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Schaltsekunde am 1. Januar 1999

30.11.1998

Eine Sekunde mehr – Schaltsekunde am 1. Januar 1999

Als die atomare Sekunde geboren wurde (offizielles Geburtsjahr: 1967), kam sie etwas untergewichtig auf die Welt. Die Folge: Unser gewöhnlicher Erdentag dauert im Schnitt etwas länger als 24 mal 60 mal 60 "atomare Sekunden". Diese Differenz beträgt zwar nur ein paar tausendstel Sekunden pro Tag, aber sie summiert sich innerhalb eines Jahres auf rund eine dreiviertel Sekunde. Die Hüter der Zeit - in Deutschland die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig - sind daher aufgefordert, ihr atomares Zeitmaß mit dem irdischen Zeitmaß hin und wieder in Einklang zu bringen und erfanden zu diesem Zweck die Schaltsekunde. Am 1. Januar 1999 wird eine solche Schaltsekunde die letzte Minute vor 1 Uhr nachts Mitteleuropäischer Zeit (MEZ) auf 61 Sekunden ausdehnen.

Schaltsekunden sind der kleine Tribut an das Atomzeitalter und Ausdruck eines Kompromisses: Unser natürliches Zeitmaß ist durch die Drehung der Erde um ihre Achse, also den Tag-Nacht-Zyklus, bestimmt. Da sich die Erde jedoch nicht perfekt gleichförmig dreht, schwankt dieses Zeitmaß unregelmäßig über die Jahre hinweg. Zugleich nimmt die Drehgeschwindigkeit der Erde, wenn auch nur sichtbar im Maßstab von Jahrhunderten und Jahrtausenden, langsam ab, die Tage werden also länger. Als nun vor einigen Jahrzehnten festgelegt wurde, wie lang die atomare Sekunde sein soll, bezog man sich indirekt auf astronomische Beobachtungen zurückliegender Jahrhunderte, in denen sich die Erde noch etwas schneller als heute gedreht hatte, und die atomare Sekunde geriet in diesem Sinne etwas zu kurz, so daß bei atomarer Zeitrechnung über die Jahre hinweg schließlich ein paar Sekunden "fehlen" würden. Mit Hilfe der Schaltsekunden gelingt es nun, diese Lücken zu füllen und die Atomzeit näherungsweise mit der Weltzeit übereinstimmen zu lassen. Um das zu gewährleisten, erfolgt die Einfügung der Schaltsekunden nicht in einer festen zeitlichen Abfolge, sondern auf Grund der Beobachtungen der Erdrotation, die von einem internationalen Dienst in Paris, dem International Earth Rotation Service (IERS), ausgewertet werden.

Auf Anweisung des IERS wird nun zum Jahreswechsel in die von den Atomuhren abgeleitete Zeitskala UTC (Universal Time, Coordinated) eine zusätzliche Sekunde, eine sogenannte positive Schaltsekunde, weltweit eingefügt. Für Mitteleuropa bedeutet die anstehende Schaltsekunde, daß die Minute, die am 1.1.1999 um 00:59:00 Uhr beginnt, 61 Sekunden dauert.

UTC bezeichnet die Koordinierte Weltzeit, die weltweit in derzeit 48 Zeitinstituten realisiert wird. Mit ihren Cäsium-Atomuhren ist die PTB in Braunschweig an der Bestimmung dieser Koordinierten Weltzeit maßgeblich beteiligt. Durch das Zeitgesetz ist die PTB damit beauftragt, die gesetzliche Zeit in Deutschland zu realisieren und zu verbreiten, d.h. der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zu diesem Zweck benutzt die PTB den Langwellensender DCF77, über den sie eine codierte Zeitinformation ausstrahlt. Das Sendeprogramm von DCF77 wird am 1. Januar 1999 so modifiziert, daß während der ersten Stunde des Tages durch ein "Ankündigungsbit" die bevorstehende Schaltsekunde angekündigt wird, bevor sie dann vor dem Beginn der zweiten Stunde des Tages als eine zusätzliche Sekundenmarke ausgesendet wird. Die Geräte, die den Zeitcode erzeugen, stehen in der Sendefunkstelle Mainflingen, dem Sendeort von DCF77, nahe Aschaffenburg am Main und werden von Mitarbeitern der PTB für die Einfügung der Schaltsekunde programmiert.

Auch in der über Telefonmodem über die Rufnummer (0531) 51 20 38 übermittelten Zeitinformation wird die Schaltsekunde berücksichtigt, und viele Tage im voraus wird das Einfügen der Schaltsekunde angekündigt. Uhren, die mit der gesetzlichen Zeit übereinstimmen sollen, und die nicht automatisch über eine der genannten Maßnahmen auf die PTB-Zeit zugreifen, müssen für die Dauer einer Sekunde angehalten werden.

Weitere Informationen zu Atomuhren und dem internationalen Zeitsystem sind im Internet auf der Homepage der Fachlaboratorien 4.32 und 4.33 der PTB unter www.ptb.de abrufbar.

Weitere Informationen:
Dr. Andreas Bauch, PTB, Fachlabor 4.32
Tel.: (0531) 592-4320
E-mail: time(at)ptb.de