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Wärmetransport in fluidgefüllten Mikroporen

11.06.2013

Im Jahre 1960 entdeckten die beiden US-Amerikaner Woodside und Messmer, dass ein mit Gas in seinen Poren gesättigter Sandstein die Wärme schlechter transportiert als derselbe mit einer Flüssigkeit gesättigte Stein, obwohl beide Füllfluide die gleiche Wärmeleitfähigkeit besitzen. Bisher war man der Ansicht, dass der Knudsen-Effekt dieses Phänomen verursacht. Er tritt auf in Poren, die kleiner sind als die freie Weglänge der Gasmoleküle. Eigene Messungen an Sandstein bestätigten zwar den Woodside-Messmer-Effekt, ließen jedoch Zweifel an seiner bisherigen Deutung aufkommen. Im Rahmen der kinetischen Gastheorie wurde eine neue Hypothese aufgestellt und erfolgreich an Glassieben anstelle von Sandsteinen experimentell validiert. Hierbei fand sich sogar ein bisher noch unbekannter weiterer Wärmetransporteffekt.

Typischer Sandstein hat Poren mit unterschiedlichen Durchmessern zwischen 0,01 µm und 100 µm. Diese breite Größenverteilung erschwert die Interpretation von Transportprozessen auf molekularer Ebene erheblich. Siebe aus porösem Glas, sogenannte Fritten, haben hingegen in ihrer jeweiligen Porositätsklasse nur eine sehr schmale Größenverteilung. Auch lassen sie sich schnell und vollständig mit einem Probefluid „füllen“ und wieder „entleeren“. Da sie eigentlich dem Abseparieren von Partikeln nach Größe dienen, gibt es sie in neun genormten Klassen mit Porenöffnungen von 1 µm bis 1000 µm.

Die Wärmeleitfähigkeiten fluid-gesättigter Fritten im genannten Porenbereich wurden mit einer Unsicherheit von 3% bei Raumtemperatur bestimmt. Der Woodside-Messmer-Effekt tritt demnach auch an Glassieben auf. Am deutlichsten zeigt er sich an Fritten mit den kleinsten untersuchten Poren, gesättigt mit einem sehr gut leitenden Gas. Zunehmende Porengröße und abnehmende Gas-Leitfähigkeit schwächen den Effekt. Für Poren ab 60 µm ist er, unabhängig vom Füllgas, nicht mehr nachweisbar. Hier stimmen die Wärmeleitfähigkeiten von gas- und flüssiggesättigter Fritte gut überein. Dies gilt allerdings nur für Poren bis etwa 130 µm. Dann setzt ein anderer, bisher noch unbekannter Transporteffekt ein. Er lässt die Wärmeleitfähigkeit gasgesättigter Fritten weiter ansteigen, also über den Wert flüssiggesättigter Fritten hinaus. Dieses Phänomen bedarf noch der abschließenden Klärung.

Der theoretische Befund unserer Untersuchungen zum Woodside-Messmer-Effekt zeigt, dass dieser wohl nicht auf dem Knudsen-Effekt beruht. Vielmehr erscheint der ebenfalls aus der kinetischen Gastheorie bekannte Temperatursprung-Effekt ursächlich zu sein. Er beschreibt ein Grenzschicht-Phänomen in den Poren. Unterschiedliche thermophysikalische Eigenschaften von Gasmolekülen und Porenwand verhindern einen vollständigen gegenseitigen Energieaustausch. So bildet sich jeweils ein Temperatursprung aus, der den Wärmetransport innerhalb der zugehörigen Grenzschicht verringert. Die Breite dieser Schicht beträgt zwar nur einige Hundert Nanometer, sie ist indes unabhängig von der Größe der Pore. Aus diesem Grund wirkt sich der Temperatursprung-Effekt bei kleinen Poren stärker aus als bei großen. Sein Einfluss auf die Gas-Leitfähigkeit entspricht somit dem Verhältnis von Grenzschichtdicke zu Porendurchmesser. Da die Grenzschicht-Wärmeleitfähigkeit ebenfalls weitgehend von der Standard-Wärmeleitfähigkeit des Porengases unabhängig ist, zeigt sich der diskutierte Effekt besonders deutlich bei den gut leitenden Gasen, wie auch beobachtet wurde.

Phänomene des Wärmetransports in Poren gewinnen insbesondere im Zusammenhang mit der Energiewende zunehmend an Interesse, beispielsweise bei neuen elektrischen Speichertechnologien mit deren porösen Elektroden und Zellwänden sowie bei effizienteren Wärmedämmstoffen für das Bauwesen.

Ansprechpartner:

Ulf Hammerschmidt, Abt. 1, E-Mail: ulf.hammerschmidt@ptb.de