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Gesicht: ein blinder Fleck

30.06.2004

PTB, Ärzte und Psychologen auf der Suche nach den neurologischen Ursachen einer rätselhaften Krankheit

Zusammen mit Neurologen und Psychologen der FU Berlin und der Charité sowie Humangenetikern der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Institut Berlin, ein Projekt gestartet, das sich einer gar nicht so seltenen, aber noch relativ unbekannten Wahrnehmungsstörung widmet: der Gesichtsblindheit. Mit Hilfe von biomagnetischen Gehirnstrommessungen wollen die Wissenschaftler mehr über die neurologischen Vorgänge im Gehirn der Patienten erfahren.

Es kann bei einem Unfall oder nach einer Krankheit passieren: Plötzlich erkennt man Gesichter nicht mehr oder viel langsamer als zuvor, hat Schwierigkeiten zu sagen, welches Gesicht bekannt oder unbekannt ist. Gesichtsblindheit (Prosopagnosie) lautet die Diagnose. Die große Mehrheit der Betroffenen wird aber wahrscheinlich bereits mit dem Defizit geboren und hat es ererbt. Bei dieser ererbten Form der Gesichtsblindheit ist es besonders wichtig, die Diagnose frühzeitig zu stellen, um die betroffenen Kinder besser fördern zu können. In dem gemeinsamen Projekt der Messtechnik-Experten der PTB mit Neurologen, Humangenetikern und kognitiven Psychologen geht es darum, mehr über diese Wahrnehmungsstörung zu erfahren. Konkret wollen sie herausfinden, ob auf der Ebene der Nervenzellen des Gehirns, der Neuronen, andere Verarbeitungsweisen von Gesichterbildern als bei Gesunden nachgewiesen werden können.

Das Verfahren, das die Wissenschaftler dabei nutzen, heißt Magnetoenzephalographie (MEG). Damit können die Magnetfelder der feinen elektrischen Ströme, die in unserem Kör-per fließen, gemessen werden. Diese Ströme leiten zum Beispiel Reize entlang von Nerven zum Gehirn, bringen Muskeln zur Kontraktion oder entstehen beim Denken im Gehirn. Für die Messung benötigt man hochempfindliche Sensoren, so genannte SQUIDs. Die empfindliche Magnetfeldmessung darf nicht durch das Erdmagnetfeld oder andere, technische Magnetfelder (z.B. von elektrischen Leitungen) gestört werden. Deswegen befindet sich das MEG-Gerät in einem magnetisch abgeschirmten Raum. Eine typische MEG-Untersuchung beruht auf einer wiederholten gezielten Reizung eines Sinnesorgans – von Auge, Ohr oder auch der Haut. Diese Reizung verursacht einen Strom in den Nervenzellen des Gehirns. Nach der Mittelung über hunderte oder auch tausende identischer Reize kann eine charakteristische Reizantwort berechnet werden. Bei Abschluss des Projektes, das auf zwei Jahre angelegt ist, könnten so wertvolle Erkenntnisse über die Erkennung von Gesichtern im Gehirn gesammelt sein.

Ein weiteres Thema, das die Arbeitsgruppe „Biomagnetismus“ der PTB in einem vom BMBF geförderten Verbundprojekt zusammen mit Medizinern und anderen Arbeitsgruppen der PTB bearbeitet, ist die Aufklärung des Zusammenhanges zwischen Stoffwechselvorgängen und Neuronenaktivität im Gehirn. Dabei werden mittels optischer Methoden Stoffwechselprozesse im Blut und gleichzeitig mittels MEG die neuronale Aktivität aufgezeichnet. Das Verständnis dieses Prozesses ist wichtig, um eine Störung der Versorgung der Nervenzellen als Ursache von Erkrankungen identifizieren zu können.

Einer der magnetisch geschirmten Räume der PTB in Berlin.
 
Während der MEG-Messung liegt der Patient auf einer Liege; sein Kopf befindet sich in der Öffnung des Magnetoenzephalographen. Darin sind 50 bis 100 SQUIDs auf einer Halbkugel so angeordnet, dass sie das Magnetfeld der Hirnströme rund um den Kopf erfassen können.
 
Die MEG-Messung funktioniert kontaktlos (ohne Elektroden), ist einfach, schnell und sehr genau.
 
(Das Foto kann als 300-dpi-Datei bei der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit angefordert werden
(erika.schow(at)ptb.de).

 

 

Weitere Informationen:

Dr. M. Burghoff
PTB-Arbeitsgruppe „Biomagnetismus “
Telefon: (030) 3481-238
E-Mail: martin.burghoff(at)ptb.de