Roman Schwartz, Panagiotis Zervos, Oliver Mack, Karsten Schulz
Der nationale und internationale Handel, der geschäftliche Verkehr und industrielle Prozesse sind heutzutage ohne Massebestimmungen und Wägetechnik undenkbar. Die Wägetechnik beschränkt sich dabei nicht mehr nur auf einfache Wägungen mit Einzelgeräten; heutzutage steuern intelligente und vernetzte Wägesysteme viele Prozess- und Verfahrensabläufe in Handel und Industrie, wo das Gewicht bzw. die Masse häufig als Führungsgröße benötigt wird. Beispiele hierfür sind die Zählung von kleinen Bauteilen auf der Grundlage ihrer Masse, die Bestimmung der Länge von Pressteilen basierend auf Durchmesser und Masse und die Dosierung von Schüttgutmischungen und flüssigen Produkten durch kontinuierliche und diskontinuierliche Wägung.
Waagen werden in nichtselbsttätige und selbsttätige Waagen eingeteilt. Während bei nichtselbsttätigen Waagen das Eingreifen einer Bedienperson während der Wägung erforderlich ist, folgen selbsttätige Waagen einem vorgegebenen Programm charakteristischer, automatischer Abläufe. Manchmal ist es nicht leicht, die genaue Grenze zwischen einer nichtselbsttätigen und einer selbsttätigen Waage zu finden. Nichtselbsttätige Waagen weisen heutzutage sehr kurze Wägezyklen und quasi selbsttätige Wägefunktionen auf, so dass das Eingreifen einer Person während der Wägung auf ein Mindestmaß reduziert ist. In Zweifelsfällen gilt die international festgelegte Definition nach [1]. Eins ist aber allen Waagen gemein: sie bestimmen die Masse aufgrund der Kraftwirkung, die das Wägegut im Schwerefeld der Erde auf seine Unterlage ausübt.
Die Wägetechnik hat sich entsprechend dem allgemeinen technischen Fortschritt in den letzten 30 Jahren radikal weiterentwickelt; moderne Waagen haben mit der traditionellen, mechanischen Balkenwaage fast nichts mehr gemeinsam. Etwa seit 1980 haben elektronische Waagen, deren "Herz" die sogenannte Wägezelle bildet, mechanische Waagen fast vollständig ersetzt. Mit der rasant fortschreitenden Mikroprozessortechnologie wurden bestehende Waagenfunktionen stark erweitert und konnten neue realisiert werden, was aufgrund deutlich kürzerer Messzeiten und wesentlich verbesserter Störgrößenkompensation zu einer enormen Steigerung der Funktionssicherheit und Bedienerfreundlichkeit bei gleichzeitiger Kostenreduktion führte. So erweiterten die Ein- und Ausgabe von Wägedaten über digitale Schnittstellen die Anwendungsgebiete von Waagen erheblich. Fast gleichzeitig setzten sich vor allem bei industriellen Anwendungen modular aufgebaute Wägesysteme durch, bei denen verschiedene Lastaufnehmer und Zusatzgeräte mit einem einzigen Auswertegerät betrieben werden können. Natürlich sind die meisten Waagen modernster Bauart inzwischen auch internetfähig.
Waagen ermöglichen Massebestimmungen in einem sehr großen Anwendungsbereich, der sich von etwa 0,1 µg bis nahezu 1000 t, also über fast sechzehn Größenordnungen, erstreckt. Für bestimmte Anwendungsfälle, insbesondere bei Wägungen für geschäftliche und amtliche Zwecke, müssen geeichte Waagen mit Bauartzulassung bzw. Baumusterprüfbescheinigung – z.B. durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) – verwendet werden. Hierbei müssen nichtselbsttätige und selbsttätige Waagen europäischen und internationalen Vorschriften, Normen, Empfehlungen und Leitlinien genügen, wodurch sichergestellt wird, dass "Waagen im gesetzlich geregelten Bereich" innerhalb bestimmter Fehlergrenzen immer richtig und zuverlässig arbeiten.
Im Folgenden werden die wichtigsten Wägezellenprinzipien und Bauarten von nichtselbsttätigen und selbsttätigen Waagen vorgestellt, wie sie insbesondere im gesetzlich geregelten Bereich eingesetzt werden.