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Schauerhaft - Braunschweig und die Strahlung aus dem All

Vortragsabend am 22. November 2012 im Haus der Wissenschaft Braunschweig zur Entdeckung der kosmischen Höhenstrahlung vor 100 Jahren Gemeinsame Presseinformation: PTB und Haus der Wissenschaft Braunschweig

12.11.2012

Wir sehen, hören, spüren sie nicht, aber sie ist immer gegenwärtig – die Teilchenstrahlung aus dem Weltall. Was hat es mit dieser Strahlung auf sich und wie wirkt sie sich in unserem Alltag aus? Antworten gibt am 22. November 2012 ein Vortragsabend (ab 19 Uhr) in der Aula im Haus der Wissenschaft Braunschweig. Drei renommierte Experten referieren über den heutigen Wissensstand und berichten, welche Rolle Braunschweig bei der Entdeckung und Erforschung dieser Strahlung spielte.

Auf die äußere Atmosphäre treffen zirka 1000 Teilchen pro Quadratmeter und Sekunde. Durch Stöße mit den Luftmolekülen entstehen Teilchenschauer mit einer hohen Zahl von Sekundärteilchen. Diese Schauer geben Hinweise auf die Art und Energie der kosmischen Primärteilchen. (hier: symbolische Darstellung; Quelle: CERN/LHC)

Mit der Veranstaltung "Schauerhaft - Braunschweig und die Strahlung aus dem All" wird die Entdeckungsgeschichte der kosmischen Strahlung erzählt und erklärt, was es mit dieser Strahlung auf sich hat und wie sie sich in unserem Alltag auswirkt. Als ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet der Physik wird Prof. Flückiger von der Universität Bern über die kosmische Strahlung referieren und den heutigen Wissensstand ausleuchten. Dr. Frank Wissmann, Physiker an der PTB, sowie der Lehrer und Wissenschaftshistoriker Rudolf Fricke werden anschließend gemeinsam darüber berichten, welche Rolle Braunschweig bei der Entdeckung und Erforschung dieser Strahlung spielte.

Neben den beiden Vorträgen können die Gäste auch direkt die Spuren dieser Strahlung in Augenschein nehmen: In einer so genannten Nebelkammer hinterlassen die kosmischen (und andere) Teilchen charakteristische Spuren. Ebenfalls zum Nachweis dieser Strahlung dient eine Funkenkammer, die für diesen Abend vom DESY in Hamburg zur Verfügung gestellt wird. Zugleich werden einige historische Messinstrumente - auch der Braunschweiger Firma Günther / Tegetmeyer - während der Vorträge präsentiert.

Im Anschluss an die Vorträge sind alle Gäste noch zu einem Gedankenaustausch bei Wein & Brezeln eingeladen.

Hintergrundinformationen:

Wir spüren sie nicht, aber sie ist immer gegenwärtig – die natürliche Umgebungsstrahlung aus Zerfallsprodukten radioaktiver Elemente in der Erdkruste und aus kosmischen Teilchen. Bei der Strahlung aus dem Weltall treffen vor allem Protonen und Alphateilchen (Kerne von Heliumatomen) von sehr hoher Energie auf die oberen Atmosphärenschichten. Auf ihrem Weg prallen die Teilchen mit den Molekülen der Luft zusammen und reagieren mit diesen – es entstehen neue Teilchen, die auf ihrem Weg wiederum mit Luftmolekülen kollidieren. Ein auf diese Weise entstehender Teilchenschauer gelangt dann (teilweise) auch bis zur Erdoberfläche. Im Wesentlichen schützt uns die Erdatmosphäre vor dieser Teilchenstrahlung aus dem Weltall – wenn wir nicht zu hoch hinaus kommen. In Reiseflughöhen jedoch, also in Höhen von etwa 8 bis 12 Kilometern, ist die Strahlenbelastung durch diese kosmische Strahlung um das 100 bis 200-fache größer als auf der Erdoberfläche. Die kosmische Höhenstrahlung spielt also in unserem Leben eine wichtige Rolle.

Die Entdeckung dieser kosmischen Höhenstrahlung datiert 100 Jahre zurück und steht in einem engen Zusammenhang mit der Erforschung der Radioaktivität. Man hatte Strahlenwirkungen beobachtet, die mit natürlichen Strahlungsquellen im Erdreich nicht zu erklären waren. Im Jahr 1912 stieg der österreichische Physiker Victor Franz Hess mit einem Freiballon auf und registrierte mit seinen Messinstrumenten was einige bereits vermutet hatten: Die Strahlung nahm mit wachsender Höhe zu und nicht – wie bei einer terrestrischen Strahlungsquelle zu erwarten war – ab. Die Quelle der Strahlung konnte also nicht im Erdboden gesucht werden, sie musste über unseren Köpfen verortet werden. Hess hatte also "extraterrestrische Strahlung" von der Sonne, der Milchstraße und von fernen Galaxien beobachtet (wofür er 1936 auch den Nobelpreis erhielt).

Bis man dann beispielsweise Eigenschaften der kosmischen Strahlung, die Abläufe ihrer Entstehung, aber auch ihren Einfluss auf das Leben auf der Erde erforscht hatte, war es noch ein weiter Weg. Selbst heute noch gibt es viele Unbekannte, sodass über die ganze Welt verteilt Forschungsprojekte zur extraterrestrischen Strahlung durchgeführt werden.

Bisher wenig beachtet ist, dass Braunschweig in der Entdeckungsgeschichte und der Frühphase der Erforschung der kosmischen Strahlung eine besondere Rolle einnimmt. So waren es die beiden Wolfenbütteler Physiklehrer Julius Elster und Hans Geitel, die schon 1901 eine Strahlung beobachteten, die sie keiner Quelle zuordnen konnten und somit die Fragestellung nach einem extraterrestrischen Ursprung aufkam. Der Braunschweiger Lehrer Karl Bergwitz, ein vormaliger Schüler von Elster und Geitel, untersuchte 1908 die Strahlungsverhältnisse, indem er Messungen auf dem Turm der Braunschweiger Andreaskirche vornahm und eine Hochfahrt über Braunschweig mit einem Freiballon unternahm. Allerdings reichten die Höhen nicht aus, um der vermuteten Strahlung auf die Schliche zu kommen. Schlussendlich muss auch noch die in Braunschweig ansässige Firma für wissenschaftlichen Instrumentenbau Günther & Tegetmeyer genannt werden. In deren Werkstatt an der Goslarschen Straße wurden die Instrumente gebaut, mit deren Hilfe die Strahlung entdeckt und Grundlagen ihrer Eigenschaften erforscht wurden.