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Heft 4: Metrologie mit Synchrotronstrahlung, Teil 2

PTB-Mitteilungen 4/2014

Radiometrie für die EUV-Lithographie

Frank Scholze*, Christian Laubis, Annett Barboutis, Christian Buchholz, Andreas Fischer, Jana Puls, Christian Stadelhoff

Ein wesentlicher Schritt zur Herstellung integrierter Schaltkreise ist die lithographische Strukturierung von Halbleiterwafern für die Transistor- und Leiterbahnen. Dazu wird ein optisches Lithographieverfahren angewandt, dessen Auflösungsvermögen durch die Wellenlänge des verwendeten Lichts begrenzt wird. Die derzeit verwendete Wellenlänge eines ArF-Lasers von 193 nm ist zu lang, um die zukünftig benötigten kleinen Strukturen in einem Belichtungsvorgang herzustellen. Nach der „Roadmap“ der Halbleiterhersteller soll für die Lithographie zur Chipfertigung mit Strukturbreiten von weniger als 10 nm zukünftig extrem ultraviolette (EUV) Strahlung bei einer Wellenlänge von 13,5 nm eingesetzt werden [1, 2]. Wesentliche Komponenten für eine EUV-Lithographiemaschine sind eine leistungsstarke EUV-Plasma-Strahlungsquelle, eine Beleuchtungsoptik, die Reflexionsmaske und eine Projektionsoptik, die die Maske verkleinert auf den Wafer abbildet. Alle diese Komponenten haben Spezifikationen, die eine technologische Herausforderung darstellen und umfangreiche Neu- und Weiterentwicklung erfordern. Damit verbunden besteht die Notwendigkeit, die Messtechnik weiterzuentwickeln, insbesondere auch bei der Arbeitswellenlänge um 13 nm („at wavelength“). Da für die Entwicklung hochwertiger Messtechnik brauchbare EUV-Strahlungsquellen fehlten, wurde diese „At-Wavelength-Metrologie“ weltweit zunächst an Elektronenspeicherringen mit Synchrotronstrahlung durchgeführt, in den USA insbesondere an der Advanced Light Source (ALS) in Berkeley durch das Center for X-ray Optics (CXRO) [3] und beim NIST in Gaithersburg am Speicherring SURF III [4, 5] sowie in Europa bei der PTB in Berlin mit ihren EUV-Strahlrohren an den Speicherringen BESSY I (früher), BESSY II (derzeit) und seit Oktober 2013 auch an der Metrology Light Source (MLS) [6].

Streuverfahren an nanostrukturierten Oberflächen

Frank Scholze*, Anton Haase, Michael Krumrey, Victor Soltwisch, Jan Wernecke

EUV-Strahlung und Röntgenstrahlung eignen sich aufgrund ihrer kurzen Wellenlänge von wenigen Nanometer bis ca. 0,1 nm gut für die Untersuchung von Strukturen mit Dimensionen im Nanometer-Bereich. Derartige Strukturen gewinnen in vielen Gebieten der Technik an Bedeutung, vor allem in der Halbleiterindustrie. Moderne Computerchips sind sehr komplexe dreidimensionale Strukturen mit typischen Abmessungen der elektronischen Einzelkomponenten im Bereich weniger 10 nm. Nanostrukturierte Oberflächen werden zunehmend auch für viele andere Anwendungen eingesetzt, z. B. bei Antireflexionsschichten für Solarzellen oder biologisch-chemisch aktiven Oberflächen. Für die Charakterisierung dieser Oberflächen reicht die optische Mikroskopie wegen ihres durch die Wellenlänge des verwendeten Lichtes begrenzten Auflösungsvermögens nicht mehr aus. Scannende Mikroskopie- Verfahren wie Atomic Force Microscopy (AFM) und Scanning Electron Microscopy (SEM) erreichen zwar die notwendige Auflösung, sind jedoch sehr langsam und können nur kleine Bereiche erfassen. Eine Alternative bietet die Messung über die Streuung kurzwelliger Strahlung, mit der – wie bei der Röntgenkleinwinkelstreuung (Small-Angle X-ray Scattering, SAXS) an Nanopartikeln [1] – Aussagen über die Ensemble-Eigenschaften der streuenden Objekte gewonnen werden können. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass man für die Untersuchung von Oberflächen nicht den Strahl in Vorwärtsrichtung nutzen kann, da dieser im Substrat absorbiert wird. Stattdessen beobachtet man den reflektierten Strahl. Da im Röntgenbereich die Strahlung nur unter streifendem Einfall (engl. Grazing Incidence, GI) reflektiert wird, bezeichnet man dieses Verfahren als GISAXS. Im EUV-Bereich wird die Strahlung an geeigneten Strukturen allerdings auch bei nahezu senkrechtem Einfall reflektiert, was in der so genannten EUV-Scatterometrie ausgenutzt wird.

Größenbestimmung von Nanopartikeln mit Röntgenkleinwinkelstreuung

Michael Krumrey*, Raul Garcia-Diez, Christian Gollwitzer, Stefanie Langner

Die Röntgenkleinwinkelstreuung (Small-Angle X-ray Scattering, SAXS) ist eine etablierte Methode zur dimensionellen Charakterisierung von Objekten in Nanometerbereich [1]. Sie erlaubt zum Beispiel die Größenbestimmung von Mikro- und Nanopartikeln mit mittleren Durchmessern im Bereich zwischen wenigen nm und etwa 300 nm. Für hinreichend monodisperse Nanopartikel konnte im PTB-Labor bei BESSY II in den letzten Jahren eine metrologische Rückführung auf das SI-Einheitensystem erreicht werden, was für viele Anwendungen der dimensionellen Nanometrologie von großer Bedeutung ist. Aber auch an Nanopartikeln mit breiterer Größenverteilung lassen sich dimensionelle Untersuchungen durchführen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Methode, den in der PTB verwendeten experimentellen Aufbau sowie die Auswertung von SAXS-Messungen und zeigt Beispiele für die rückgeführte Größenbestimmung von Referenzmaterialien und die Untersuchung von biologischen Nanoobjekten.

Röntgenspektrometrie mit Synchrotronstrahlung

Matthias Müller*, Martin Gerlach, Ina Holfelder, Philipp Hönicke, Janin Lubeck, Andreas Nutsch, Beatrix Pollakowski, Cornelia Streeck, Rainer Unterumsberger, Jan Weser, Burkhard Beckhoff

Die röntgenspektrometrische Methodik, welche u. a. durch radiometrisch kalibrierte Instrumentierung die physikalische Rückführbarkeit der Quantifizierung auf SI-Einheiten gewährleistet, stellt derzeit ein Alleinstellungsmerkmal der PTB dar. Für die Röntgenspektrometrie stehen verschiedene Strahlrohre im PTB-Laboratorium bei BESSY II in den Spektralbereichen weicher und harter Röntgenstrahlung (78 eV bis 10,5 keV) sowie darüber hinaus die BAMline für Photonenenergien bis 60 keV zur Verfügung [1–4]. Durch röntgenspektrometrische Verfahren können Oberflächen, Festkörper, Flüssigkeiten, Nanoschichten und Nanostrukturen hinsichtlich physikalischer und chemischer Eigenschaften wie Elementgesamtgehalte, Elementtiefenprofile, Schichtdicken, Spezies- und Koordinationsanteile charakterisiert werden. Die in den großen Themenbereichen wie Gesundheit, Energie, Verkehr und Klimaschutz angestrebte Funktionalität nanoskaliger Materialien wird durch ihre physikalischen und chemischen Eigenschaften auf verschiedenen Größenskalen realisiert. Immer kürzere Technologieentwicklungszyklen solcher Materialien erfordern zuverlässige analytische Charakterisierungsmethoden für eine zeitnahe Korrelation der Funktionalitäten mit den zugrunde liegenden Materialeigenschaften. Lediglich einige wenige Referenzmaterialien in den verschiedenen Kategorien mit nanoskaligen Strukturen oder Nanoschichten stehen mehrere Dutzend neue Materialien pro Monat gegenüber. Dies reicht im zunehmenden Maße nicht mehr für eine zuverlässige Gewährleistung der chemischen Rückführbarkeit vieler Charakterisierungstechniken aus. Diesem die Materialforschung und -entwicklung begrenzende Umstand kann u. a. durch physikalische Referenzmessverfahren, wie der Röntgenspektrometrie, begegnet werden.

Mikro- und Nano-Spektroskopie und Detektorcharakterisierung im IR- und THz-Bereich an der Metrology Light Source

Peter Hermann*, Arne Hoehl, Andrea Hornemann, Bernd Kästner, Ralph Müller, Burkhard Beckhoff, Gerhard Ulm

Elektronenspeicherringe als Synchrotronstrahlungsquellen wurden zuerst zur Erzeugung hochbrillanter Strahlung vom Vakuum-UV- bis zum Röntgen-Spektralbereich genutzt. Diese hohe Brillanz (bzw. spektrale Strahldichte), die auch im Infrarot(IR)-Bereich zwei bis drei Größenordnungen höher ist als die thermischer Strahler, und die Breitbandigkeit des Synchrotronstrahlungsspektrums haben dazu geführt, dass seit Beginn der 1980er-Jahre Speicherringe auch als IR-Strahlungsquellen genutzt werden [1]. Neben der hohen Brillanz sind auch im IR-Bereich der hohe Polarisationsgrad und die Zeitstruktur der Synchrotronstrahlung (SR) mit Pulsdauern im ps-Bereich von Vorteil. Heute wird weltweit SR im IR-Bereich an etwa 30 Speicherringen genutzt [2]. Basierend auf der hohen Brillanz wird im mittleren IR (MIR) und fernen IR (FIR) vor allem Mikrospektroskopie mit Ortsauflösung bis zum Beugungslimit durchgeführt. Viele der Anwendungen liegen im Bereich der Materialwissenschaften, Biologie oder Medizin [2–4].

Die PTB hat an den Speicherringen BESSY I und II mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Nutzung von SR für die Metrologie gesammelt, dort allerdings nicht im IR-Bereich [5]. Dieser Bereich wurde für die PTB erst an der Metrology Light Source (MLS) erschlossen durch den Aufbau von zwei dedizierten Strahlrohren für den IR- und den Terahertz(THz)-Bereich [6, 7]. Die MLS selbst wurde als erster Speicherring weltweit bereits in der Planungsphase dafür optimiert, im Sonderbetrieb mit besonders kurzen gespeicherten Elektronenbunchen kohärente Strahlung im THz-Bereich zu erzeugen mit Strahlungsleistungen von bis zu 60 mW [8–10].

Oberflächenuntersuchungen mit Vakuum-UV-Strahlung

Michael Kolbe*, Erik Darlatt, Rolf Fliegauf, Hendrik Kaser, Alexander Gottwald, Mathias Richter

Neue Materialien sind in vielen Bereichen der Schlüssel für technologische Entwicklungen. Dabei spielt die Quantifizierung relevanter Materialparameter wie die elektronische, chemische und morphologische Struktur sowie die elementare Zusammensetzung eine zentrale Rolle. Der Mangel an geeigneten Referenzproben für quantitative analytische Verfahren erfordert in diesem Zusammenhang jedoch oft eine messtechnische Rückführung. Daher wurden mit der Inbetriebnahme des PTB-Laboratoriums bei BESSY II im Jahre 1999 und der MLS im Jahre 2008 neben und basierend auf der Radiometrie [1–5] verschiedene Themen der Materialmetrologie mit Synchrotronstrahlung aufgegriffen, die auch umfangreiche Beteiligungen im Rahmen des Europäischen Metrologie- Forschungsprogramms EMRP möglich gemacht haben. Dies betrifft die Röntgenspektrometrie und die referenzprobenfreie Röntgenfluoreszenzanalytik [6], die Nanometrologie, d. h. die rückführbare Bestimmung von Partikelgrößen [7], Oberflächenstrukturen [8] und Schichtdicken [5] im Nanometerbereich durch Röntgenkleinwinkelstreuung und -reflektometrie, die Mikro- und Nanospektroskopie im Infrarot- und THz-Bereich [9] sowie Oberflächenuntersuchungen mit Synchrotronstrahlung im Spektralbereich des Vakuum-UV (VUV). Dazu werden im Folgenden erste Ergebnisse der Ellipsometrie in diesem Spektralbereich vorgestellt, die in einer vertraglich vereinbarten Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften ISAS (AG Prof. N. Esser) erzielt wurden, sowie der Photoelektronenspektroskopie im Rahmen einer vertraglich vereinbarten Kooperation mit der TU Berlin (AG Prof. W. Eberhardt).