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Bayessche Inferenz zur Charakterisierung komplexer Signale

03.12.2010

 

Die Bayessche Inferenz ist eine wahrscheinlichkeitstheoretische Methode zur Ermittlung von Wahrscheinlichkeiten experimenteller Beobachtungen (z. B.: Messdaten), die eine vom Beobachter festgestellte „Vorkenntnis“ oder „Vorinformation“ beinhalten. Diese Methode hat sich seit einigen Jahren als ein wichtiges Werkzeug in der Wissenschaft bewährt und wurde bei der Untersuchung verschiedener komplexer Naturphänomene erfolgreich angewandt. Die Suche nach anderen Planetensystemen (sog. „Exo“-Planeten) aus der periodischen Positionsschwankung eines Sterns ist ein gutes Beispiel dafür. Gründzüge der Bayesschen Statistik sind in dem ISO/BIPM-Leitfaden „Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement“ kurz beschrieben und in zahlreichen fachspezifischen Artikeln behandelt [1-3]. Bayessche Inferenz ist unverändert ein aktueller Gegenstand der Forschung, wiederentdeckt und weiterentwickelt wurde sie überwiegend in den 60er- bis 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts.
In der PTB besteht das Interesse an der Bayesschen Inferenz als Werkzeug zur Analyse, Charakterisierung und Rückführung komplex verlaufender Signale. Grund dafür ist die ständig zunehmende Anzahl von nichtlinearen Lasten in den elektrischen Versorgungsnetzen (zum Beispiel durch Personal-Computer, Motorsteuerungen, Mikrowellenöfen, Leuchtstofflampen, große industrielle Gleichrichteranlagen), die eine Vielzahl von Störungen im Netz hervorrufen können. Solche Störungen können auch nicht-periodisch auftreten, was unter Umständen zu erheblichen Beeinträchtigungen bei der Messung des Energieverbrauchs
(z. B. für Abrechnungszwecke) führen kann.
Die PTB nutzt seit Jahren Abtastverfahren zur Rückführung der Einheiten der elektrischen Wechselleistung und Energie [4]. Das PTB Abtastverfahren ist das weltweit genaueste, lässt sich aber nur auf sinusförmige Größen anwenden. Die neuen messtechnischen Herausforderungen im Zusammenhang mit den genannten Netzstörungen verlangen ein anderes Verfahren und neue Datenverarbeitungsmethoden. So gehört es zu den Kernaufgaben im Rahmen des europäischen iMERA-plus Joint Research Project „Power & Energy“ hier geeignete Alternativen zu finden, wie z. B. die Bayessche Inferenz [2]. 
Die Herausforderung liegt hierbei darin, Maxima sehr komplexer Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen (sog. „Joint-Posterior“ Wahrscheinlichkeitsdichten oder „Cost“-Funktionen) zu finden und daraus die Parameter aus einer Modellgleichung (mit Hilfe von „Likelihood“-Funktionen) unter Zuhilfenahme von Vorkenntnissen über das Messsystem (Vorinformation oder „Prior“-Wahrscheinlichkeiten) sowie deren Vertrauensgrenzen zu bestimmen bzw. abzuschätzen. Eine solche Aufgabe lässt sich in der Regel nur numerisch mit Hilfe hoher Rechenleistung lösen, wie die durchgeführten Untersuchungen gezeigt haben. Das Bild zeigt, als Beispiel, die errechnete „Cost“-Funktion der Joint-Posterior“-Wahrscheinlichkeitsdichte [2], die sich bei der Detektion der Summe zweier Sinussignale mit ähnlichen Frequenzen f1 und f2 (von 50,2 Hz und 51,1 Hz) aus einer asynchronen digitalen Abtastung einer Messdatenreihe ergibt. Das Maximum der angegebenen „Cost“-Funktion befindet sich exakt bei diesen zwei Frequenzen und ist mit großer Genauigkeit numerisch detektierbar.

 

 

 

 

 

 

Referenzen:

[1] BIPM, IEC, IFCC, ILAC, ISO, IUPAC, IUPAP and OIML 2008 Evaluation of Measurement Data—Supplement 1 to the ‘Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement’—Propagation of distributions using a Monte Carlo method Joint Committee for Guides in Metrology, JCGM 101.
www.bipm.org/utils/common/documents/jcgm/JCGM 101 2008 E.pdf.

[2] G. L. Bretthorst, Bayesian Spectrum Analyses and Parameter
     Estimation
, in Lectures Notes in   Statistics, vol. 48, 1988, Springer.

[3] E. T. Jaynes, Probability Theory – The Logic of Science,                           Cambridge Univ. Press, 2003.

[4] G. Ramm, H. Moser, A. Braun, „A new scheme for generating and measuring                active,  reactive and apparent power at power frequencies with uncertainites of     2.5 x 10-6, IEEE Trans. Instrum. Meas., vol. 48, no. 2, pp 422-426, April 1999

 

 

 

 

Ansprechpartner: W. G. Kürten Ihlenfeld
Fachbereich 2.3:  Elektrische Energiemesstechnik