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Elektrostatische Zündgefahren

01.11.2011

In der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) sind in den letzten Jahren umfangreiche Experimente bezüglich der Zündfähigkeit elektrostatischer Entladungen durchgeführt worden. Untersucht wurde die Zündfähigkeit von Büschel- und Funkenentladungen in Abhängigkeit von der übertragenen Ladung. Dafür wurden jeweils repräsentative Brennstoff/Luftgemische der einzelnen Explosionsgruppen verwendet (IIA: 5,2% Propan, IIB: 8,0% Ethen, IIC: 22,0% Wasserstoff). Die übertragene Ladung wird als Kriterium für eine sicherheitstechnische Bewertung von Produkten und Prozessen in verschiedenen Normen (z.B. IEC 60079-0) verwendet. Das Ziel war es, die derzeit gültigen und noch nie direkt experimentell überprüften Grenzwerte übertragener Ladung für die einzelnen Explosionsgruppen durch breit aufgestellte Tests zu verifizieren.
Die Ergebnisse zeigen, dass das Kriterium der übertragenen Ladung geeignet ist, um sicherheitstechnische Bewertungen vorzunehmen. Zum Messen der in der elektrischen Entladung übertragenen Ladung eignen sich prinzipiell verschiedene Messverfahren. Für diese Untersuchungen wurde ein kommerziell erwerbliches Handcoulombmeter verwendet, da es von der Handhabung einfach ist und eine gegenüber alternativen Messmethoden geringere Messunsicherheit hat.
Die Ergebnisse, denen insgesamt mehr als 900 Büschelentladungen und 18000 Funkenentladungen zugrunde liegen, zeigen deutlich, dass der Zündprozess nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit stattfindet. Dies ist bedingt durch viele verschiedene physikalische Einflussfaktoren, wie z.B. das elektrische Feld, die für jede Entladung unterschiedliche Streuzeit der Startelektronen, die Gemischkonzentration am Ort der Entladung, das jeweilige Entladungsvolumen, die Entladungsdauer und die in der Entladung umgesetzte Energie. All diese Einflüsse sind unvermeidlich und können von Experiment zu Experiment geringfügig variieren.
Bei den Grenzwerten wurde festgestellt, dass die derzeitig gültigen Grenzwerte un-terschiedliche Sicherheitsreserven (bezogen auf die Referenzgase) beinhalten. Bei Ethen (Explosionsgruppe IIB) beobachteten wir Zündungen bei einer übertragenen Ladung ca. 10 % unterhalb des derzeitigen Grenzwertes von 30 nC. Bei Propan (Ex-plosionsgruppe IIA) konnte die niedrigste Zündung bei ca. 10 % über dem Grenzwert von 60 nC festgestellt werden. Generell spiegelt die gemessene übertra-gene Ladung die erwartete höhere Zündfähigkeit von Funkenentladungen im Vergleich zu Büschelentladungen wider. Die niedrigste, gemessene, übertragene Ladung, die einer Zündung zuzuordnen war, lag bei Büschelentladungen als Zündquelle stets höher als bei Funkenentladungen. Der Übersicht halber sind die Ergebnisse mit der jeweiligen Messunsicherheit in der folgenden Tabelle zusammengefasst.

Explosions-
gruppe
 
Grenzwert
(IEC 60079-0)
 
Funkenentladungen
(Niedrigster Wert einer
Zündung)
Büschelentladungen
Niedrigster Wert einer
Zündung)
IIA60 nC66,9 nC ± 1,8 nC93,4 nC ± 2,6 nC
IIB30 nC26,9 nC ± 1,1 nC31,5 nC ± 1,0 nC
IIC10 nC10,8 nC ± 0,7 nC22,7 nC ± 0,9 nC


In Abbildung 1 ist der Datensatz der Experimente mit Büschelentladungen in Propan (IIA) zu sehen. Maßgeblich ist die Aussage, bei welcher übertragenen Ladung eine Zündung zu beobachten war (Symbol: Stern) oder nicht (Symbol: Kreis). In Abbildung 2 ist die Häufigkeit der Zündungen über der übertragenen Ladung aufgetragen. Die gefundene Verteilung lässt sich dabei statistisch sehr gut mit einem Fit der in Abbildung 2 angegebenen kumulierten Verteilungsfunktion beschreiben. Mit Hilfe der Verteilungsfunktion kann nun auf die übertragene Ladung bezogen auf eine gewisse Zündwahrscheinlichkeit geschlossen werden.

Abbildung 1: Ergebnisse der Experimente mit Bü¬schelentladungen von einer aufgeladenen
                    PTFE-Fläche (270 cm2) in einem 5,2 Vol.% Propan/Luft-Gemisch

Abbildung 2: Häufigkeit der Zündungen von Büschelentladungen in einem 5,2 Vol.% Propan/Luft-Gemisch in
                    Abhängigkeit der übertragenen Ladung und Fit mit kumulierter Verteilungsfunktion

Die Anwendung von statistischen Verfahren auf die gewonnenen experimentellen Datensätze könnte es ermöglichen, die Grenzwerte übertragener Ladung der ver-schiedenen Explosionsgruppen in Zukunft auf eine definierte Zündwahrscheinlichkeit zu beziehen. Dies hätte eine Definition der Grenzwerte mit vergleichbaren Sicherheitsreserven zur Folge.



Ansprechpartner

Tim Langer, AG 3.52, tim.langer(at)ptb.de