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Heft 2: Aus der metrologischen Welt

PTB-Mitteilungen 2/2018

Zum Gedenken an Prof. Dr.-Ing. Dieter Kind

Professor Dr.-Ing. Dieter Kind verstorben

Der ehemalige Präsident der PTB wurde 88 Jahre alt

Unter den 14 Persönlichkeiten, welche die PTB bzw. ihre Vorgängerinstitution, die Physikalisch- Technische Reichsanstalt (gegründet 1887), bis heute geleitet haben, fällt bei Dieter Kind die Länge seiner Amtszeit (von 1975 bis 1995) auf. Kein Präsident vor ihm und keiner nach ihm bekleidete so lange das Präsidentenamt. Aber das eigentlich Bemerkenswerte sind die Wirkungen, die Dieter Kind für die PTB erzielen konnte, nicht nur national, sondern auch international, etwa als Präsident des höchsten Gremiums in der Welt der Metrologie, des Internationalen Komitees für Maß und Gewicht der Meterkonvention.

Die Doppelnatur des Neutrons: Teilchen und Welle

Neutronen gehören neben Protonen zu den Bausteinen der Atomkerne; sie sind dort durch die starke Kernkraft fest gebunden.

Speziell können Neutronen in Laboratorien jedoch auch als frei fliegende Teilchenstrahlen erzeugt und als Geschossteilchen dazu benutzt werden, um Atomkerne zu beschießen und so Kernreaktionen der Neutronen zu erforschen.

Neutronenstrahlen mit niedrigen Energien (s. Glossar: Neutronengeschwindigkeit) können an Forschungsreaktoren erzeugt werden. Zur Erzeugung von Neutronen höherer Energie benötigt man einen Teilchenbeschleuniger.

Je nachdem, welchen Neutronen-Prozess man beschreiben möchte, besitzt das Neutron nach den Vorstellungen der Quantentheorie die Eigenschaft eines Teilchens oder einer Welle.

Ehemaliger Forschungsreaktor der PTB

Mehr als zwanzig Jahre ist es her, dass der Forschungs- und Messreaktor der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig (sein Akronym: FMRB) letztmalig seine Aufgabe erfüllte: Neutronen für die Forschung zu produzieren. Von 1967 bis 1995 war der Reaktor ein wichtiges Werkzeug für die messtechnischen Aufgaben der PTB. Am Reaktor wurde Grundlagenforschung zur Neutronenund Festkörperphysik betrieben, wurden Messinstrumente geprüft und kalibriert sowie neue Messverfahren für die Dosimetrie entwickelt.

Die Entscheidung, den Reaktor stillzulegen, folgte rein wirtschaftlichen Überlegungen. Die verbleibenden Arbeiten konnten die Wissenschaftler am PTB-eigenen Teilchenbeschleuniger oder auch an anderen externen Neutronenquellen, etwa am Forschungsreaktor in Geesthacht oder am Institut Laue-Langevin in Grenoble, durchführen. Der Reaktor wurde dann im Laufe mehrerer Jahre nach allen Regeln der Kunst und vor allem allen Regeln des Atomgesetzes rückgebaut, bis er schließlich im Jahr 2005 – zehn Jahre nach seiner Abschaltung – aus der atomrechtlichen Aufsicht des Niedersächsischen Umweltministeriums entlassen wurde. Heute sind in der Gebäudehülle des ehemaligen Reaktors die Werkstätten, Labore und Büros des Wissenschaftlichen Gerätebaus der PTB untergebracht.

Sicherung der Qualität von Verbrauchszählern für zukünftige Zeiträume

Im OIML Guide 20 [1] ist aufgeführt, dass die zwei Schlüsselelemente der metrologischen Qualitätskontrolle für Verbrauchsmessgeräte deren Überprüfung vor Inbetriebnahme sowie Überprüfungen in regelmäßigen Zeitabständen während des Betriebs sind.

Für die regelmäßige Überprüfung nach Inbetriebnahme hat die PTB ein Verfahren entwickelt, welches mit hoher Sicherheit garantiert, dass 95 % der Messgeräte die wesentlichen Anforderungen zu jedem Zeitpunkt einhalten. Dieses Verfahren geht über den Rahmen des OIML Guide 20, derzeitige Praxis und bisherige deutsche Vorschriften hinaus, die lediglich garantieren, dass Messinstrumente die Anforderungen zum Zeitpunkt der Prüfung einhalten.

Technologieangebote

Ein Kraft-Hebel-System zur genauen Messung von Drehmomenten unter Mehrkomponentenbelastung

Die rückführbare Messung von Drehmomenten größer 2MN ∙ m ist z. B. für die Windenergiebranche von enormer Bedeutung. Die neue PTB-Erfindung ermöglicht die Rückführung durch eine Zerlegung des Drehmoments in mehrere Kraftsignale, die über eine definierte Hebellänge gemessen werden. Außerdem ist der Drehmomentsensor in der Lage, die meisten Störkomponenten zu entkoppeln. Daraus ergibt sich eine genaue Methode mit einer Messunsicherheit von höchstens 1 %.

Spannungsteiler mit eigener Rückführung spart Zeit

Zur Messung von hohen Spannungen im Bereich von 200 kV müssen Spannungsteiler verwendet werden. Sie teilen große Spannungen in kleinere auf, die erst dann vermessen werden können. Dabei bestimmt der Teilungsfaktor die Signalgröße und muss durch regelmäßiges Kalibrieren an nationalen Normalen präzise bestimmt werden. Forschern der PTB ist es gelungen, einen sich selbst rückführbaren Spannungsteiler zu entwerfen, der flexibel in Prüflaboratorien einsetzbar ist. So wird der operative und zeitliche Aufwand einer Kalibrierung eingespart.

Einbau vermischt Fluide auf kurzer Strecke

Herkömmliche Mischvorgänge aerosoler oder fluider Medien z. B. in der Abgasmesstechnik werden derzeit durch eine seitlich zur Strömungsstrecke eingespeisten Einströmung erreicht. Dabei wird eine homogene Vermischung erst durch lange Wegstrecken im Strömungskanal erreicht. Durch den neuen PTB-Einbau reduziert sich diese Vermischungsstrecke, wodurch Materialkosten und Platz gespart werden. Außerdem wird jetzt eine vollständige Durchmischung zweier Ströme ohne Bildung von Grenzschichten ermöglicht.

Effizientere Ebenheitsmessung durch das Tiltmeter-EADS

Derzeit werden Ebenheitsmessungen hauptsächlich mit teuren Autokollimatoren oder Interferometern realisiert. Die PTB-Erfindung „Tiltmeter-EADS“ (Exact Autocollimation Deflectrometric Scanning) ermöglicht die Vermessung der Oberflächentopografie großer Flächen ohne solche komplexen optischen Systeme. Der vereinfachte Aufbau der PTB-Technologie verwendet einen Autokollimator lediglich als Nullinstrument, während die eigentliche Messung bzw. die Neigungsbestimmung des Probentisches über ein Tiltmeter ausgeführt wird. Damit greifen die Forscher auf einfachere Komponenten zurück, um schnellere und präzisere Messergebnisse zu erhalten. Der neue Aufbau ermöglicht zudem eine Kostenreduktion gegenüber herkömmlichen Systemen.

3D-AFM: Verbesserte 3D-Empfindlichkeit

Die heutige Rasterkraftmikroskopie beziehungsweise atomic force microscopy, kurz AFM, steht vor der Herausforderung dreidimensionale Strukturen zuverlässig zu messen. Bisher funktioniert das nicht ganz fehlerfrei: handelsübliche Kantilever, das ist die Messnadel eines AFM, reagieren unausgeglichen, wenn sie Kräften der drei Raumdimensionen ausgesetzt sind. Forscher der PTB lösen dieses Problem mit neuen Kantilevern: Diese reagieren dank ihrer neuen Struktur sensitiver bei dreidimensionalen Einflüssen und rutschen nicht beim Rastern von Schrägen unterschiedlicher Steigungen.

Interface für inkrementale Drehgeber

In Kraftwerkswarten, Anlagensteuerungen und vielen Kontrollräumen finden sich noch tausende von analogen Drehregelungen. Um hier eine digitale Umrüstung zu ermöglichen, dabei aber die Vorteile eines feinfühligen Drehpotentiometers zu erhalten, hat die PTB ein Umrüst-Set entwickelt, das mit vielen digitalen Ansteuerungen kompatibel ist.

Kalte Kabel für „trockene“ Kryostate

In modernen Tieftemperatursystemen werden zunehmend „trockene“ Kryostate verwendet, die im Vakuum, allein durch direkten thermischen Kontakt, kühlen. Kabel und elektrische Leitungen können dabei den Kühlprozess behindern, wenn sie nicht an geeigneten Stellen von der Raumtemperatur auf die Betriebstemperatur abgekühlt werden. PTB-Forscher entwickelten deshalb zwei neue Konstruktionen zur thermischen Kontaktierung von Rund- und Flachbandkabeln. Wärmeflüsse, die über die Zuleitungen zu einem Sensor gelangen, können mit der neuen Technologie minimiert werden. Das ist besonders hilfreich bei einer Temperatur unter 4 Kelvin.

Mehr Sicherheit für Messgeräte durch Hash-basierte Prüfung

Nach dem neuen Mess- und Eichgesetz muss die Software in einem Messgerät regelmäßig auf Datenintegrität überprüft werden. PTBForscher entwickelten für diese Überprüfung ein sicheres Verfahren. Genutzt wird dabei anstatt der herkömmlichen Checksummen- Berechnung eine robustere Hash-Überprüfung mittels Seperationskernen. Das garantiert mehr Sicherheit gegen Manipulationen durch intelligente Schadsoftware und spart Platz für das Speichern der Dateisystemstruktur. Für die geplante Überprüfung von Messgeräten über riskante, offene Netzwerke, z. B. über Cloud-Systeme, gewährleistet das neue PTB-Verfahren eine ausreichende Daten-Sicherheit. Umständliche Vorort-Prüfungen könnten somit völlig entfallen.