Mit Dr. Stefan Riechelmann, dem Leiter der Arbeitsgruppe „Solarmodule“ in der PTB, sprach Emilia Isabeau (Schülerin, 17 Jahre) während ihres Praktikums in der Pressestelle der PTB im Februar 2023. Ort: das Dach des Einsteinbaus auf dem PTB-Gelände, inmitten von Solarmodulen.
Redaktion: Welche Wetterapp können Sie mir empfehlen?
Stefan Riechelmann: Ich nutze tatsächlich wetteronline. Das kleine Widget vom Regenradar finde ich am praktikabelsten, weil man die Vorhersage der nächsten zwei Stunden sehen kann. Ich muss dazu sagen, dass ich Meteorologie und Klimatologie in Hannover studiert habe. Ich werde daher öfters nach dem Wetter gefragt.
Und was ist, wenn der Wetterbericht sagt, dass es in Strömen regnen wird?
Dann sitze ich auf jeden Fall am Computer. Wir haben unsere Messplätze draußen, aber wir haben auch viele Aufgaben im Labor. Wir haben den Sonnensimulator, die künstliche Sonne, hergestellt, den wir dann unter Laborbedingungen messen können. Ich sag mal, 80 % verbringt man dann am Computer, weil man die Werte auswerten muss.
Sie nehmen dieses Jahr im Mai mit dem Thema „Leistung von Solarmodulen messen – was bekomme ich für mein Geld?“ am Salon der Wissenschaft teil. Ich halte diese Frage für wirklich sehr interessant, denn wenn ich mich jetzt mal als potenzielle Käuferin sehe, dann erwarte ich auch eine gut funktionstüchtige Anlage auf meinem Dach. Dabei es gibt ja verschiedene Arten von Anlagen - Spezialisieren Sie sich auf Solarthermieanlagen oder auf Photovoltaikanlagen oder vermessen Sie beide Arten der Energieumwandlung?
Wir machen alles, was Strom macht. Um Thermie kümmern wir uns gar nicht, weil man dafür Wärme und irgendeine Flüssigkeit benötigt, und dann müssen auch Durchflussmengen gemessen werden.
Testen Sie denn die qualitätsmäßig besten Solarmodule?
Vielleicht erstmal ein Wort zu unserer Existenzberichtigung. Wir machen keine Messungen für Endkunden, denn das wäre viel zu teuer. Ein Modul liegt so bei 150 Euro, während eine Messung von einem Modul von uns bereits bei 1500 Euro liegt, also viel mehr als der Modulpreis. Wir sorgen dafür, dass Prüflabore, die wiederum mehr Module prüfen können, weil sie schneller messen, genauer messen können. Das machen wir, indem wir uns eine Art „unantastbares Objekt“ sozusagen vom Referenzlabor schicken lassen, welches wir dann wieder ganz genau ausmessen. An denen stellen die Prüflabore ihr Licht dann ein. Stichwort Kalibrierkette: Wir sind quasi der Anfang dieser Kette. Wir geben die Werte, beispielsweise die elektrische Leistung, weiter und die Prüflabore können überprüfen, ob deren Messungen in Ordnung sind. Die ganze Kette bis hin zum Endkunden ist qualitätsgeprüft.
Dementsprechend prüfen dann wahrscheinlich die Prüflabore die mechanischen Anforderungen?
Ich habe mal ein Labor mit einer Hagel-Kanone gesehen. Die haben dann mit künstlichen Hagelkörnern Module beschossen, was ich total gerne machen würde, aber leider sind wir dafür nicht zuständig. Wir machen reine elektrische und optische Prüfverfahren.
Wie misst man die Solarmodule genau?
Wir brauchen erst einmal eine Lichtquelle. Man braucht irgendwas, was man auf eine Standardeinstellung einstellen kann. Dann gibt es gewisse Normen, unter denen sich alle vergleichen. Man muss die gleichen Standardtestbedingungen herstellen. Eine Xenon-Lampe etwa kann dann die Standardlichtquelle sein, womit man ganz kurz ein Modul beleuchtet. Wir in der PTB haben eine Wand mit ca. 16000 LEDs, die recht hell ist und dauerhaft leuchten kann. Letzteres ist ein technisches Detail, das für manche Module von Vorteil ist, für die meisten reicht aber auch ein Blitzlicht aus.
Dann braucht man eine sogenannte elektronische Last, also ein Messgerät, das verschiedene Bedingungen für das Modul herstellt. Man guckt, bei welcher Bedingung es am meisten Leistung gibt. Dieser Wert wird dann notiert und dem Kunden gegeben.
Und wenn Sie jetzt LEDs benutzen, was hat das für Vorteile?
Einer der größten Vorteile ist, dass man Dauerlicht hat. Der zweite Vorteil ist, dass man die Farbe einstellen kann. Es gibt in diesen Testbedingungen auch die Vorgabe, welche Farbverteilung das Licht haben soll. Das Sonnenlicht hat ja eine gewisse Verteilung und die ändert sich auch über die Zeit. Einmal wurde in den Testbedingungen gesagt, wie man sich vergleichen möchte. Deswegen müssen alle ihre Lichtquelle möglichst perfekt an diese Bedingungen anpassen. Wir können das mit den LEDs sehr gut. Diese 16000 LEDs sind in 18 verschieden farbige LEDs aufgeteilt und wir können jede Farbe einzeln hoch und runter stellen, damit wir das „perfekte farbige Licht“ bekommen.
Außerdem altern LEDs nicht so schnell. Bei einem Simulator mit einer Blitzlichtlampe geht die Lampe nach 1000 bis 2000 Stunden kaputt und man muss sie wechseln, wieder neu messen, ob sich was verändert hat usw.
Gibt es Richtwerte? Muss das Solarmodul eine bestimmte Leistung aufweisen?
Grundsätzlich muss es heile sein. Wir haben eine sogenannte Elektrolumineszenzmessung, die wir durchführen, wenn wir das Modul bekommen. Im Prinzip schließen wir ein Netzteil an das Modul an und bringen es zum Leuchten. Das leuchtet dann im Infrarot ein bisschen. In der Infrarot-Kamera sieht man mögliche Risse und tote Bereiche, die man mit dem bloßen Auge nicht erkennen kann.
Ich habe mal ein Modul aus Versehen runtergeschmissen und es sah noch perfekt aus, aber es hatte 10% weniger Leistung und die Solarzellen waren zerbrochen.
Ansonsten darf es momentan nicht größer als 2 m x 1 m sein, weil unser Lichtfeld nur so groß ist. Module sind in den letzten Jahren gewachsen, was für alle Prüflabore ein riesiges Problem ist, weil die Zellen in der Produktion größer geworden sind. Wir bauen gerade unser Labor deshalb nochmal komplett um, sodass die Maße wieder passen.
Gibt es bestimmte Eigenschaften, die ein Modul besonders gut oder schlecht machen?
Im Prinzip sind alle Module auf dem Markt nicht schlecht. Es gibt kaum so richtig krasse Ausreißer, bei denen man jetzt sagt: „Oh nein, von der Marke kaufst du jetzt lieber nichts!“ Alle auf dem Markt sind geprüft und haben den Standard.
Sie können mir nun vielleicht keine genauen Zahlen nennen, aber wie machbar ist es für eine vierköpfige Familie, von fossilen Energiequellen auf Sonnenenergie umzusteigen?
Ganz gut, ich selbst habe eine PV-Anlage auf meinem Dach. Ich mache auch viele Berechnungen für andere Leute, die sich dafür interessieren, also ist das eine superbekannte Frage. Man braucht ein Dach, wo möglich viel Platz drauf ist und wo möglich wenig Schatten drauf fällt. Man sollte möglichst Besitzer des Hauses sein, sonst ist das gesetzlich sehr schwierig. Außerdem braucht man einen Zeithorizont von ca. 20 Jahren, weil man so lange Vergütung bekommt, und so lange will man die Anlage vielleicht auf seinem Dach behalten. Das sind die Grundvoraussetzungen für eine PV-Anlage.
Eine 10 Kilowatt-Peak-Anlage, das sind so ungefähr 26 Module, bringt 10000 Kilowatt Stunden Strom im Jahr. Ein typischer Vier-Personen-Haushalt verbraucht 3000 Kilowatt Stunden im Jahr. Rein bilanziell ist es einfach. Allerdings bietet Solar natürlich sehr viel Ertrag im Sommer und sehr wenig im Winter.
Ich habe eine 23 Kilowatt-Peak-Anlage. Im Sommer habe ich im Monat 3000 Kilowattstunden, so viel wie ich im Jahr quasi verbrauche. Im Winter habe ich nur 300 Kilowattstunden pro Monat. Das heißt, man schafft es niemals, sich autark zu versorgen, was aber auch nie das Ziel sein sollte. Für die Energiewende braucht man Solar- und Windenergie. Wenn man eine Solaranlange auf dem Dach hat, schafft man es, ohne Akku in der Regel 40 % seines Bedarfs zu ersetzen und mit Akku 60 % bis 70 %. Das ist keine Empfehlung für einen Akku, denn der kostet viel Geld, welches er in der Regel nicht wieder in der Zeit reinspielt, in der man ihn hat.
Ist es möglich, eine PV-Anlage und eine Solarthermieanlage zu haben?
Auf jeden Fall, denn sie haben miteinander eigentlich nicht viel zu tun. Thermie ist sehr teuer und erzeugt Wärme, wenn man keine Wärme braucht, das heißt im Sommer. Es gibt die Übergangsmonate, wo man noch Sonne hat, aber es schon kalt ist. Während dieser Zeit kann man die Heizung ein bisschen zufüttern. Ungefähr 80 % der Energie, die man durch Thermie gewinnt, schmeißt man aber direkt wieder weg. Der Vorteil von Photovoltaik ist, dass man Strom ins Netz einspeisen kann, den man nicht braucht. Thermie macht nur ein warmes Dach.
Müssen Sie in den letzten Jahren mehr an der Forschung arbeiten, weil die Nachfrage und das Bewusstsein für einen nachhaltigeren Ressourcenverbrauch wächst?
Ich würde das anders beantworten. Das Interesse ist höher. Wir haben viel mehr Besucher als in den letzten Jahren, was teils an den neuen Messplätzen liegt. Letztes Jahr hatten wir ca. 300 Besucher. Es interessiert momentan extrem viele Leute. Gerade jetzt mit dem Ukraine-Krieg ist es nochmal eskaliert, weil auf einmal alle wissen, was Energie ist. Bevor ich meine Anlage hatte, wusste ich auch nicht, was eine Kilowattstunde ist, was man damit machen kann, und ich habe mir keine Gedanken über Wärme gemacht. Warum auch? Es war billig und man hatte es halt.
Jetzt hat sich der Blick extrem geschärft und die Leute sind auf einmal Energie-Experten und kennen plötzlich ihren Jahresverbrauch, was vor zwei Jahren noch undenkbar war. Man merkt einfach dieses Bewusstsein in der Bevölkerung. In der Forschung hatten wir eigentlich immer recht viel zu tun, weswegen ich mich da nicht beschweren kann.
Sehen Sie Solarmodule als Energiegewinnung der Zukunft?
Es ist billig, es ist verfügbar, man muss es nicht erst erforschen und wir haben noch ungefähr 7 bis 8 Jahre Zeit, um CO2-neutral zu werden. Das heißt, wir brauchen Technologien, die existieren. Photovoltaik sowie Windkraft gibt es bereits und beides kann man gut skalieren. Photovoltaik hat noch den Vorteil: Man kann es auf Dächer packen, die da sind, und es ist quasi antiproportional zur Windkraft. Wind hast du meistens, wenn es bewölkt ist oder in den Wintermonaten, und Sonne hast du eher, wenn es nicht bewölkt ist und wenn es Sommer ist. Das ergänzt sich sehr schön im Jahresgang, aber es reicht natürlich nicht aus. Irgendwann benötigt man einen Speicher. So weit sind wir aber noch lange nicht, dass das ein Problem darstellt. Sowohl im Sommer als auch im Winter haben wir meistens noch nicht genug Wind und Sonne, als dass wir alles im Netz ersetzen können und noch etwas übrighätten.
Zum Abschluss: Gibt es etwas, was Sie den Lesern noch zusätzlich mitgeben möchten? Wie sie beispielsweise etwas zur Energiewende nachhaltig beitragen können?
Fangt erstmal klein an! Gerade bei Photovoltaik hat man oft Respekt vor den teuren Investitionen. Ich arbeite auch hobbymäßig in der Energie-Genossenschaft, und wir machen ab und zu Infoveranstaltungen für Bürger/innen, aber da sitzen immer Männer im Rentenalter. Dann haben wir uns gefragt „Erreichen wir eigentlich die Jugend nicht?“ Das Problem ist einfach, dass du für die Energiewende Geld, ein Haus und Zeit brauchst.
Nur die gerade genannte Zielgruppe hat alle drei Punkte. Als Jugendliche die Eltern und die Großeltern zu überzeugen, ist der größte Hebel. Eine Art Einstiegsgeschichte sind Balkonkraftwerke. Man hat dann ein oder zwei Module, die man sich in den Garten stellen oder auf die Veranda hängen kann. Die Bürokratie ist recht gering. Das Ganze kostet irgendwie 600 Euro.
Mit sowas zu experimentieren und das Leuten im Umfeld zu zeigen, hat eine Art Strahlwirkung und man nimmt den Leuten die Angst weg.
Bei der Gemeinde fehlt einfach der Druck, weil sie so viele andere Aufgaben haben, sodass Photovoltaik ihnen egal ist. Gerade Schulen haben eine Super-Verbrauchskurve. Am Tag wird viel verbraucht und in der Nacht nichts – das ist perfekt für Photovoltaik. Die Anlagen rentieren sich jetzt gerade extrem bei den Strompreisen. Die sind nach 7 oder 8 Jahren bezahlt und halten 20 oder 30 Jahre. Man tut der Gemeinde etwas Gutes, sie so zu drängen. Man muss seinem Willen Ausdruck verleihen, und das möglichst konstruktiv.
Vielen Dank für das Gespräch!
Gerne.