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Das System der Einheiten

PTB-Mitteilungen 1/2012

Kleine Einführung in das Internationale Einheitensystem

Ernst O. Göbel

Metrologen sehen sich derzeit großen wissenschaftlichen Herausforderungen gegenüber: Sie wollen die Basiseinheiten von ihren definitorischen Unzulänglichkeiten befreien – man denke nur an die Masseeinheit und ihre Verkörperung durch einen ganz bestimmten Metallzylinder in einem Pariser Tresor – und sie stattdessen auf ein möglichst festes, unverrückbares Fundament stellen, so wie es für das Meter mit dem Bezug zur Lichtgeschwindigkeit bereits gelungen ist. Können die Metrologen diese Herausforderung meistern, so werden in Zukunft nicht mehr sieben Basiseinheiten die Spitze des Internationalen Einheitensystems bilden, sondern vielmehr ein Satz festgelegter Naturkonstanten.

Länge – Die SI-Basiseinheit Meter

Harald Schnatz

Jede Hochkultur hat im Zusammenleben ein System entwickelt, das die Schaffung großer Bauten oder die Angabe einer zeitlichen Abfolge von Ereignissen erlaubt. Jede Gesellschaft ist darauf angewiesen, dass ein fairer Austausch von Waren gewährleistet wird (3. Mose 19,35: Ihr sollt nicht unrecht handeln im Gericht mit der Elle, mit Gewicht, mit Maß.). Dazu sind verlässliche Maße und Gewichte (Einheitensysteme) unabdingbar.

Solange diese Maßstäbe nur innerhalb der jeweiligen gesellschaftlichen Grenzen zur Anwendung kommen, spielt die absolute Größe der Maßeinheit nur eine untergeordnete Rolle. Hier genügt es, dass die gewählte Einheit mit einer ausreichenden Reproduzierbarkeit hergestellt und verbreitet werden kann. Erst mit dem Aufkommen eines Grenzen überschreitenden Handels erhält der Aspekt einer allgemein anerkannten, genauen und zeitlich stabilen Maßeinheit zunehmend an Bedeutung.

Zeit – Die SI-Basiseinheit Sekunde

Andreas Bauch

„Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding...“(1). In der Tat nimmt die SI-Basiseinheit „Sekunde“ unter den Einheiten eine Sonderstellung ein: Sie ist die mit Abstand am genauesten realisierte SIEinheit. Daher werden andere Basiseinheiten mit Bezug auf die Sekunde definiert oder realisiert. So ist seit 1983 das Meter eine abgeleitete Einheit, definiert als die Strecke, die Licht im Vakuum in 1/ 299 792 458 Sekunden zurücklegt. Die Realisierung des Volt, der Einheit der elektrischen Spannung, nutzt den Josephson-Effekt aus, der das Volt über das Verhältnis zweier Naturkonstanten, h/(2e) (e: Elementarladung, h: Planck-Konstante) mit einer Frequenz verknüpft. All das wird in den entsprechenden Aufsätzen in dieser Publikation zur Sprache kommen. Aber da ist noch Weiteres  bemerkenswert. Das einzige Messinstrument, das die meisten Menschen im täglichen Leben bei sich tragen, ist eine Uhr. Zeit berührt jeden Menschen (in unserer Zivilisation zumindest) täglich. Die Angabe der für das tägliche Leben maßgeblichen Uhrzeit ist seit Jahrhunderten ein Privileg der Obrigkeit in Stadt und Land, und die praktische Durchführung dieser Arbeit ist mit Ansehen und unmittelbarem Einfluss auf das Leben der Menschen verbunden. Der Übergang von der astronomischen zur Atomuhren-basierten Zeitbestimmung – Gegenstand von Kapitel 2 – war daher mit allerlei Disput in den beteiligten wissenschaftlichen Kreisen verbunden.

Masse und Stoffmenge – Die SI-Basiseinheiten Kilogramm und Mol

Peter Becker, Michael Borys, Michael Gläser, Bernd Güttler und Detlef Schiel

Die physikalischen Größen Masse und Stoffmenge werden in den Einheiten Kilogramm und Mol gemessen. Sie sind zwei der insgesamt sieben Einheiten des Internationalen Einheitensystems (SI). Auch wenn Kilogramm und Mol als unabhängige Basiseinheiten definiert sind, stehen sie doch in enger Beziehung zueinander. Zum Beispiel wiegt ein Mol des Kohlenstoffisotops 12C genau 12 Gramm. Das Instrument zur Bestimmung der Masse eines Gegenstands ist in der Regel die Waage, sie wird aber auch zur Bestimmung der Stoffmenge verwendet. Die Masse dividiert durch die bekannte molare Masse ergibt die Stoffmenge in der Einheit mol. In der Umgangssprache verwendet man meistens das Wort „Gewicht“ anstelle von „Masse“. In der Wissenschaft ist das Gewicht jedoch gleichbedeutend mit der Gewichtskraft, die zwar von der Masse, aber auch von der Fallbeschleunigung abhängt. Die Einheit der Masse ist das Kilogramm, die der Kraft ist das Newton. In ähnlicher Weise spricht man in der Chemie oft vom „Molekulargewicht“ statt
von der molaren Masse, der richtigen Bezeichnung. Die molare Masse hat die Einheit Gramm/Mol. Die Stoffmenge unterscheidet sich von der Masse insbesondere dadurch, dass gleiche Stoffmengen verschiedener Stoffe die gleiche Anzahl von Atomen, Molekülen oder anderer atomarer Partikel enthalten, im Allgemeinen aber nicht die gleiche Masse haben.

Stromstärke – Die SI-Basiseinheit Ampere

Franz Josef Ahlers und Uwe Siegner

Das Ampere, die Einheit der elektrischen Stromstärke, ist die SI-Basiseinheit im Bereich Elektrizität und Magnetismus. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurde das Ampere auf der Grundlage elektrolytischer Prozesse definiert. Dieses sogenannte „internationale Ampere“ war definiert als die Stromstärke, bei der pro Sekunde aus einer Silbernitratlösung 1,118 mg Silber abgeschieden werden. Die heute gültige auf der Elektrodynamik beruhende Definition wurde auf der neunten Generalkonferenz der Meterkonvention im Jahr
1948 beschlossen. Sie lautet: Die Basiseinheit 1 Ampere ist die Stärke eines zeitlich unveränderlichen elektrischen Stromes, der, durch zwei im Vakuum parallel im Abstand 1 Meter voneinander angeordnete, geradlinige, unendlich lange Leiter von vernachlässigbar kleinem, kreisförmigen Querschnitt fließend, zwischen diesen Leitern je 1 Meter Leiterlänge die Kraft 2 ∙ 10−7 Newton hervorrufen
würde.

Temperatur – Die SI-Basiseinheit Kelvin

Joachim Fischer und Jörg Hollandt

Die Temperatur spielt nicht nur bei alltäglichen Dingen wie dem Wetter eine wichtige Rolle, sie ist auch eine entscheidende Kenngröße beim Klimawandel, in der medizinischen Diagnostik und Therapie, beim Energieumsatz in Motoren und Kraftwerken, und sie bestimmt den Ablauf von Lebensprozessen oder wirkt als Steuergröße in der Chemie. Deshalb gehört die Temperatur zu den meistgemessenen physikalischen Größen. Für diese angewandten Messungen ist eine direkte Darstellung der Zustandsgröße Temperatur T gemäß den Grundgesetzen der Thermodynamik unter Einsatz sogenannter Primärthermometer wenig geeignet. Mit Primärthermometern lassen sich thermodynamische Temperaturen zwar mit Unsicherheiten messen, die für fast alle praktischen Anwendungen völlig ausreichend wären, jedoch ist ihr Einsatz so schwierig, aufwendig und häufig langwierig, dass sie für praktische Zwecke, etwa zur Überwachung und Steuerung industrieller Produktionsprozesse, nicht in Frage kommen. Deshalb hat man die thermodynamische Temperaturskala
in einem möglichst großen Bereich durch eine ständig weiterentwickelte und verbesserte Internationale Temperaturskala möglichst genau angenähert, die ein System von Messgeräten und -verfahren vorschreibt, das sich praktisch leichter handhaben lässt als die Primärthermometer und weltweit einheitliche Messungen gewährleistet.

Lichtstärke – Die SI-Basiseinheit Candela

Armin Sperling und Georg Sauter

Als Licht bezeichnen wir den kleinen ausgewählten Teil des elektromagnetischen Spektrums, der über das menschliche Auge als Helligkeit und Farbe wahrgenommen wird. Obwohl Licht für den Menschen unbedingt lebensnotwendig ist, hat man erst ziemlich spät angefangen, Licht zu messen – und das, obwohl dem Menschen aufgrund der herausragenden Bedeutung des Gesichtssinns zur Wahrnehmung und Bewertung seiner Umwelt ein gutes Werkzeug, nämlich das Auge selbst, zur Verfügung stand. Einen der Gründe hierfür nannte Johann Heinrich Lambert (1728−1777), der Begründer der Photometrie (Lichtmesstechnik), schon 1760 in seiner bedeutenden Arbeit „Photometria, sive de mesura et gradibus luminis, colorum et umbrae“ und zwar in der betrüblichen Feststellung, dass es im Gegensatz zur Temperaturmessung keine Messgeräte in der Photometrie gibt, die in der Lage sind, Licht absolut zu messen. „Lichtmengen“, wie man unspezifisch sagte, konnten bis zur Mitte des 20. Jahrhundert lediglich durch den unmittelbaren Vergleich mit einer „Referenzlichtquelle“ bewertet werden.

Naturkonstanten und das „neue SI“

Jörn Stenger und Bernd R. L. Siebert

Das Internationale Komitee für Maß und Gewicht (CIPM) hat empfohlen, die sieben Basiseinheiten des Internationalen Einheitensystems (SI) durch eine exakte Festlegung von Naturkonstanten neu zu definieren. Art und Anzahl dieser Naturkonstanten sind in einem gewissen Rahmen der erforderlichen Konsistenz und Vollständigkeit frei wählbar. Die nach einer intensiven internationalen Diskussion getroffene Auswahl der Naturkonstanten, ihre Abhängigkeiten untereinander und die Unsicherheiten, mit  denen sie gemäß der bestehenden SI-Definition gemessen werden können, werden diskutiert.

Vollversammlung für das Eichwesen 2011

Der Vizepräsident der PTB, Prof. Dr. Peters, eröffnete die 143. Vollversammlung für das Eichwesen (VV) am 23. November 2011 und moderierte die allgemeine Vortragsveranstaltung.