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Heft 3: 13. BAM-PTB-Kolloquium zur chemischen und physikalischen Sicherheitstechnik

PTB-Mitteilungen 3/2013

Bericht über das 13. BAM-PTB-Kolloquium 2013 in Braunschweig

Michael Beyer, Thomas Schendler

Seit über 30 Jahren veranstalten PTB und BAM gemeinsam die Kolloquien zu Fragen der chemischen und physikalischen Sicherheitstechnik. Die Veranstaltung führt die betroffenen Kreise aus dem Bereich des Explosionsschutzes zusammen, insbesondere die Hersteller explosionsgeschützter Geräte und Schutzsysteme, die Betreiber von Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen sowie die Behörden- und Sachverständigenvertreter aus diesem Arbeitsgebiet. In teils wissenschaftlichen, teils anwendungsorientierten Beiträgen präsentierten beide Bundesanstalten wieder aktuelle Entwicklungen und Forschungsergebnisse aus ihrem gemeinsamen Arbeitsbereich „Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik“. Schwerpunkte der Fachvorträge bildeten die Themen „Anforderungen aus dem Regelwerk“, „Stoffeigenschaften“, „Zündquellen“ und „Explosionsvorgänge“. Abgerundet wurde das Programm durch eine Poster-Ausstellung.

Einführung des internationalen „PTB Ex Proficiency Testing Scheme“ für Vergleiche zwischen Ex-Laboratorien

Uwe Klausmeyer, Jia Wu, Tim Krause, Thomas Horn, Ulrich Johannsmeyer

Eine stetig steigende internationale Vernetzung der Industrie und ein Fortschreiten der wirtschaftlichen Verflechtungen haben auch im Bereich des Explosionsschutzes zur Folge, dass es immer notwendiger wird, einheitliche Systeme zur Konformitätsbewertung der im Explosionsschutz eingesetzten Geräte voranzutreiben und somit den Abbau von Handelshemmnissen zu fördern. Das IECEx-System ist ein weltweit einheitliches Prüf- und Zertifizierungssystem im Bereich des Explosionsschutzes, welches von einer Vielzahl von Ländern anerkannt ist und sich im stetigen Wachstum befindet. Auf der Grundlage von internationalen IEC-Normen werden Prüfungen durchgeführt und Zertifikate ausgestellt. Diese Zertifikate werden von den Teilnehmerländern teilweise oder vollständig anerkannt und ersparen den Herstellern von Ex-Geräten den Mehraufwand durch multiple Zulassungsverfahren. Dadurch ist in Zukunft nur noch ein einziges Zertifikat nötig, um das weltweite Inverkehrbringen der Produkte zu gewährleisten. Diese voranschreitende Harmonisierung der Konformitätsbewertung im Explosionsschutz kann nur funktionieren, wenn alle Beteiligten nach denselben Grundlagen arbeiten und eine vergleichbare Qualität liefern. Um dies zu gewährleisten gibt es einerseits einheitliche Regeln in Form von IEC-Normen und nun zusätzlich die aktive Teilnahme an Vergleichsmessungen. Das „PTB Ex Proficiency Testing Scheme“ ist das erste allumfassende Ringvergleichsprogramm seiner Art im Explosionsschutz. Es dient als Kompetenznachweis und bietet den Prüflaboratorien ein komplettes System zur eigenen Leistungsbewertung.

Simulation und experimentelle Untersuchungen der Schwergasausbreitung

Abdelkarim Habib, Bernd Schalau, Dirk Schmidt

Aufgrund gestiegener Rechnerleistung finden heutzutage numerische Strömungssimulationen aus dem Bereich der CFD (Computational Fluid Dynamics) immer mehr Eingang in die Sicherheitstechnik. Bisherige Berechnungsverfahren zur Schwergasausbreitung basieren zum Teil auf empirischen Annahmen und sind in ihrem Anwendungsbereich eingeschränkt. Die zugrunde liegenden Formeln und Theorien erlauben außerdem meist nur eindimensionale Aussagen bezüglich der Konzentrationsverteilung in der Umgebung. Anhand von Literaturdaten und eigenen Freifeldversuchen zur Schwergasausbreitung soll die Leistungsfähigkeit von CFD-Berechnungen hinsichtlich ihres Kosten/ Nutzen-Verhältnisses sowie im Vergleich zu herkömmlichen Modellen bewertet werden. Während die eigenen Freifeldversuche hauptsächlich zur Validierung der numerischen Simulationen dienen, können anhand der in der Literatur veröffentlichten Daten Vergleiche mit z. B. der VDI-Richtlinie 3783, Blatt 2 durchgeführt werden.

Entzündbare Gasgemische in Biogasanlagen

Volkmar Schröder, Robert Pahl

Die Zahl der Biogasanlagen in Deutschland hat mit dem Ausbau regenerativer Energie stark zugenommen. In den Anlagen wird durch Zersetzung von organischem Material entzündbares Biogas gewonnen, das in seiner Zusammensetzung stark schwankt. Hauptbestandteile von Biogas sind Methan und Kohlendioxid, aber auch je nach Prozessstufe Wasserdampf, Stickstoff, Sauerstoff und Verunreinigungen, die teilweise toxisch sein können. Zudem beginnt man in größeren Anlagen Biogas zu Biomethan aufzuarbeiten, um es dann direkt ins Erdgasnetz einspeisen zu können. In der Entwicklung befinden sich zurzeit auch gekoppelte Biogasund Elektrolyseanlagen. Mithilfe der Elektrolyse von Wasser können Überschüsse an elektrischer Energie aus Wind- und Solaranlagen zu Wasserstoff verarbeitet werden (Power-to-Gas-Technologie). Um zuverlässige Daten für den Explosionsschutz beim Umgang mit den in den Anlagen vorhandenen Gasgemischen zur Verfügung zu stellen, hat die BAM in den letzten Jahren Explosionsbereiche von Gemischen aus Methan, Wasserstoff, Kohlendioxid, Wasserdampf, Luft und Sauerstoff in Anlehnung an die Norm EN 1839 gemessen und als Eckdaten zur Verfügung gestellt. Mit Hilfe dieser Daten lässt sich die Explosionsfähigkeit der Gasgemische in Biogasanlagen zuverlässig abschätzen. Auf dieser Grundlage können entsprechende Explosionsschutzmaßnahmen vorgenommen werden.

Zündtemperaturen brennbarer Flüssigkeiten in Abhängigkeit von der Umschließung

Christian Papp, Elisabeth Brandes, Werner Hirsch, Marcus Marx

Einige Substanzen mit einer Normzündtemperatur zwischen 300 °C und 450 °C weisen im geschlossenen Gefäß bei 1 bar eine deutlich niedrigere Entzündungstemperatur auf. Das Verfahren nach Norm sowie ein abgewandeltes Verfahren zu Bestimmung der Entzündungstemperatur bei 1 bar im geschlossenen Gefäß werden beschrieben. Als mögliche Ursache für die Unterschiede werden Gasaustausch mit der Atmosphäre, Volumen und Material des Zündgefäßes sowie Kaltflammenreaktionen diskutiert. Die Ergebnisse der Versuchsreihen werden für mehr als 30 Stoffe aufgeführt.

Zündwirksamkeit von Ultraschall beim Einsatz in explosionsfähigen Atmosphären

Lars Hendrik Simon, Thomas Fedtke, Volker Wilkens, Michael Beyer

Ultraschall ist nach EN 1127-1:2011 [1] und den Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) 2152 Teil 3 [2] eine von 13 Zündquellenarten. Für den Einsatz in explosionsfähigen Atmosphären ist derzeit ein Grenzwert von 1 mW/mm² festgelegt. Allerdings basiert dieser Grenzwert auf theoretischen Betrachtungen in Analogie zu anderen Zündquellen, zu denen keine aussagekräftigen Veröffentlichungen oder Aufzeichnungen existieren. In Anbetracht neuer Einsatzmöglichkeiten von Ultraschall in der Industrie war es nötig, den bestehenden Grenzwert durch experimentelle und theoretische Untersuchungen zu überprüfen. Dabei ist es erstmals gelungen, mittels Ultraschall explosionsfähige Atmosphären zu zünden [3]. Gleichzeitig haben die Untersuchungen ergeben, dass der bestehende Grenzwert erheblich ausgeweitet werden kann. Insbesondere zeigte sich, dass eine direkte Zündung einer explosionsfähigen Atmosphäre durch den Ultraschall nicht möglich ist. Stattdessen erfolgt die Zündung an der heißen Oberfläche eines durch die Absorption der Ultraschallwelle erwärmten Mediums im Ultraschallfeld. Zudem empfiehlt sich eine Unterscheidung von Ultraschall in gasförmigen und in flüssigen Medien. Für beide Fälle lassen sich technische Maßnahmen feststellen, mit denen die Zündung durch Ultraschall verhindert werden kann.

Zündung, Ausbreitung und Unterdrückung von Explosionen in einem Mikroreaktor

Christian Liebner, Hartmut Hieronymus, Sebastian Heinrich, Florian Edeling, Thomas Lange, Elias Klemm

Der vorliegende Beitrag behandelt spezifische Aspekte der Sicherheitstechnik bei heterogen katalysierten Oxidationsreaktionen. Ergebnisse von Explosionsuntersuchungen an Ethen-Sauerstoffgemischen in einem kontinuierlich betriebenen Mikroreaktor, die beispielsweise für den Ethylenoxidprozess relevant sind, werden vorgestellt. Der Anfangsdruck der untersuchten Eduktgemische lag zwischen 1000 hPa und 10 000 hPa bei Anfangstemperaturen zwischen Umgebungstemperatur und einer Temperatur bis zu 673 K. Mikrostrukturierte Reaktoren bieten einen erweiterten Bereich von Betriebsbedingungen. Die Untersuchungen zielen auf den sicheren Betrieb eines Mikroreaktors bei Bedingungen, die bei konventionellen Reaktoren als innerhalb des Explosionsbereichs eingestuft werden, ab. In bestimmten Grenzen kann eine Unterdrückung von Explosionen in einem Mikroreaktor erreicht werden. Es ist jedoch nicht möglich, einen Mikroreaktor unter allen Bedingungen sicher zu betreiben. Aus diesen Gründen wurde die Explosionsausbreitung durch einen mikrostrukturierten Reaktor hindurch und die Zündung einer Gasphasenexplosion durch Hot- Spots in dem Reaktor untersucht. Die angewandten Untersuchungsmethoden sind Gegenstand aktueller Normungsaktivitäten.

Explosionsdruckentlastung durch permeable Werkstoffe

Julia Hornig, Detlev Markus, Martin Thedens, Karl-Heinrich Grote

Das bisherige Schutzkonzept der Zündschutzart „Druckfeste Kapselung“ beruht auf massiv ausgelegten Gehäusen und hinreichend kleinen Spaltweiten bei großen Spaltlängen, damit sich eine im Gehäuseinneren auftretende Explosion nicht außerhalb des Gehäuses fortsetzen kann. In dieser Arbeit wird ein innovatives Schutzkonzept zur Weiterentwicklung dieser Zündschutzart hin zu schlankeren Gehäusekonstruktionen vorgestellt. Hiermit ist zukünftig eine wirtschaftlichere und individuellere Produktentwicklung explosionsgeschützter Geräte möglich, ohne das Sicherheitsniveau der Zündschutzart zu gefährden. Die Grundlage hierfür bildet die konstruktive Kombination zweier bewährter Schutzprinzipien: In die Wände druckfester Gehäuse werden als Flammensperren fungierende permeable Werkstoffe integriert, die den bei einer Explosion im Inneren des Gehäuses entstehenden Druck zünddurchschlagsicher entlasten. Durch diese Funktionsintegration der Einzelfunktionen „Druckentlastung“ und „Verhinderung eines Zünddurchschlags“ in einem Konstruktionselement – dem Druckentlastungselement aus einem permeablen Werkstoff – wird hierbei im Unterschied zur herkömmlichen flammenlosen Explosionsdruckentlastung eine kontinuierliche Entlastung ab dem Beginn der Explosion ermöglicht. Die durchgeführten Untersuchungen belegen einen für jeden Werkstoff charakteristischen funktionalen Zusammenhang zwischen der erreichbaren Druckentlastung und der eingebauten Entlastungsfläche, mit dem die Druckentlastungsfähigkeit des Werkstoffs exakt beschrieben werden kann. Dieses neue Schutzkonzept wurde in einer kürzlich abgeschlossenen Dissertation [1] entwickelt und aufgrund der Anwendung im Rahmen der „Druckfesten Kapselung“ und zur Abgrenzung von allen bisherigen Arten der Druckentlastung als „Zünddurchschlagsichere Explosionsdruckentlastung“ bezeichnet.