1]       C. Degenhardt, H. Stoehr, C. Lisdat, G. Wilpers, H. Schnatz, B. Lipphardt, T. Nazarova, P.-E. Pottie, U. Sterr, J. Helmcke and F. Riehle, Calcium optical frequency standard with ultracold atoms: Approaching 10-15 relative uncertainty, Phys. Rev. A, 72, 062111 (2005)

[2]        P. O. Fedichev, Y. Kagan, G. V. Shlyapnikov and J. T. M. Walraven, Influence of Nearly Resonant Light on the Scattering Length in Low-Temperature Atomic Gases, Phys. Rev. Lett. 77, 2913 (1996)

[3]        R. Ciuryło, E. Tiesinga, S. Kotochigova and P. S. Julienne, Photoassociation spectroscopy of cold alkaline-earth-metal atoms near the intercombination line, Phys. Rev. A 70, 062710 (2004)

[4]        S. Kraft, F. Vogt, O. Appel, F. Riehle and U. Sterr, Bose-Einstein condensation of alkaline earth atoms: 40Ca, Phys. Rev. Lett. 103, 130401 (2009)