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Hermann-von-Helmholtz-Symposium und -Preis

Reichweitenberechnungen von Bodenschätzen

Zeit:  11.15 Uhr

Referent:  Friedrich-Wilhelm Wellmer
Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und Niedersächsisches Landesamt für Bodenforschung (NLfB), Hannover

Die so genannte Reichweite von Reserven ist der Quotient aus derzeit bekannten Reserven und dem Verbrauch, den man statisch oder auch dynamisch sich ändernd betrachten kann. Die Verbräuche in diesem Quotienten sind leicht abschätzbar, nicht dagegen die Reserven. Reserven sind ein dynamisches Konzept, und die so genannte Reichweite ist immer nur eine statistische Momentaufnahme in einem dynamischen System.

Zunächst zum Begriff "Reserven": Reserven sind Lagerstätten mineralischer oder Energierohstoffe, die mit einem Gewinn abgebaut werden können. Da die Rohstoffpreise stark schwanken, geht man immer von einem gewissen Preiskorridor aus. Obwohl dies, mit Ausnahme von Uran, nicht üblich ist, müssten eigentlich alle Reservenangaben immer explizit mit einer Preisangabe versehen sein. Die weltweiten Reserven sind Summen der Einzelreserven der Bergbaufirmen, die sich mit dem Grad der Nachweissicherheit in sichere, wahrscheinliche und mögliche Reserven mit steigendem Unsicherheitsgrad einteilen lassen, im Wesentlichen der der Gehalte, weniger der Mengen, die hier beim Quotienten Reserven/Verbrauch entscheidend sind.

Die Reservenzahlen sind abhängig von vielen sich laufend ändernden Einflüssen: den Explorationsaktivitäten der Firmen, die bisher immer noch in der Lage waren, derartige Reserven durch Neufunde zu ersetzen, dem Lagerstättentyp, der statistischen Größenverteilung der Lagerstätten, dem Preisniveau (je höher die Preise, desto niedrighaltigere Lagerstätten können abgebaut werden), technologische Entwicklungen oder Entwicklungen, die die Kostenstruktur beeinflussen, z.B. Änderung des Steuerregimes, der Infrastruktur etc. Die Folge ist, dass Reservenzahlen sich laufend ändern. Da alle Parameter für jeden Rohstoff spezifisch sind, hat jeder Rohstoff auch ein rohstoffspezifisches Reserven-Verbrauchs-Gleichgewichts-Verhältnis, das für Blei und Zink z.B. um 25 liegt, bei Kupfer um 35, bei Erdöl zwischen 40 und 45 und bei Erdgas zwischen 60 und 65. Diese Gleichgewichtsverhältnisse gelten in etwa seit Ende des 2. Weltkrieges, obwohl z.B. die Zinkförderung von 1950 2,2 Mio to auf 8,8 Mio to im Jahre 2001 und die Erdölförderung von 1950 538 Mio to auf 3,5 Mrd to im Jahre 2001 gestiegen sind. Diese Kennzahlen der so genannten Reichweite, also der Quotient von Reserven zu Verbrauch sind zur Berechnung der wirklichen Reichweite total ungeeignet; die Zahlen sind eher ein Indikator für den Innovationsbedarf. Für Rohstoffe mit niedrigem Reserven/Verbrauchs-Quotienten ist ein höherer Innovations-, Forschungs- und Explorationsbedarf notwendig, um das langjährige Gleichgewicht zwischen Reserven und Verbrauch zu halten, als bei hohen Quotienten.

Das Konzept, eine Reichweite der Rohstoffe aus dem Quotienten Reserven und Verbrauch zu ermitteln, geht zudem von einer falschen Vorstellung aus. Es ist unmöglich, Rohstoffe auf einem Plateau (oder leicht ansteigendem Plateau) zu fördern, das dann abrupt abbricht. Förderkurven haben einen glockenförmigen Verlauf, wobei sich der auslaufende Ast asymptotisch der Nulllinie nähert. Diese glockenförmigförmige Lebenskurve (die so genannte Hubbert-Kurve) kann als Hilfsmittel benutzt werden - nicht die Reichweite der Reserven zu ermitteln, sondern das Maximum der Förderung (den so genannten Depletion Midpoint), bei dem in der Regel 50 % der Reserven gefördert worden sind. Das ist bei allen Rohstoffen, mit Ausnahme bei konventionellem Erdöl, bisher nicht möglich, da die noch zu entdeckenden Potenziale nicht zufrieden stellend abgeschätzt werden können. Bei konventionellem Erdöl lässt sich abschätzen, dass dieser Depletion Midpoint um das Jahr 2020 herum erreicht wird. Fördersteigerungen aus relativ billig zu gewinnendem konventionellem Öl sind dann nicht mehr möglich, der zusätzliche, wahrscheinlich immer noch steigende Energiebedarf, muss durch andere Energiequellen gedeckt werden, z.B. unkonventionelles Erdöl aus Ölsanden und Schweröllagerstätten, andere fossile Energierohstoffe oder erneuerbare Energiequellen.

Kurzbiographie Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. mult. Friedrich-Wilhelm Wellmer

Geboren am: 23. Juni 1940 in Lübeck

  • 1962 - 1966 Studium Geologie und Bergbau an den Technischen Universitäten Berlin und Clausthal
  • 1966 - 1970 Assistent an der Technischen Universität Clausthal mit einjähriger Unterbrechung für USA-Aufenthalt 1970 Promotion an der Technischen Universität Clausthal
  • 1970 - 1973 Assistent des Chefgeologen im Geschäftsbereich Bergbau der Metallgesellschaft AG, Frankfurt/Main. Exploration auf Buntmetalle und Chemie-rohstoffe weltweit
  • 1973 - 1976 Für die Metallgesellschaft tätig in einem kanadischen Explorations-Joint-Venture bei der kanadischen Bergbaufirma Teck Corp. 1976 - 1979 Exploration Manager Western Canada für Metallgesellschaft Canada Ltd., in Vancouver, B.C., Kanada
  • 1979 - 1982 Referent im Referat Mineralische Rohstoffe des Bundesministeriums für Wirtschaft, Bonn
  • 1982 - 1986 Director of Exploration, Metallgesellschaft of Australia Pty. Ltd., Melbourne, Australien 1986 Ruf auf den Lagerstättenkunde-Lehrstuhl (C4) der TU Berlin. Ruf abgelehnt aus persönlichen Gründen
  • 1987 - 1996 Leiter der Abteilung Wirtschaftsgeologie, Internationale Zusammenarbeit der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Hannover
  • ab 01.11.1996 Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe und des Niedersächsischen Landesamtes für Bodenforschung, Hannover
  • seit 1992 Honorarprofessor an der Technischen Universität Berlin für das Gebiet Rohstoffpolitik und Wirtschaftsgeologie
  • Juni 1999 Verleihung der Ehrendoktorwürde (Dr. rer. nat. h.c.) der Technischen Universität Bergakademie Freiberg
  • Mai 2002 Verleihung der Georg-Agricola-Denkmünze
  • Januar 2003 Verleihung der Ehrendoktorwürde (Dr. rer. nat. h.c.) der Technischen Universität Clausthal