Logo of the Physikalisch-Technische Bundesanstalt

Ein Quäntchen Kilogramm

06.10.2020

Um zukünftig die SI-Einheit Kilogramm über elektrische Größen rückführen zu können, hat die PTB zusammen mit der TU Ilmenau eine kompakte Kibble-Waage entwickelt. Sie bildet eine Brücke von der zu bestimmenden Masse und der Planck-Konstante, einer aus der Quantenmechanik bekannten physikalischen Fundamentalkonstante.

Seit dem 20. Mai 2019 gelten die neuen Definitionen für die SI-Einheiten. Somit ist auch das Kilogramm nicht mehr über das ‚Urkilogramm‘ definiert, welches in einem Tresor nahe Paris lagert, sondern die sogenannte Planck-Konstante besagt nun, wieviel Masse einem Kilogramm entspricht.

Wenn im Labor Substanzmengen auf hochmodernen Waagen bestimmt werden, so wird normalerweise die Gewichtskraft der Substanz mit einer elektromagnetischen Kraft im Gleichgewicht gehalten. Um zu bestimmen wieviel ein Löffel voll Salz wiegt, wird der elektrische Strom gemessen, der dazu nötig ist, um dessen Gewicht zu kompensieren. Genau hier liegt die Verbindung zur neuen Definition des Kilogramms. Die Masse auf der einen Seite der Waage wird verglichen mit den elektrischen Größen Spannung und Widerstand auf der anderen Seite. Diese elektrischen Größen wiederum lassen sich als Vielfaches der Planck-Konstante ausdrücken.

Was ändert sich nun genau bei der Wägung? Bisher wird das zu messende Gewichtsstück durch Vergleich mit einem bekannten Gewicht bestimmt. Das heißt, wenn der nötige Strom bei beiden Gewichten gleich ist, sind die Gewichte auch gleich. Jedes Gewicht kann somit durch eine lange Reihe von Messungen mit dem Urkilogramm verglichen werden. Das nennt man eine Relativmessung, da die relative Abweichung zum Referenzgewicht bestimmt wird. Durch die neue Definition muss die Masse nun absolut bestimmt werden und es darf keine Masse zum Vergleich herangezogen werden. Ein komplexes Messverfahren ist dazu nötig.

Diese Messungen sollen sehr genau durchgeführt werden. Auf weniger als den 100-milliardstel Teil des Messwerts. Das ist ungefähr so, als möchte man bei einem 1 Kilometer hohen Stapel Papier sicher sein, ob nicht ein Blatt zu viel oder zu wenig aufliegt.

Im Fachbereich ‚Masse‘, der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig, wurde in  einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Ilmenau eine solche Waage, die ‚Planck-Waage‘ (siehe Bild), entwickelt [1, 2]. Ziel war es, wie mit einer gewöhnlichen Laborwaage, einen weiten Messbereich abzudecken, und zwar von 1 Milligramm bis zu 1 Kilogramm. Um dies zu ermöglichen, wurde das Messystem modular aufgebaut, wobei das Herzstück, also die Wägezelle, so gewählt werden kann, dass die entsprechenden Messunsicherheiten erzielt werden können.

Bild 1: Die Planck-Waage PB1. Auf der Messvorrichtung ist ein 1 kg-Gewicht zu sehen.

Die Möglichkeiten, die sich aus der Neudefinition ergeben sind zahlreich. Einerseits ist man unabhängig vom Urkilogramm. Das bedeutet, dass man keine Angst mehr zu haben braucht, dass das Urkilogramm verloren geht. Denn, was wäre dann ein Kilogramm? Jetzt ist jeder in der Lage sein eigenes Kilogramm zu schaffen. Allein die Definition genügt, um ein Kilogramm darzustellen. Es muss kein Objekt mehr herumgetragen werden. Andererseits versprechen sich die Metrologen kleinere Gewichte noch genauer bestimmen zu können. Grund ist, dass die Definition für jeden Gewichtswert gilt. Man kann nämlich ein beliebiges Gewicht – also auch z.B. 23,45678 g – direkt über die Planck-Konstante messen, ohne den Umweg bei 1 kg anzufangen. Genau das muss man heute tun, um eine Messkette von 23,45678 g bis zu 1 kg aufzubauen. Man kann also eine Waage für einen bestimmten Messbereich optimieren.

Das Ziel, mit der PB1 Gewichte der Genauigkeitsklasse E1 zu kalibrieren [3], ist zwar noch nicht ganz erreicht, aber die Projektpartner konnten bereits zeigen, dass dieser Ansatz prinzipiell möglich ist. Zudem beschreibt die Planck-Waage die kompakteste Kibble-Waage weltweit.

Finanzierung: Die Forschung wurde finanziert durch das BMBF unter der Förderung „PLANCK-WAAGE – Selbstkalibrierende Präzisionswaagen für den industriellen Einsatz“ im Programm Validierung des technologischen und gesellschaftlichen Innovationspotenzials – VIP+.

          

 

Literatur:

[1] C. Rothleitner, J. Schleichert, N. Rogge, L. Günther, S. Vasilyan, F.  Hilbrunner,  D.  Knopf,  T.  Fröhlich,  F.  Härtig,  The  Planck-Balance – using a fixed value of the Planck constant to calibrate E1/E2-weights,  Meas.  Sci.  Technol.  29(7)  (2018)  pp.  074003. Opens external link in new windowDOI

[2] Fröhlich, T., Rogge, N., Vasilyan, S., Rothleitner, C., Günther, L., Lin, S., Hilbrunner, F., Knopf, D., Härtig, F., & Marangoni, R. (2020). Neue Wege zur Kalibrierung von E2-Massenormalen und Darstellung von Kräften bis 10 N, tm - Technisches Messen, 87(4), 280-293. Opens external link in new windowDOI

[3] OIML 2004 OIML R 111-1 Opens external link in new windowonline: accessed 05-November-2020

Ansprechpartner:

Christian Rothleitner, FB 1.1, AG 1.15, E-Mail: Opens window for sending emailchristian.rothleitner(at)ptb.de