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Dynamische Flüssigkeitsmessungen mit dem Hydrodynamischen Prüffeld

13.07.2007

Erstmals wurde ein modellbasiertes Konzept zur Darstellung des Momentandurchflusses einer strömenden Flüssigkeit entwickelt und mit ersten Untersuchungsergebnissen auf dem Hydrodynamischen Prüffeld belegt. Im Gegensatz zur sonst üblichen Durchflussmessung, bei der der mittlere Durchfluss über den Gesamtzeitraum einer Messung ermittelt wird, ermöglicht das neue, dynamische Verfahren erstmals die differentielle Messung des Momentandurchflusses mit Rückführung auf ein Primärnormal.

Zunehmende Komplexität und erhöhter Automatisierungsgrad der industriellen Produktionsprozesse sowie steigende Anforderungen an die Produktqualität führen zu deutlich gestiegenen Forderungen an die Prozessmesstechnik. Auf dem Gebiet der Messung strömender Flüssigkeiten betrifft dies insbesondere die Notwendigkeit, den Momentanwert des aktuellen Durchflusses mit hoher Präzision erfassen und anzeigen zu können, in der Regel mit Messunsicherheiten kleiner als 0,1%. Hierzu reicht es nicht mehr aus, bei Kalibrierungen und Prüfungen den Durchfluss wie bisher nur als Mittelwert aus Menge (Masse oder Volumen) und benötigter Messzeit zu ermitteln. Dynamische Effekte sowie Reaktionen des Messgerätes auf Änderungen des Durchflusses müssen zeitnah erfasst werden können, entsprechende Primärprüfstände zur Darstellung des momentanen Durchflusses sind erforderlich.

Die Konzeption des Hydrodynamischen Prüffeldes ermöglicht es, neben Masse und Volumen strömender Flüssigkeiten langfristig auch den momentanen Durchfluss mit der erforderlichen Genauigkeit darstellen zu können. Hierfür werden die vorhandenen Wägesysteme verwendet, wobei die schnelle dynamische Reaktion der Dehnungsmessstreifen der Wägezellen mit der Langzeitstabilität und Reproduzierbarkeit der kraftkompensierten Massekomparatoren unmittelbar kombiniert werden soll.

In einem ersten Schritt zur Realisierung dieser Aufgabenstellung wurden umfangreiche Untersuchungen der dynamischen Vorgänge und Einflüsse, die beim Auftreffen des Wasserstrahls im Wägebehälter entstehen, durchgeführt. Bild 1 zeigt als Beispiel die relativen Abweichungen zwischen der tatsächlich auf den Wägebehälter wirkenden Kraft und den für einen idealen kontinuierlichen Füllvorgang (d.h. ohne hydrodynamischen Kraftanteil) berechneten Werten während des Füllprozesses für verschiedene Durchflüsse. Bild 2 enthält für den Durchfluss von 85 m3/h Aufnahmen, die den Wägebehälter von oben beim Auftreffen des Wasserstrahles zu verschiedenen Zeitpunkten zeigen und die Veränderungen während des Füllvorgangs illustrieren.

Die bisherigen Untersuchungsergebnisse dienten der Entwicklung und Verifizierung eines mathematischen Modells zur Simulation des realen dynamischen Messprozesses. Wichtig dabei war die Identifizierung der einzelnen Kräfte und die Beschreibung ihrer Wirkung auf die verschiedenen Elemente des Gesamtmesssystems. Der Hauptzweck des entwickelten Modells besteht darin, den hydrodynamischen Kraftanteil des wirkenden Flüssigkeitsmoments vom hydrostatischen Anteil zu trennen, um die Geschwindigkeit der Masseänderung (oder den Massedurchfluss) ableiten zu können.

Relative Abweichung der tatsächlich auf den Wägebehälter wirkenden Kraft des Flüssigkeitsstroms vom für einen idealen kontinuierlichen Füllvorgang berechneten Wert für drei verschiedene Durchflüsse.

Bild 1: Relative Abweichung der tatsächlich auf den Wägebehälter wirkenden Kraft des Flüssigkeitsstroms vom für einen idealen kontinuierlichen Füllvorgang berechneten Wert für drei verschiedene Durchflüsse.

Aufnahmen des Flüssigkeitsstroms (Draufsicht) beim Einströmen in den Wägebehälter zu verschiedenen Zeiten während des Füllprozesses für einen Durchfluss von 85 m³/h (Das mit -0,1 s bezeichnete Foto zeigt den Behälter und den Wasserstrahl 0,1 s vor seinem ersten Auftreffen auf den Boden des Wägebehälters).

Bild 2: Aufnahmen des Flüssigkeitsstroms (Draufsicht) beim Einströmen in den Wägebehälter zu verschiedenen Zeiten während des Füllprozesses für einen Durchfluss von 85 m³/h (Das mit -0,1 s bezeichnete Foto zeigt den Behälter und den Wasserstrahl 0,1 s vor seinem ersten Auftreffen auf den Boden des Wägebehälters).

Obwohl mit statischen Wägesystemen höhere Genauigkeiten erreichbar sind als mit dynamischen, kann die Genauigkeitsdifferenz minimiert werden, wenn real-time-Messungen bestimmter Komponenten möglich sind. Es scheint realistisch, mit der Durchflussdarstellung an die Genauigkeit von derzeit zur Verfügung stehenden dynamischen Wägesystemen von < 0,05% heranzukommen, was eine entscheidende Verbesserung der Durchflussmessung und deren künftiger Anwendung bedeutet.

Ansprechpartner:

Jesus Aguilera, FB 1.5, jesus.aguilera@ptb.de