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Forschung und Entwicklung für materialanalytische Messverfahren


Neuartiges Verfahren zur Bestimmung der molaren Masse von
hochangereichertem Silizium

Die Übertragung der Isotopenverdünnungsmassenspektrometrie (IDMS), die als das Primärverfahren für die metrologisch rückgeführte Gehaltsbestimmung von Elementen in der anorganischen Chemie seit Jahrzehnten etabliert ist, auf ein nur gedanklich existierendes Element (virtuelles Element) hat erstmalig die Möglichkeit eröffnet, die molare Masse des in 28Si hochangereicherten „Avogadro-Siliziums“ mit der erforderlichen Genauigkeit zu messen [1-9]. Diese im Anfangsstadium eher theoretische Methode wurde mit der Multikollektor-ICP-Massenspektrometrie (MC-ICP-MS, Abb. 1) sowie einigen der bisherigen Lehrmeinung widersprechenden chemischen Verfahrensänderungen experimentell realisiert, wobei es gelang, die relative Messunsicherheit der molaren Masse des „Avogadro-Siliziums“ auf kleiner 10-8 zu reduzieren, was eine der wesentlichen Voraussetzungen zur Neubestimmung der Avogadrokonstante war.

Abb. 1: Derzeitige (Stand Ende 2011) Ergebnisse der Messungen der molaren Masse des angereichertem Si(28) für das Avogadro Projekt. Das Bild zeigt die Bereiche des Si-Kristalls aus denen Proben für die Messungen genommen wurden.

Die Arbeiten zu dieser Neubestimmung erfolgten zuerst an Silizium mit natürlichem Isotopenmuster [4]. Die Messung der molaren Masse mittels Gasmassenspektometrie kristallisierte sich hierbei als limitierender Unsicherheitsbeitrag heraus. Dieses Problem sollte – gestützt auf Modellrechnungen – durch die Verwendung des hochangereicherten „Avogadro-Siliziums“ anstelle des natürlichen gelöst werden [1, 3]. Allerdings birgt der hohe Anreicherungsgrad dieses Materials die Gefahr der Kontamination mit natürlichem (ubiquitärem) Silizium [7]. Technisch unvermeidbar kann dieses neue Problem nur durch ausreichend akkurate Quantifizierung der Kontamination beseitigt werden. Die Messung dieser Kontamination ist mit der in der AG 3.11 verwendeten MC-ICP-MS sehr gut realisierbar, nicht jedoch mit dem bisherigen Verfahren der Gasmassenspektrometrie. Da die Bestimmung der molaren Masse des Siliziums auf der Messung der Isotopenverhältnisse basiert, müssen – im Falle des „Avogadro-Siliziums“ – wegen der ausgesprochenen Dominanz des 28Si sechs Größenordnungen im Messbereich abgedeckt werden. Die daraus resultierende Messunsicherheit der Isotopenverhältnisse hätte erneut die Bestimmung der molaren Masse mit der angestrebten Messunsicherheit verhindert.

Zur Lösung dieses Problems wurde in der AG 3.11 die Methode der IDMS – kombiniert mit einem virtuellen Element (VE) – erarbeitet [1]. Kern-Idee ist es, den Massenanteil von 29Si und 30Si, die gemeinsam das VE bilden, im „Avogadro-Silizium“ (der Summe aus allen drei Isotopen) zu messen. Dieser „Trick“ reduziert die Rolle des 28Si auf die eines VE-haltigen Materials, weshalb sich die Messung auf 29Si und 30Si beschränkt und sich der abzudeckende Messbereich um vier Größenordnungen verkleinert. Die Messung von Isotopenverhältnissen erfordert prinzipiell eine Kalibrierung des Massenspektrometers. Diese wurde bisher mit externen Referenzmaterialien oder Isotopenmischungen umgesetzt. Weil die erste Variante zu ungenau ist und die zweite bislang nur eine iterative Lösung mit problematischer Rückführbarkeit besaß, wurde in der AG 3.11 als weitere Voraussetzung für die Bestimmung der molaren Masse eine geschlossene mathematische Lösung der Kalibrierung mit Isotopenmischungen entwickelt [2] und erstmalig experimentell realisiert [4, 5]. Aus den gemessenen Isotopenverhältnissen von 29Si und 30Si werden die Stoffmengenanteile aller drei Isotope (28Si, 29Si und 30Si) zugänglich und aus diesen wiederum die molare Masse. Bei der experimentellen Umsetzung mussten auch chemisch neue Wege beschritten werden: z. B. wurden durch die Verwendung alkalischer Lösungen anstelle der üblichen flusssäurehaltigen günstigere Messbedingungen sowie reduzierte Kontaminationen erzielt und somit letztlich verbesserte Messunsicherheiten [5, 6].

Basierend auf den beschriebenen theoretischen und experimentellen Arbeiten wurde in der AG 3.11 die molare Masse des „Avogadro-Siliziums“ mit einer relativen Messunsicherheit kleiner 10-8 bestimmt [5, 6] (Abb. 2), was einer Verbesserung um mindestens eine Größenordnung gegenüber dem bisherigen CODATA-Wert entspricht. Hierdurch konnte die Limitierung der Neubestimmung der Avogadrokonstante durch die molare Masse überwunden werden [8, 9].

Abb. 2: Hochauflösendes Mulitkollektor-ICP-Massenspektrometer (Neptune, Thermo Finnigan) zur Messung der Isotopenzusammensetzung (molare Masse) von Silicium. Kleines Bild links unten: Scan über die Molekülinterferenzen im Bereich 29Si; rechts unten: Emission der ICP-Fackel.

Veröffentlichungen:

[1] O. Rienitz, A. Pramann, D. Schiel: Novel concept for the mass spectrometric determination of absolute isotopic abundances
    with improved measurement uncertainty: Part 1 – theoretical derivation and feasibility study, Int. J. Mass Spectrom. 289 (2010)
     47–53.

[2] G. Mana, O. Rienitz: The calibration of Si isotope ratio measurements, Int. J. Mass Spectrom. 291 (2010) 55–60

[3] G. Mana, O. Rienitz, A. Pramann: Measurement equations for the determination of the Si molar mass by isotope dilution
     mass spectrometry, Metrologia 47 (2010) 460-463

[4] A. Pramann, O. Rienitz, D. Schiel, B. Güttler: Novel concept for the mass spectrometric determination of absolute isotopic
     abundances with improved measurement uncertainty: Part 2 – Development of an experimental procedure for the determination
     of the molar mass of silicon using MC-ICP-MS, Int. J. Mass Spectrom. 299 (2011) 78-86

[5] A. Pramann, O. Rienitz, D. Schiel, B. Güttler, S. Valkiers: Novel concept for the mass spectrometric determination of absolute
     isotopic abundances with improved measurement uncertainty: Part 3 – Molar mass of silicon highly enriched in 28Si,
     Int. J. Mass Spectrom. 305 (2011) 58-68

[6] A. Pramann, O. Rienitz, D. Schiel, J. Schlote, B. Güttler, S. Valkiers: Molar mass of silicon highly enriched in 28Si
     determined by IDMS, Metrologia 48 (2011) S20-S25.

[7] E. Bulska, M. N. Drozdov, G. Mana, A. Pramann, O. Rienitz, P. Sennikov, S. Valkiers: The isotopic composition of enriched
     Si: a data analysis, Metrologia 48 (2011) S32-S36

[8] Andreas, B., Azuma, Y., Bartl, G., Becker, P., Bettin, H., Borys, M., Busch, I., Gray, M., Fuchs, P., Fujii, K., Fujimoto, H.,
     Kessler, E., Krumrey, M., Kuetgens, U., Kuramoto, N., Mana, G., Manson, P., Massa, E., Mizushima, S., Nicolaus, A.,
     Picard, P., Pramann, A., Rienitz, O., Schiel, D., Valkiers, S., Waseda, A.: Determination of the Avogadro constant
     by counting the atoms in a 28Si crystal, Physical Review Letters 106 (2011) 030801

[9] Andreas, B., Azuma, Y., Bartl, G., Becker, P., Bettin, H., Borys, M., Busch, I., Fuchs, P., Fujii, K.,  Fujimoto, H., Kessler, E.,
     Krumrey, M., Kuetgens, U., Kuramoto, N., Mana, G., Manson, P., Massa, E., Mizushima, S., Nicolaus, A., Picard, A.,
     Pramann, A., Rienitz, O., Schiel, D., Valkiers, S., Waseda, A., and Zakel, S.: Counting the atoms in a 28Si crystal for a
     new kilogram definition, Metrologia 48 (2011) S14-S19

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