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Frequenzumrichtergespeiste Antriebe

Explosionsschutzkonzept für umrichtergespeiste Antriebe der Zündschutzart "Erhöhte Sicherheit"


Frequenzumrichtergespeiste Antriebe erobern sich in der industriellen Antriebstechnik aufgrund der mit ihrem Einsatz verbundenen Vorteile gegenüber netzgespeisten Motoren immer breitere Einsatzgebiete. Wesentliche Vorteile sind dabei die große Energieeinsparung beim Antrieb von Strömungsmaschinen, die Steigerung der Produktqualität durch Optimierung des Produktionsprozesses, die Verlängerung der Anlagenlebensdauer und eine Verringerung der Netzrückwirkungen durch Spannungseinbrüche beim Hochlauf größerer Motoren. Durch den oftmals möglichen Verzicht auf ein Getriebe ergeben sich weitere Einsparungen an Kosten und Wartungsaufwand.Gerade in der Chemie und Petrochemie erfordern viele Anwendungen den Einsatz explosionsgeschützter Antriebe, so dass auch hier von den Anlagenbetreibern sowie auch den Motorherstellern der Wunsch besteht, frequenzumrichtergespeiste Antriebe möglichst flexibel und kostengünstig auch in explosionsgefährdeten Bereichen einsetzen zu können, wobei über allem die Einhaltung eines hohen Sicherheitsstandards steht.

Nachteile des bisherigen Schutzkonzeptes für frequenzumrichtergespeiste Antriebe

Das bisherige Zulassungskonzept für umrichtergespeiste Antriebe der Zündschutzart „Erhöhte Sicherheit“ ist sehr unflexibel und aufwändig, da eine Prüfung des Umrichters zusammen mit der Maschine, mit der er später betrieben werden soll, erfolgen muss. Dies ist besonders bei Großmaschinen sehr zeit- und kostenintensiv. Als gravierender Nachteil wird dieses besonders unter dem Aspekt der unterschiedlichen Produktzyklen und Lebensdauern von Motor und Umrichter angesehen. Während die Konfiguration des Motors oftmals länger als 10 Jahre überdauert, befinden sich Umrichter in einem kontinuierlichen technologischen Veränderungsprozess. Dadurch muss die Zulassung häufig aktualisiert werden, ohne dass ein sicherheitstechnischer Aspekt beeinflusst wird. Gleiches gilt bei späteren Reparaturen oder einem Austausch der Umrichter sowie bei unkritischen Veränderungen der Betriebsparameter. Durch die Normung umrichtergespeister Antriebe in der Zündschutzart „Erhöhte Sicherheit“ werden keine konkreten Anforderungen an die Prüfung vorgegeben, so dass es in der Zulassungspraxis bei den Verfahren in Abhängigkeit von den  Erfahrungen Benannter Stellen zu einer Ungleichheit der Anforderungen kommen kann.  Der weitaus schwerwiegenste Nachteil kommt jedoch zum Tragen, wenn später eine Komponente des Antriebssystems ausfallen sollte und die typgleiche Komponente am Markt nicht mehr verfügbar ist. Dieses hätte dann zur Folge, dass das komplette Antriebssystem mit hohen Kosten ausgetauscht werden müsste, oder eine aufwändige neue Zertifizierung erforderlich wird. Bei der Zündschutzart „Druckfeste Kapselung“ wird der Motor pauschal für den Betrieb am Umrichter zertifiziert, eine Temperaturüberwachung über Kaltleiter ist aber auch hier erforderlich. Aus diesem Grunde wurde in der Vergangenheit bei kleineren umrichtergespeisten Antrieben oft auf die Zündschutzart „Druckfeste Kapselung“ ausgewichen, und bei größeren Antrieben, die sich aus Fertigungsgründen nicht mehr in dieser Zündschutzart ausführen lassen, wurde der Überdruckkapselung der Vorzug gegeben. Diese Zündschutzarten sind im Vergleich zur Zündschutzart „Erhöhte Sicherheit“ jedoch bedeutend aufwändiger. Ein Vergleich der Ausführungen „Druckfeste Kapselung“ und „Erhöhte Sicherheit“ ergibt für einen Motor gleicher Leistung ca. den doppelten Preis. Dieses ist auch der Grund, weswegen bei Antrieben in explosionsgefährdeten Bereichen oft auf eine aus Energieeffizienzgründen sinnvolle Drehzahlsteuerung über einen Frequenzumrichter verzichtet wird und stattdessen ein netzgespeister Antrieb eingesetzt wird. Das Bild 1 verdeutlicht dieses:

Bild 1: Anteil der frequenzumrichtergespeisten Antriebe in Alt- u. Neuanlagen.  Quelle: VIK (Verband der Industriellen   Energie- und Kraftwirtschaft e.V.)

Eigenschaften des neuen Schutzkonzeptes

Das neue Schutzkonzept besteht aus einer losgelöst vom Frequenzumrichter durchgeführten Zertifizierung des Motors und speziellen Anforderungen an den Umrichter, die in der EG-Baumusterprüfbescheinigung des Motors spezifiziert werden. Ein zentraler Punkt ist hierbei die drehzahlabhängige Strombegrenzung, um den Kühlungsverhältnissen bei eigenbelüfteten Maschinen Rechnung zu tragen. Da der Frequenzumrichter nicht zertifiziert wird, muss als zweite Schutzeinrichtung ein thermischer Maschinenschutz über in die Wicklung eingebettete Kaltleiter zusammen mit einem geprüften Auslösegerät vorgesehen werden, denn das oberste und wichtigste Ziel des neuen Konzeptes ist es, das Sicherheitsniveau für den Antrieb auf keinen Fall gegenüber dem bisherigen Verfahren abzusenken, denn von der Funktion der Zündschutzart hängt es letztendlich ab, ob das Entstehen einer Gasexplosion mit allen damit verbundenen schwerwiegenden Konsequenzen sicher verhindert werden kann. Eine weitere Randbedingung ist, dass der Prüfaufwand für den Motor deutlich verringert wird, insbesondere keine Prüfung der Umrichter-Motor-Kombination mehr erforderlich ist und auch ein späterer Austausch einer Komponente des Antriebssystems möglich ist. Hierdurch würde dann ein frequenzumrichtergespeister Antrieb der Zündschutzart „erhöhte Sicherheit“ ähnlich flexibel einsetzbar wie in der Zündschutzart „Druckfeste Kapselung“, nur mit deutlich geringeren Anschaffungskosten.   Zur Erfüllung beider oben genannten Kriterien ist es erforderlich, das Verhalten einer frequenzumrichtergespeisten Maschine in Abhängigkeit der an den Maschinenklemmen vom Umrichter bereitgestellten elektrischen Größen (Spannung, Frequenz, Oberschwingungsgehalt usw.) und der Betriebsparameter der Maschine (Belastungsdrehmoment, Drehzahl, Umgebungstemperatur) zu kennen, um die Grenzen der zulässigen Betriebsparameterbereiche für den Umrichter und die Maschine bei der Prüfung des Motors festlegen zu können, bei denen das Auftreten unzulässiger Erwärmungen ausgeschlossen ist.

Im Rahmen einer Dissertation und weiteren Publikationen [ /1/, /2/, /3/, /4/ ] wurden daher ausgehend von einer gründlichen Literaturrecherche die Auswirkungen der vom Frequenzumrichter hervorgerufenen Oberschwingungen auf die Maschinenverluste systematisch untersucht und dabei auch ein besonderes Augenmerk auf eine eventuelle Lastabhängigkeit der Oberschwingungsverluste gelegt. Desweiteren wurde ein Leistungsverstärkersystem eingesetzt, über das gezielt die Auswirkungen einzelner Oberschwingungsanteile im Spektrum auf die Maschine sowie auch eine frequenzabhängige Impedanzkennlinie der Maschine aufgenommen werden konnte. Diese bildet wiederum die Grundlage für eine Vorausberechnung der Oberschwingungsverluste bei bekanntem Spektrum am Umrichterausgang. Ein weiterer Punkt war die Untersuchung des Maschinenverhaltens bei einer zu geringen Grundschwingungsspannung an den Maschinenklemmen, wie sie beim Einsatz von Sinusfiltern zwischen Motor und Umrichter und bei großen Leitungslängen auftreten können.

Eine zweite wichtige Säule im neuen Konzept ist die Berücksichtigung der drehzahlabhängigen Kühlung bei eigenbelüfteten Maschinen.

Da bei dieser Kühlungsart die das Maschinengehäuse pro Zeiteinheit überstreichende Luftmenge und somit die durch erzwungene Konvektion abgeführte Wärmemenge direkt von der Maschinendrehzahl abhängig ist, ist eine Kenntnis der Zusammenhänge elementar wichtig zur Vermeidung den Explosionsschutz in Frage stellender Erwärmungen.

Hierzu wurden im Rahmen der Dissertation detaillierte Untersuchungen an Maschinen verschiedener Baugrößen durchgeführt, wobei zur Messung der drehzahlabhängigen Kühlung der Maschinenlüfter mit variabler Drehzahl fremdangetrieben und in die Maschine eine definierte Verlustleistung eingespeist wurde. In Bild 2 ist das Ergebnis dieses Versuches als Wärmeübergangswiderstand zur Umgebung über der Drehzahl für jeweils eine Maschine der Baugröße 132 (SEW1) und 180 (SEW2) dargestellt. Zum Schutz der Maschine vor unzulässigen Erwärmungen muss im Betrieb die Verlustleistung der Maschine mindestens gemäß den Verläufen in Bild 2 reduziert werden.

 


Bild 2: Verlauf des drehzahlabhängigen Wärmeübergangswiderstandes für verschiedene Maschinenbaugrößen

Da es für die spätere Prüfpraxis unpraktikabel ist, für jedes Prüfmuster die Reaktion auf die Oberschwingungen in der Versorgungsspannung und den drehzahlvariablen thermischen Widerstand zu ermitteln, wurden aufbauend auf den Messergebnissen Grenzwerte für leicht handhabbare Umrichterparameter definiert, wie z.B. die maximale Frequenzumrichter-eingangsspannung, die Umrichterschaltfrequenz und das Steuerverfahren. Hierdurch wird sichergestellt, dass der Anteil der Oberschwingungsverluste an den gesamten Maschinenverlusten unter 10 % liegt. Außerdem werden die an der Wicklung auftretenden Überspannungen nach oben begrenzt.  

Zur Berücksichtigung der drehzahlabhängigen Kühlwirkung werden an dem Prüfmuster bei verschiedenen Frequenzen die Dauerbetriebserwärmungen gemessen und die Punkte (gemessener Maschinenstrom)  über einen Polygonzug verbunden.   Um im späteren Betrieb unzulässige Erwärmungen zu verhindern, muss der Maschinenstrom über den gesamten Betriebsfrequenzbereich unter dem Polygonzug liegen, Bild 4.

 

Bild 3: Vergleich der Betriebskosten eines netzgespeisten Pumpenantriebes mit einem umrichtergespeisten Antrieb


Es wurde hier von einem Pumpenantrieb mit einer Bemessungsleistung von 20 kW ausgegangen, die Bemessungsförderleistung beträgt 50 m³ / h bei einem Druck von 7 bar. Bei Verwendung eines netzgespeisten Antriebes wird die Förderleistung über ein Bypassventil den Erfordernissen angepasst, bei drehzahlvariablem Antrieb kann auf Bypass- und Drosselventile verzichtet werden.

Betrachtet man jetzt losgelöst vom Explosionsschutz nur die Anschaffungskosten des Frequenzumrichters, so ergeben sich allein über die Energieeinsparung Amortisationszeiten, die je nach Lastprofil deutlich unter einem Jahr liegen können. Bei dem hier betrachteten Beispiel sind es 210 Tage. Die weiter steigenden Energiepreise werden zukünftig noch zu deutlich kürzeren Zeiten führen.    

Betrachtet man jetzt das Energiekosteneinsparungspotential, das sich ergibt, wenn sich bei den jährlich ausgetauschten Antrieben der Anteil umrichtergespeister Maschinen durch Anwendung des neuen Schutzkonzeptes um 20 % ausgehend von den 6000 jährlich erneuerten Motoren erhöht, so ergibt sich bei einem angenommenen Preis von 0,19 € pro Kilowattstunde eine Energiekosteneinsparung von ca. 3400 € pro Motor, insgesamt  etwa 4 Millionen Euro. Würde sich der Anteil frequenzumrichtergespeister Motoren am gesamten Maschinenbestand für den Antrieb von Pumpen und Lüftern um 20 % erhöhen, kann für das betrachtete Chemieunternehmen mit Einsparungen in der Größenordnung von 60 Millionen Euro bei den Elektroenergiekosten pro Jahr gerechnet werden.

Und neben den reinen Kostenersparnissen liegt hier auch ein großes Minderungspotential für die bei der Stromerzeugung entstehenden Treibhausgasemissionen, ohne auf  Produktivität verzichten zu müssen.

 


Erste Erfahrungen mit dem neuen Schutzkonzept

Mittlerweile liegen erste Erfahrungen mit der Umsetzung des neuen Konzeptes vor, und die ersten EG-Baumusterprüfbescheinigungen wurden im Laufe dieses Jahres 2007 für mehrere Hersteller ausgestellt. Es zeigte sich, dass die Festlegung eines Polygonzuges basierend auf durch Messungen festgelegte Stützstellen ein praktikables Verfahren ist, den zulässigen Betriebsparameterbereich der Maschine zu definieren.

An den Frequenzumrichter wird die Anforderung gestellt, dass bei der Parametrierung der maximal zulässige Maschinenstrom in Abhängigkeit der Frequenz (Bild 4) entsprechend dem Polygonzug in der EG-Baumusterprüfbescheinigung hinterlegt werden kann. Ein weiteres Kriterium ist eine Messunsicherheit der Stromerfassung des Frequenzumrichters kleiner 5 % bezogen auf den gemessenen Maschinenstrom. Es sind mittlerweile auch schon mehrere Frequenzumrichtertypen am Markt erhältlich, die diese Anforderungen erfüllen.

Da der Frequenzumrichter nicht im Sinne der Richtline 94/9/EG als Überwachungsgerät zertifiziert wird, werden als Back-Up-Schutz Kaltleiter zusammen mit einem zertifiziertem Kaltleiterauslösegerät gefordert.

Die bisherigen Erfahrungen sind daher als überaus positiv zu bezeichnen.

 


Bild 4: beispielhafter Verlauf der drehzahlvariablen Strombegrenzung, bezogen auf den Maschinenbemessungsstrom bei 50 Hz

 
Literatur

/1/

Lehrmann, C.: Über ein Zulassungsverfahren für explosionsgeschützte, umrichtergespeiste Käfigläufer der Zündschutzart „Erhöhte Sicherheit“; Dissertation Leibniz-Universität Hannover, Shaker-Verlag Aachen 2006

/2/

Lehrmann, C.: Ex-Geschützt: Antriebe mit Frequenzumrichter, Vorschlag für ein neues Zulassungskonzept; Bulletin des Schweizerischen Elektrotechnischen Vereins, des  Verbandes Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen,  2004, Heft 24/25, S. 17 – 23

/3/

Lehrmann,C.: Temperaturvorausberechnung an oberflächengekühlten Asynchronmotoren : ein Baustein zur Optimierung des neuen Zulassungskonzeptes für explosionsgeschützte, umrichtergespeiste Asynchronmaschinen; Bulletin des Schweizerischen Elektrotechnischen Vereins, des Verbandes Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen, 2006, Heft 24/25, S. 32 - 37

/4/

Lehrmann,C.: "Gemischtes Doppel" erlaubt; Computer und Automation, 2007, Heft 8,  S. 109 - 113