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Ansprechvermögen des Alanin/ESR-Dosimeters für Ir-192-Brachytherapie-Strahler bestimmt

25.06.2014

Das Ansprechvermögen des Alanin/ESR-Dosimeters bezogen auf die Wasser-Energiedosis Dw relativ zu 60Co-Strahlung wurde für das in der Brachytherapie häufig verwendete Strahlungsfeld einer Ir-192-Quelle bestimmt. Das relative Ansprechvermögen ändert sich aufgrund der niedrigeren Photonen-Energie der Ir-192-Strahlung mit der Wassertiefe zwischen 0.976 im Abstand von 1 cm von der Quelle auf 0.956 bei 5 cm Abstand. Die Standard-Messunsicherheit (einschließlich Primärnormal) beträgt ca. 2 %.

192Ir -Strahler werden bei der Strahlentherapie von Krebs eingesetzt. Es sind sehr kleine Strahlenquellen, die mittels eines Afterloader-Systems im oder sehr nahe am Tumor platziert werden, sowohl in der sog. interstitiellen als auch in der intrakavitären Brachytherapie.

Bei der intrakavitären Brachytherapie werden oftmals Applikatoren eingesetzt, die durch eine einseitig eingebaute Abschirmung strahlensensitives, gesundes Gewebe vor Strahlung schützen sollen. Diese Applikatoren beeinflussen die im Tumorgewebe applizierten Dosen, bleiben jedoch bisher in den Protokollen für die klinische Dosimetrie und bei der Bestrahlungsplanung unberücksichtigt. Der Einfluss der Applikatoren auf die applizierten Dosen soll im Forschungsprojekt "Metrology for Radiotherapy using complex fields" (EMRP-HLT09) im Rahmen des "European Metrology Research Programme" u. a. mit Hilfe von Alanin/ESR untersucht werden. Zunächst musste dazu das Ansprechvermögen von Alanin im 192Ir-Strahlungsfeld für die relevanten Wassertiefen (1 cm - 5 cm) mit einem neu entwickelten Wasserphantom bestimmt werden.

Üblicherweise werden 192Ir-–Strahler in der Reference Air Kerma Rate (RAKR), der Luftkermaleistung in 100 cm Abstand zum Strahler, kalibriert. Durch Multiplikation mit dem Dosiskonversionskoeffizienten Λ ergibt sich die eigentliche Dosis-Messgröße der Brachytherapie, die Wasserenergiedosis in 1 cm Abstand vom Strahler. Um den Einfluss der Applikatoren zu untersuchen, muss man jedoch im Wasser und nahe am Strahler messen können.

Die direkte Bestimmung der Wasserenergiedosis stellt messtechnisch eine große Herausforderung dar. Kleine Unsicherheiten bei der Positionierung von Strahler und Sonde sowie Feldstörungen durch die Sonde haben hier viel größere Auswirkungen als bei der Messung der RAKR. Hier zeigt sich ein Vorteil von Alanin, welches bezüglich des Strahlungstransportes wasserähnliche Eigenschaften besitzt und deshalb nur geringe Feldstörungen verursacht. Auch die Abhängigkeit des Ansprechvermögens von der Strahlungsqualität, welche sich mit der Wassertiefe ändert, ist bei Alanin relativ gering.

Die Bestrahlungen im 192Ir-Feld erfolgten im Wasserphantom mit einer Quelle des Typs Nucletron mHDR-v2. In vier auf einem Kreis angeordneten Bestrahlungshaltern wurden jeweils 2 Alanintabletten mit ca. 15 Gy bestrahlt (Abbildung 1), wobei sich die eine Alanintablette oberhalb und die andere Alanintablette unterhalb der Symmetrieebene befanden. Die Bestrahlungen erfolgten im Abstand von 1 cm, 2 cm, 3 cm und 5 cm zum Strahler (siehe auch Abbildung 2). Die applizierte Wasser-Energiedosis wurde mit Hilfe des Kalibrierfaktors für die RAKR der Quelle und der für den spezifischen Quellentyp zur Verfügung stehenden sog. "consensus" Daten berechnet [1-3]. Die zur Kalibrierung des Alanin-Dosimeters erforderlichen Bestrahlungen wurden im 60Co-Referenzstrahlungsfeld der PTB durchgeführt [4].

 

Abb. 1:
Schematische Skizze der Anordnung der Dosimetersonden bei der Bestrahlung. Links: Ansicht von oben; Rechts: Seitenansicht. Der Detektor besteht aus zwei übereinander angeordneten Alanin-Tabletten (Durchmesser 4,8 mm; Höhe 3 mm je Tablette).

Abb. 2:
Haltevorrichtung für die Hohlnadel, in der die Quelle positioniert wird (im Zentrum), sowie die auf einem Kreis angeordneten vier Röhrchen für die Detektoren. Die Haltevorrichtung aus Plexiglas® und Makrolon® wird während der Messung in einem Wasserphantom platziert.

Die Kreisanordnung der Bestrahlungshalter dient zum Ausgleich von Unsicherheiten bei der horizontalen Positionierung des Strahlers, da dieser zur Bestrahlung der Alanintabletten in eine Hohlnadel gefahren wird (Afterloader) und die exakte (horizontale) Position innerhalb dieser Hohlnadel unbekannt ist. Zum Ausgleich von Geometriefehlern der Bestrahlungshalter wurden die Bestrahlungen mit um 180° gedrehtem Haltern wiederholt und die Ergebnisse gemittelt.

Da sich die Alanintabletten bei der Bestrahlung sehr nahe am Strahler befanden, sind bei der Auswertung einige zusätzliche Korrektionen zu beachten. Im Nahfeld der Quelle verläuft der Dosisgradient innerhalb der Alanintablette nicht mehr linear (1/r2-Abfall), wodurch bei der Auswertung die räumlich inhomogene Empfindlichkeitsverteilung im Resonator des ESR-Spektrometers berücksichtigt werden muss. Die Empfindlichkeitsverteilung war zuvor experimentell bestimmt worden.

Das Ansprechvermögen von Alanin bezogen auf die Wasser-Energiedosis relativ zu 60Co beträgt zwischen 0,976 (d =1 cm) und 0,958 (d =5 cm). Die entsprechenden Standard-Messunsicherheiten des relativen Ansprechvermögens variieren zwischen 2,15 % und 2,05 % (vergl. Abbildung 3). Die größten Beiträge zur Unsicherheit liefern die zur Berechnung der applizierten Dosen verwendete Luftkermaleistung Sk (RAKR) und der Dosiskonversionskoeffizient Λ [1]. Die Unsicherheitskomponente, die von der Alanin-Messung herrührt, ist kleiner als 1%.

Abb. 3:
Ansprechvermögen r des Alanin-Dosimeters bezogen auf die Wasser-Energiedosis Dw für 192Ir-Strahlung, relativ zu 60Co-Strahlung, als Funktion des Abstandes d zwischen dem Zentrum der Quelle und dem Zentrum des Detektors. Die Fehlerbalken stellen die Standard-Messunsicherheit dar.

Literatur:

  1. Selbach, H.-J.; Bambynek, M.; Aubineau-Lanièce, I.; Gabris, F.; Guerra, A. S.; Pia Toni, M.; de Pooter, J.; Sander, T. und Schneider, T.:
    Experimental determination of the dose rate constant for selected 125I and 192Ir-brachytherapy sources.
    Metrologia 49, (2012), S219-S222

  2. Perez-Calatayud, J.; Ballester, F.; Das, R. K.; DeWerd, L. A.; Ibbott, G. S.; Meigooni, A. S.; Ouhib, Z.; Rivard, M. J.; Sloboda, R.S.; Williamson, J.F.:
    Dose calculation for photon-emitting brachytherapy sources with average energy higher than 50 keV: Report of the AAPM and ESTRO.
    Medical Physics 39 (5), (2012), 2904-2927

  3. ESTRO, Dosimetry parameters for source models used in brachytherapy www.uv.es/braphyqs/index2.htm

  4. Anton, M.:
    Uncertainties in alanine/ESR dosimetry at the Physikalisch-Technische Bundesanstalt.
    Phys. Med. Biol. 51 (2006) 5419-5440
Ansprechpartner
Opens window for sending emailT. Hackel, Fachbereich 6.2, Arbeitsgruppe 6.24
Opens window for sending emailM. Anton, Fachbereich 6.2, Arbeitsgruppe 6.24
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